Innovations-Hotspot fernab vom Schuss
Der kleine Mühlviertler Ort Hagenberg gilt als »Silicon Valley« Österreichs. Wie es dazu kam und warum die abgeschiedene Lage doch zum Problem wird.
Mitte der 1980er-Jahre bestand die 2000-Seelen-Gemeinde Hagenberg aus nicht viel mehr als Wald und Wiesen, einem Wirtshaus und einer kleinen Pfarrkirche, die gerade erst erbaut wurde. Der beschauliche Ort sollte in den kommenden Jahren eine Veränderung hinlegen wie kaum ein anderer Ort in Österreich.
Bruno Buchberger steht beispielhaft für diese Transformation. Der Tiroler Mathematiker, der 1974 als Professor für Computer-Informatik an die Linzer JKU berufen wurde, suchte für sein Forschungsinstitut einen neuen Standort. „Nach Hagenberg bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind“, sagt der gut gelaunte 79-Jährige, als er mit der „Presse am Sonntag“über sein Lebenswerk spricht. 1987 zog er mit seinem Informatik-Institut in das neu renovierte Schloss Hagenberg – bis dahin das mittelalterliche Wahrzeichen des Ortes. Vermittelt hatte ihm den Standort der damalige Landeshauptmann Josef Ratzenböck – mit der Bitte, Arbeitsplätze in die strukturschwache bäuerlich geprägte Region zu bringen.
Buchberger verstand dies als Auftrag: 1989 entwickelte er den Softwarepark Hagenberg, in dem seither mehr als 1000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Drei Jahre später gründete er an gleicher Stelle die Fachhochschule.
Insgesamt arbeiten und studieren in Hagenberg heute mehr als 3000 Menschen im Bereich Software-Entwicklung – an zwölf Hochschulinstituten
und in den 70 Firmen, die sich im Softwarepark um das alte Schloss angesiedelt haben.
„Silicon Hill“. Ob seiner Innovationskraft wird der kleine Ort gerne als „Silicon Valley“Österreichs bezeichnet. Eine Zuschreibung, die der Erfinder des Forschungs- und Technologiezentrums nicht gerne hört: „Das ist eine wahnwitzige Übertreibung. Damit setzt man die Leute, die hier arbeiten, nur unter Druck“, rückt Buchberger die Relationen ins rechte Licht. Um im nächsten Atemzug einen Hauch von Größenwahn raushören zu lassen: „Was wir hier machen, ist besser als das ,Silicon Valley‘. Wir bringen Grundlagenforschung, Technologieentwicklung und industrielle Anwendung zusammen und zwar angepasst an die österreichische Wirtschaft.“
Der Softwarepark ist heute nicht nur ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, sondern eine Kaderschmiede für Software-Experten in ganz Österreich. Vor allem die Industrie-Betriebe im Linzer Zentralraum fischen gerne im Hagenberger Absolventenpool. Die Kombination aus Forschung und Praxis ergäben ein starkes Wachstumspotenzial, sind sich Unternehmer einig, weshalb sich immer mehr namhafte Software-Firmen in unmittelbarer Campus-Nähe niederlassen.
Kaum ein Hagenberger Student stehe nach dem Abschluss ohne Job da, die meisten beginnen schon während des Studiums bei den umliegenden Firmen zu arbeiten, erzählt Michael Affenzeller, Leiter des Softwareparks. Zwar gäbe es in Österreich mittlerweile auch andere IT-Fachhochschulen, die unmittelbare Verschmelzung mit den angrenzenden Unternehmen sei hier aber einzigartig. Nach der TU Wien haben die Mühlviertler mit jährlich 450 Absolventen österreichweit den größten Output im Software- und IT-Bereich.
Insgesamt, rechnet Affenzeller vor, wurden im „Ökosystem Hagenberg“bisher weit mehr als 10.000 Jobs geschaffen.
Das Technologiezentrum wird laufend erweitert. Erst dieses Jahr baute Dynatrace, Weltmarktführer im Bereich Software Intelligence, sein Büro in Hagenberg für 120 Datenspezialisten aus. Auch Porsche Informatik eröffnete dieses Jahr sein Software-Lab. „Es gibt deutlich mehr Anfragen von Firmen, die sich bei uns ansiedeln wollen, als wir bedienen können“, sagt Affenzeller. Die Büro- und Forschungsflächen ließen sich „seriös und nachhaltig“nach oben skalieren – auch Investoren dafür seien längst gefunden. Das alles brauche aber eben seine Zeit.
Der bäuerlich geprägte Ort entwickelte sich in wenigen Jahren zum Software-Mekka.
Die Ortsstruktur hat sich durch das Technologiezentrum in den vergangenen Jahren ohnehin stark verändert. Die Bevölkerung ist seither um 30 Prozent gewachsen und deutlich jünger geworden. Damit ist Hagenberg die Antithese zu vielen anderen ländlichen Gegenden, die langsam aussterben, weil es die Jungen in die Stadt zieht. Auch wirtschaftlich profitiert die Gemeinde vom Softwarepark: 1,8 Millionen Euro spült dieser jährlich an Kommunalsteuer in die Gemeindekassen.
Problemfeld Verkehr. Das größte Problem ist und bleibt der Verkehr. Die öffentliche Anbindung ist schlecht, nur ein paarmal täglich fährt ein Bus ins 20 Kilometer entfernte Linz. Wer in Hagenberg studiert oder arbeitet, ist meist auf sein eigenes Auto angewiesen. Die Rückseite des Softwareparks gleicht mit 1800 Parkplätzen einer Blechwüste. Eine Lösung ist nicht in Sicht, wenngleich Bürgermeister David Bergsmann betont, mit dem Land über den Ausbau des öffentlichen Netzes zu verhandeln.
Bei den Jungen, für die der Umweltgedanke zunehmend eine Rolle spielt, ist die schlechte öffentliche Anbindung ein entscheidender Minuspunkt. Wie erfolgreich es mit dem Vorzeigeprojekt Hagenberg weitergeht, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie gut den Verantwortlichen der Spagat zwischen hoch entwickeltem Technologie-Zentrum und infrastruktureller Prärie gelingt.