Außenposten der Skination
Österreichs Skikultur wird vor allem abseits der Apr`es-Ski-Hochburgen gelebt, etwa im Böhmerwald mit seinen Weltcup-Aushängeschildern.
Es ereignete sich wieder einmal, dass Vincent Kriechmayr, Doppelweltmeister im Skirennlauf, in medialer Runde ganz ungläubig auf seine Herkunft aus dem nicht gerade hochalpinen Mühlviertel angesprochen wurde. „Hey“, protestierte der ÖSV-Abfahrtsstar umgehend. „Wir haben den Hochficht!“
Gemeint ist das nördlichstes Skigebiet Österreichs, Böhmerwald, Dreiländereck, rund eine Autostunde von Linz. Ein wahres Schneeloch, wie sie hier versichern, immerhin 1338 Meter ragt Smrcˇina, so der tschechische Name des Hochficht, auf und bietet ein Panorama von Ötscher bis Watzmann, wenn nicht gerade der Nebel vom benachbarten Moldaustausee herüberzieht. Zu locken weiß das Familienskigebiet neuerdings mit dem „weltweit ersten Comic-Slalom“und vor über zehn Jahren hat Kriechmayr hier die oberösterreichischen Landesmeisterschaft im Slalom (!) gewonnen.
Den Ton am Hochficht aber gibt die „Schiunion“Böhmerwald an, in dieser Saison mit dem Namenszusatz Intersport Pötscher, dem neuen Sponsor der Mühlviertler Ski-Asse. Aufgetrieben hat ihn der ebenfalls neue Vereinsobmann Johann Mittermayr für 644 Mitglieder, einfach war die Suche nicht. „Jetzt kriegen wir ein bisserl Geld, jetzt geht die ganze Gaudi glaube ich bergauf“, sagt der Neufeldner.
Dorthin also, wo die BöhmerwaldAushängeschilder Elisabeth Reisinger und Elisa Mörzinger bereits sind. Speed-Spezialistin Reisinger, 25, war Europacup-Gesamtsiegerin und hat im Weltcup gerade mit regelmäßigen TopTen-Plätzen Fuß gefasst, ehe sie verletzt pausieren musste. Für Mörzinger wurde soeben ein Fanklub gegründet, gestern stand die 24-Jährige zum dritten Mal beim Weltcup-Auftakt in Sölden am Start und verpasste als 32. knapp das Finale. Ihr Potenzial hatte sie einst mit Platz zwei beim ParallelRiesentorlauf in Sestriere gezeigt.
Über 1100 Vereine sind im ÖSV versammelt. Dass zwei Läuferinnen aus ein und demselben Skiklub nicht nur in den höchsten Kadern auftauchen, sondern auch Weltcup-Fixstarterinnen sind, ist für sich schon außergewöhnlich. Dass dieser Verein auch noch im nördlichen Mühlviertel beheimatet ist und nicht etwa in den Tiroler und Salzburger Ski-Hochburgen umso mehr. „Es ist schon eine Rarität, dass da jemand aus dem Flachland dabei ist“, schmunzelt Mörzinger.
Gesättigte Kitzbüheler? Es gibt Theorien dazu, wieso die großen, mondänen Skiorte kaum noch Sieger hervorbringen, meist führen diese Interpretationen eine gewisse Sättigung als Mitgrund an. Das bisher letzte WeltcupPodest des glamourösen Kitzbüheler Ski Clubs mit seinen fast 10.000 Mitgliedern etwa fuhr Hansi Hinterseer 1977 ein. Ob es den Kitzbühelern also einfach so gut geht, dass sie ein beinhartes Rennfahrerleben nicht mehr auf sich nehmen wollen?
Darauf hat auch Böhmerwald-Obmann Mittermayr keine Antwort. Nur so viel: „Es ist einfach eine blutige Arbeit. In den Winterferien um sieben Uhr, wenn es noch finster ist, mit dem Lift hinauffahren, Läufe setzen und trainieren, weil um neun Uhr die Piste wieder für den Publikumsskilauf gebraucht wird. Ich sage: Dank unserer Trainer und des ganzes Teams sind wir sehr gut aufgestellt.“
Mittermayrs eigene Kinder sind einst mit Reisinger und Mörzinger skigefahren. Die Familien kennen sich, haben den Nachwuchs chauffiert und sich engagiert. Wie eine „Winterfamilie“sei das, sagt der Obmann. Auch wenn FIS-Rennen am Hochficht anstehen. „Da ziehen alle an einem Strang.“
Mörzinger und Reisinger führte ihr Werdegang schließlich weiter in die Schwerpunktschulen nach Windischgarsten und Stams, noch heute aber sagt Mörzinger: „Ich glaube, dass wir von klein auf auf ein sehr gutes Training genießen durften. Bis in den Weltcup hat man sich für uns interessiert, ob wir in guten Händen sind.“
Der Nachwuchs kommt nach wie vor zur „Schiunion“, auch die Kosten einer Saison, die schon in jungen Jahren 15.000 Euro betragen können, schrecken nicht allzu sehr ab. Am Freitag hat sich ein Böhmerwald-Team zum ersten von vier Gletscherkursen nach Hintertux aufgemacht, danach hofft man auf Schnee zu Hause.
Am Hochficht also, dem mutmaßlich einzigem Skigebiet der Welt, das Mönchen gehört. Das Chorherrenstift Schlägl, bekannt auch für seine Brauerei, hält 50 Prozent der Anteile. Die andere Hälfte gehört der Vereinigte Bergbahnen GmbH, also Peter Schröcksnadel. Der wird im Jänner höchstpersönlich bei den Masters-Rennen am Hochficht antreten. „Er hätte sogar extra eine Piste ausgesucht, aber die haben wir wieder umgeplant, weil der Aufwand dafür ein wenig zu groß wäre“, erzählt Mittermayr, Obmann von Böhmerwald, des nördlichsten und erfolgreichsten Außenpostens der Skination, bei dem offenbar sogar die Macht des Altpräsidenten an ihre Grenzen stößt.
Peter Schröcksnadel wird am Hochficht angreifen, nur sein Pistenwunsch blieb unerfüllt.
Was einst auf der Donauinsel begonnen hat, ist zur Institution geworden. Über 100 Mitglieder tummeln sich im Klub, 30 aktive Springer zählt Moser, 48 und Silbermedaillengewinner von Lillehammer 1994, auf. Mit „Hobbyspringern“wären es 44, die derzeit betreut werden. Ob Jung-Adler (6–11), Junioren (11–14) oder Leistungsspringer, die den Telemark in ÖSV-Leistungszentren oder in Ski-Gymnasien wie Stams oder Saalfelden schaffen: Sie alle haben in der Bundeshauptstadt ihr „Adlernest“, in dem sieben Trainer und Trainerinnen auf Technik und Entwicklung achten. TV-Moderator Florian Danner, 38, steht dem Verein vor.
Träume und Telemark. „Skispringen ist cool“, erzählt Thomas, der in Floridsdorf wohnt und 2016 „aus Zufall“nach einem Schnuppertraining beim Springen gelandet ist. Natürlich kennen er, Fabian (Schülermeister), Veit (kommt aus St. Pölten) oder Sara (Tourneesiegerin), die an diesem Dienstagnachmittag im Alterlaa-Gymnasium trainierten, Größen wie Stefan Kraft oder Andreas Goldberger. Ihre Lieblingsschanzen stehen in Villach, Seefeld, Hinterzarten oder Planica. Von zig Bakken (60-m-Schanzen oder kleiner) sind sie gesprungen. Ohne Angst, sicher geleitet, „fasziniert vom Druck unter dem Ski“– und getragen von Träumen, die bis in den Weltcup reichen. Oder weiter. Sara: „Ich will zu Olympia!“
Dass die „Stadtadler“erfolgreich sind, bestätigen Pokale sonder Zahl. Acht Gesamtsieger und dutzende Podestplätze bei der Kinder-Vierschanzentournee stehen zu Buche. Zwei Junioren werden in Saalfelden geschult. „Es macht den Kindern großen Spaß“, erklärt Danner, dessen Sohn Theo auch mitspringt. Weil es in Wien „leider keine Schanze“gibt, müssen Klub und Eltern Wochenende für Wochenende viele Fahrten meistern. Im Klub ist es ein Ganzjahresangebot, gesprungen wird auf Schnee und Matten. Geübt wird in Mürzzuschlag, Eisenerz oder Hinzenbach. Konditionstrainings finden in einem Wiener Turnsaal statt.
Für die „Stadtadler“ist es ein Ganzjahressport: gesprungen wird auf Matten und Schnee.
Schnupperkurse (Skifahren wäre als Grundvoraussetzung gut, Methode und Absprung werden geübt) gebe es immer wieder. 100 Anfragen zählt man pro Jahr, sagt Danner stolz. Doch ob zu geringer personeller Kapazitäten, limitierter Mittel und fehlender Infrastruktur „müssen wir die meisten abweisen“. Dass andernorts Neuanmeldungen bei Skisprungklubs zurückgehen, verleiht dem Wunsch nach Expansion eine gesonderte Bedeutung.
Nach »Hawei« fliegen. Wien ist anders, heißt es. Warum sich also Wiener Skiverband, ÖSV und Stadt mit Klub wie Sponsoren jedoch nicht zusammenschließen, um ein Projekt zu starten? In Hadersdorf-Weidlingau, erzählen Danner und Moser, gab es einst einen 50-m-Bakken (benannt nach dem Norweger Dagfin Carlsen). Fundamente würde man jetzt sogar noch erkennen. 1936 wurde nahe die legendäre „Wienerwaldschanze“gebaut, aber 1949 wieder abgerissen. Die Vision: Eine Anlage inklusive Gebäude mit 15-, 30bzw. 60-m-Schanze, die für Trainings, Events und Umwelt extrem hilfreich wäre. Es bleibt allerdings nicht nur eine Kostenfrage, sondern ist seit Jahren ein sehr heiß debattiertes Thema. Ohne politischen Willen gibt es eben keine Startfreigabe.
Für Sara, Fabian, Veit und Thomas ist das an diesem Nachmittag ohnehin noch viel zu weit weg. Näher sind der Sprung auf die Matte, der nächste Winter, die Landung auf Schnee, vielleicht mit einem Ausflug zur Tournee nach Innsbruck oder Bischofshofen. Mit Mario Mendl war 2013 schon einmal ein „Stadtadler“als Vorspringer bei diesem Schanzen-Klassiker dabei. Aber ein Weltcupspringer aus Donaustadt, eine Olympia-Starterin aus Meidling – es wäre weit mehr als nur eine traumhafte Sportgeschichte.
Ein solches Objektiv hat man noch nicht gesehen: ein 5,2-mm-Fisheye mit zwei Linsen. Das Objektiv für den spiegellosen Canon-RFAnschluss ermöglicht 190-GradStereoaufnahmen. In Kombination mit dem Canon-Virtual-RealitySystem und einer entsprechenden Software kann man tief in die
Fotos bzw. auch Videos „eintauchen“. Die Lichtstärke beträgt 2.8.
Canon RF 5,2 mm F2.8,
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