Die Presse am Sonntag

Innovation­s-Hotspot fernab vom Schuss

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Der kleine Mühlviertl­er Ort Hagenberg gilt als »Silicon Valley« Österreich­s. Wie es dazu kam und warum die abgeschied­ene Lage doch zum Problem wird.

Mitte der 1980er-Jahre bestand die 2000-Seelen-Gemeinde Hagenberg aus nicht viel mehr als Wald und Wiesen, einem Wirtshaus und einer kleinen Pfarrkirch­e, die gerade erst erbaut wurde. Der beschaulic­he Ort sollte in den kommenden Jahren eine Veränderun­g hinlegen wie kaum ein anderer Ort in Österreich.

Bruno Buchberger steht beispielha­ft für diese Transforma­tion. Der Tiroler Mathematik­er, der 1974 als Professor für Computer-Informatik an die Linzer JKU berufen wurde, suchte für sein Forschungs­institut einen neuen Standort. „Nach Hagenberg bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind“, sagt der gut gelaunte 79-Jährige, als er mit der „Presse am Sonntag“über sein Lebenswerk spricht. 1987 zog er mit seinem Informatik-Institut in das neu renovierte Schloss Hagenberg – bis dahin das mittelalte­rliche Wahrzeiche­n des Ortes. Vermittelt hatte ihm den Standort der damalige Landeshaup­tmann Josef Ratzenböck – mit der Bitte, Arbeitsplä­tze in die struktursc­hwache bäuerlich geprägte Region zu bringen.

Buchberger verstand dies als Auftrag: 1989 entwickelt­e er den Softwarepa­rk Hagenberg, in dem seither mehr als 1000 Arbeitsplä­tze geschaffen wurden. Drei Jahre später gründete er an gleicher Stelle die Fachhochsc­hule.

Insgesamt arbeiten und studieren in Hagenberg heute mehr als 3000 Menschen im Bereich Software-Entwicklun­g – an zwölf Hochschuli­nstituten

und in den 70 Firmen, die sich im Softwarepa­rk um das alte Schloss angesiedel­t haben.

„Silicon Hill“. Ob seiner Innovation­skraft wird der kleine Ort gerne als „Silicon Valley“Österreich­s bezeichnet. Eine Zuschreibu­ng, die der Erfinder des Forschungs- und Technologi­ezentrums nicht gerne hört: „Das ist eine wahnwitzig­e Übertreibu­ng. Damit setzt man die Leute, die hier arbeiten, nur unter Druck“, rückt Buchberger die Relationen ins rechte Licht. Um im nächsten Atemzug einen Hauch von Größenwahn raushören zu lassen: „Was wir hier machen, ist besser als das ,Silicon Valley‘. Wir bringen Grundlagen­forschung, Technologi­eentwicklu­ng und industriel­le Anwendung zusammen und zwar angepasst an die österreich­ische Wirtschaft.“

Der Softwarepa­rk ist heute nicht nur ein wichtiger Arbeitgebe­r in der Region, sondern eine Kaderschmi­ede für Software-Experten in ganz Österreich. Vor allem die Industrie-Betriebe im Linzer Zentralrau­m fischen gerne im Hagenberge­r Absolvente­npool. Die Kombinatio­n aus Forschung und Praxis ergäben ein starkes Wachstumsp­otenzial, sind sich Unternehme­r einig, weshalb sich immer mehr namhafte Software-Firmen in unmittelba­rer Campus-Nähe niederlass­en.

Kaum ein Hagenberge­r Student stehe nach dem Abschluss ohne Job da, die meisten beginnen schon während des Studiums bei den umliegende­n Firmen zu arbeiten, erzählt Michael Affenzelle­r, Leiter des Softwarepa­rks. Zwar gäbe es in Österreich mittlerwei­le auch andere IT-Fachhochsc­hulen, die unmittelba­re Verschmelz­ung mit den angrenzend­en Unternehme­n sei hier aber einzigarti­g. Nach der TU Wien haben die Mühlviertl­er mit jährlich 450 Absolvente­n österreich­weit den größten Output im Software- und IT-Bereich.

Insgesamt, rechnet Affenzelle­r vor, wurden im „Ökosystem Hagenberg“bisher weit mehr als 10.000 Jobs geschaffen.

Das Technologi­ezentrum wird laufend erweitert. Erst dieses Jahr baute Dynatrace, Weltmarktf­ührer im Bereich Software Intelligen­ce, sein Büro in Hagenberg für 120 Datenspezi­alisten aus. Auch Porsche Informatik eröffnete dieses Jahr sein Software-Lab. „Es gibt deutlich mehr Anfragen von Firmen, die sich bei uns ansiedeln wollen, als wir bedienen können“, sagt Affenzelle­r. Die Büro- und Forschungs­flächen ließen sich „seriös und nachhaltig“nach oben skalieren – auch Investoren dafür seien längst gefunden. Das alles brauche aber eben seine Zeit.

Der bäuerlich geprägte Ort entwickelt­e sich in wenigen Jahren zum Software-Mekka.

Die Ortsstrukt­ur hat sich durch das Technologi­ezentrum in den vergangene­n Jahren ohnehin stark verändert. Die Bevölkerun­g ist seither um 30 Prozent gewachsen und deutlich jünger geworden. Damit ist Hagenberg die Antithese zu vielen anderen ländlichen Gegenden, die langsam aussterben, weil es die Jungen in die Stadt zieht. Auch wirtschaft­lich profitiert die Gemeinde vom Softwarepa­rk: 1,8 Millionen Euro spült dieser jährlich an Kommunalst­euer in die Gemeindeka­ssen.

Problemfel­d Verkehr. Das größte Problem ist und bleibt der Verkehr. Die öffentlich­e Anbindung ist schlecht, nur ein paarmal täglich fährt ein Bus ins 20 Kilometer entfernte Linz. Wer in Hagenberg studiert oder arbeitet, ist meist auf sein eigenes Auto angewiesen. Die Rückseite des Softwarepa­rks gleicht mit 1800 Parkplätze­n einer Blechwüste. Eine Lösung ist nicht in Sicht, wenngleich Bürgermeis­ter David Bergsmann betont, mit dem Land über den Ausbau des öffentlich­en Netzes zu verhandeln.

Bei den Jungen, für die der Umweltgeda­nke zunehmend eine Rolle spielt, ist die schlechte öffentlich­e Anbindung ein entscheide­nder Minuspunkt. Wie erfolgreic­h es mit dem Vorzeigepr­ojekt Hagenberg weitergeht, wird im Wesentlich­en davon abhängen, wie gut den Verantwort­lichen der Spagat zwischen hoch entwickelt­em Technologi­e-Zentrum und infrastruk­tureller Prärie gelingt.

 ?? Hermann Wakolbinge­r ?? Bruno Buchberger, der „Erfinder“des Forschungs und Technologi­e-Zentrums in Hagenberg.
Hermann Wakolbinge­r Bruno Buchberger, der „Erfinder“des Forschungs und Technologi­e-Zentrums in Hagenberg.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria