Zwischen Masse und Klasse
In Kitzbühel laufen die Vorbereitungen auf die Wintersaison auf Hochtouren. Nichts wurde heuer dem Zufall überlassen. Doch schon schocken erste Covid-Cluster den bekannten Skiort.
Die Lust aufs Skifahren wurde wohl selten so perfekt inszeniert wie dieses Jahr. Selbst das Wetter spielte am Samstag mit, als die Skiweltcupsaison bei Sonnenschein in Sölden eröffnet wurde. Am Nationalfeiertag kommt dann „Klammer – Chasing the Line“in die Kinos. Der richtige Tag für einen Nationalheiligen quasi. Selten zuvor steckte die heimische Tourismuswirtschaft, allen voran die Österreich Werbung, so viel Geld in Werbekampagnen. Es geht schließlich um das größte Comeback im österreichischen Tourismus. Nach dem Totalausfall im vergangenen Winter ist die Branche wieder in der Spur. Heile Welt, klasse Burschen, wie der Klammer Franzi, und natürlich Schnee, Schnee, Schnee. Die steigenden Coronafälle passen nicht ins Konzept und werden vorerst ausgeblendet.
Auch in Kitzbühel steht alles bereit für den Neustart. Am 30. Oktober sollen am Resterkogel die Lifte in Betrieb gehen. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf des Saisonkartenvorverkaufs“, sagt Anton Bodner, der Chef der Bergbahnen. Das „weltbeste Skigebiet“,
so die selbstbewusste Eigendefinition, plant nicht nur, die Hahnenkamm-Rennen in gewohnter Manier durchzuführen, es hat auch schon die erste Goldmedaille gewonnen. „Wir wurden mit der Covid-Sicherheitstrophy in Gold ausgezeichnet“, so Bodner.
Tatsächlich hat die Pandemie einiges verändert. Den Skipass wird man sich nicht bei der Talstation abholen müssen, sondern aufs Smartphone herunterladen. Und auch das war noch nie: „Erstmalig gab es beim Tagestarif keine Preiserhöhung“, sagt Seilbahnen-Vorstand Christian Wörister.
Inseln im Massentourismus. Kitzbühel ist nicht nur der wohl weltweit bekannteste Skiort. Der auf gerade einmal 760 Meter Seehöhe gelegene Inbegriff des Wintersports ist vielschichtiger als viele glauben. Neben dem Sehen und Gesehenwerden, den schrillen Parties rund um die Hahnenkamm-Rennen, gibt es inmitten des Massentourismus auch Inseln der Beschaulichkeit.
„Die Bühne ist drüben, wir sind das normale Kitzbühel“, sagt Annemarie Foidl. Sie betreibt die Angerer Alm am Kitzbüheler Horn. Hier tummeln sich vor allem Familien und in jüngste Zeit auch immer mehr Snowboardfahrer.
Für Ungeimpfte wird es in vielen Skihütten und Hotels keinen Einlass geben.
Und „normal“ist in Kitzbühel natürlich gar nichts. Foidls Weinkeller ist alles andere als normal. Schließlich ist sie auch Präsidentin des Österreichischen Sommelierverbands. Aber so wie die meisten Hütten hier, ist die Angerer Alm ein Familienbetrieb und im Sommer und Winter nur nach sportlicher Betätigung zu erreichen. „Zu uns kommt man nicht mit dem Auto und in Stöckelschuhen“, sagt sie. Und auch ungeimpft kommt man nicht rein. Auf der Angerer Alm gilt die 2G-Regel. „Das bin ich meinen Mitarbeitern schuldig, die allesamt geimpft sind“, sagt die Hüttenwirtin.
Noch abgeschiedener liegt die Bichlalm. Ein kleines Paradies für Tourengeher, Wanderer und Puristen. „Diese Adresse ist nicht mit dem Auto anzufahren! Die Piste ist nicht mit dem großen Skigebiet Kitzbühel verbunden!“So steht es auf der Homepage des Berggasthofs Bichlalm. Was für viele wie eine Drohung klingen mag, ist für einige wenige eine Offenbarung. „Zu uns kommen die Gäste zum Entspannen und Genießen, ein bisschen auch zum Skifahren“, sagt Betreiber Nikolaus Gasteiger jun.
Einmal im Jahr, am HahnenkammWochenende, pilgert die SeitenblickeGesellschaft auf die leise Seite von Kitz. Dann steigt in Rosis Sonnenbergstuben die Schnitzelparty. Aktuell hat SzeneWirtin Rosi Schipflinger andere Sorgen. Sie ist an Covid erkrankt. Einige Gäste wurden positiv getestet. Die Gesundheitsbehörde warnt, es könnte sich um die neue Delta-Mutation handeln.
Es wird wohl eine holprige Saison. Wie meinte Franz Klammer nach seinem Kitzbühel-Sieg? „Mich hat es heruntergebeutelt von oben bis unten.“