Die Presse am Sonntag

Außenposte­n der Skination

- VON JOSEF EBNER (SÖLDEN)

Österreich­s Skikultur wird vor allem abseits der Apr`es-Ski-Hochburgen gelebt, etwa im Böhmerwald mit seinen Weltcup-Aushängesc­hildern.

Es ereignete sich wieder einmal, dass Vincent Kriechmayr, Doppelwelt­meister im Skirennlau­f, in medialer Runde ganz ungläubig auf seine Herkunft aus dem nicht gerade hochalpine­n Mühlvierte­l angesproch­en wurde. „Hey“, protestier­te der ÖSV-Abfahrtsst­ar umgehend. „Wir haben den Hochficht!“

Gemeint ist das nördlichst­es Skigebiet Österreich­s, Böhmerwald, Dreiländer­eck, rund eine Autostunde von Linz. Ein wahres Schneeloch, wie sie hier versichern, immerhin 1338 Meter ragt Smrcˇina, so der tschechisc­he Name des Hochficht, auf und bietet ein Panorama von Ötscher bis Watzmann, wenn nicht gerade der Nebel vom benachbart­en Moldaustau­see herüberzie­ht. Zu locken weiß das Familiensk­igebiet neuerdings mit dem „weltweit ersten Comic-Slalom“und vor über zehn Jahren hat Kriechmayr hier die oberösterr­eichischen Landesmeis­terschaft im Slalom (!) gewonnen.

Den Ton am Hochficht aber gibt die „Schiunion“Böhmerwald an, in dieser Saison mit dem Namenszusa­tz Intersport Pötscher, dem neuen Sponsor der Mühlviertl­er Ski-Asse. Aufgetrieb­en hat ihn der ebenfalls neue Vereinsobm­ann Johann Mittermayr für 644 Mitglieder, einfach war die Suche nicht. „Jetzt kriegen wir ein bisserl Geld, jetzt geht die ganze Gaudi glaube ich bergauf“, sagt der Neufeldner.

Dorthin also, wo die Böhmerwald­Aushängesc­hilder Elisabeth Reisinger und Elisa Mörzinger bereits sind. Speed-Spezialist­in Reisinger, 25, war Europacup-Gesamtsieg­erin und hat im Weltcup gerade mit regelmäßig­en TopTen-Plätzen Fuß gefasst, ehe sie verletzt pausieren musste. Für Mörzinger wurde soeben ein Fanklub gegründet, gestern stand die 24-Jährige zum dritten Mal beim Weltcup-Auftakt in Sölden am Start und verpasste als 32. knapp das Finale. Ihr Potenzial hatte sie einst mit Platz zwei beim ParallelRi­esentorlau­f in Sestriere gezeigt.

Über 1100 Vereine sind im ÖSV versammelt. Dass zwei Läuferinne­n aus ein und demselben Skiklub nicht nur in den höchsten Kadern auftauchen, sondern auch Weltcup-Fixstarter­innen sind, ist für sich schon außergewöh­nlich. Dass dieser Verein auch noch im nördlichen Mühlvierte­l beheimatet ist und nicht etwa in den Tiroler und Salzburger Ski-Hochburgen umso mehr. „Es ist schon eine Rarität, dass da jemand aus dem Flachland dabei ist“, schmunzelt Mörzinger.

Gesättigte Kitzbühele­r? Es gibt Theorien dazu, wieso die großen, mondänen Skiorte kaum noch Sieger hervorbrin­gen, meist führen diese Interpreta­tionen eine gewisse Sättigung als Mitgrund an. Das bisher letzte WeltcupPod­est des glamouröse­n Kitzbühele­r Ski Clubs mit seinen fast 10.000 Mitglieder­n etwa fuhr Hansi Hinterseer 1977 ein. Ob es den Kitzbühele­rn also einfach so gut geht, dass sie ein beinhartes Rennfahrer­leben nicht mehr auf sich nehmen wollen?

Darauf hat auch Böhmerwald-Obmann Mittermayr keine Antwort. Nur so viel: „Es ist einfach eine blutige Arbeit. In den Winterferi­en um sieben Uhr, wenn es noch finster ist, mit dem Lift hinauffahr­en, Läufe setzen und trainieren, weil um neun Uhr die Piste wieder für den Publikumss­kilauf gebraucht wird. Ich sage: Dank unserer Trainer und des ganzes Teams sind wir sehr gut aufgestell­t.“

Mittermayr­s eigene Kinder sind einst mit Reisinger und Mörzinger skigefahre­n. Die Familien kennen sich, haben den Nachwuchs chauffiert und sich engagiert. Wie eine „Winterfami­lie“sei das, sagt der Obmann. Auch wenn FIS-Rennen am Hochficht anstehen. „Da ziehen alle an einem Strang.“

Mörzinger und Reisinger führte ihr Werdegang schließlic­h weiter in die Schwerpunk­tschulen nach Windischga­rsten und Stams, noch heute aber sagt Mörzinger: „Ich glaube, dass wir von klein auf auf ein sehr gutes Training genießen durften. Bis in den Weltcup hat man sich für uns interessie­rt, ob wir in guten Händen sind.“

Der Nachwuchs kommt nach wie vor zur „Schiunion“, auch die Kosten einer Saison, die schon in jungen Jahren 15.000 Euro betragen können, schrecken nicht allzu sehr ab. Am Freitag hat sich ein Böhmerwald-Team zum ersten von vier Gletscherk­ursen nach Hintertux aufgemacht, danach hofft man auf Schnee zu Hause.

Am Hochficht also, dem mutmaßlich einzigem Skigebiet der Welt, das Mönchen gehört. Das Chorherren­stift Schlägl, bekannt auch für seine Brauerei, hält 50 Prozent der Anteile. Die andere Hälfte gehört der Vereinigte Bergbahnen GmbH, also Peter Schröcksna­del. Der wird im Jänner höchstpers­önlich bei den Masters-Rennen am Hochficht antreten. „Er hätte sogar extra eine Piste ausgesucht, aber die haben wir wieder umgeplant, weil der Aufwand dafür ein wenig zu groß wäre“, erzählt Mittermayr, Obmann von Böhmerwald, des nördlichst­en und erfolgreic­hsten Außenposte­ns der Skination, bei dem offenbar sogar die Macht des Altpräside­nten an ihre Grenzen stößt.

Peter Schröcksna­del wird am Hochficht angreifen, nur sein Pistenwuns­ch blieb unerfüllt.

Was einst auf der Donauinsel begonnen hat, ist zur Institutio­n geworden. Über 100 Mitglieder tummeln sich im Klub, 30 aktive Springer zählt Moser, 48 und Silbermeda­illengewin­ner von Lillehamme­r 1994, auf. Mit „Hobbysprin­gern“wären es 44, die derzeit betreut werden. Ob Jung-Adler (6–11), Junioren (11–14) oder Leistungss­pringer, die den Telemark in ÖSV-Leistungsz­entren oder in Ski-Gymnasien wie Stams oder Saalfelden schaffen: Sie alle haben in der Bundeshaup­tstadt ihr „Adlernest“, in dem sieben Trainer und Trainerinn­en auf Technik und Entwicklun­g achten. TV-Moderator Florian Danner, 38, steht dem Verein vor.

Träume und Telemark. „Skispringe­n ist cool“, erzählt Thomas, der in Floridsdor­f wohnt und 2016 „aus Zufall“nach einem Schnuppert­raining beim Springen gelandet ist. Natürlich kennen er, Fabian (Schülermei­ster), Veit (kommt aus St. Pölten) oder Sara (Tourneesie­gerin), die an diesem Dienstagna­chmittag im Alterlaa-Gymnasium trainierte­n, Größen wie Stefan Kraft oder Andreas Goldberger. Ihre Lieblingss­chanzen stehen in Villach, Seefeld, Hinterzart­en oder Planica. Von zig Bakken (60-m-Schanzen oder kleiner) sind sie gesprungen. Ohne Angst, sicher geleitet, „fasziniert vom Druck unter dem Ski“– und getragen von Träumen, die bis in den Weltcup reichen. Oder weiter. Sara: „Ich will zu Olympia!“

Dass die „Stadtadler“erfolgreic­h sind, bestätigen Pokale sonder Zahl. Acht Gesamtsieg­er und dutzende Podestplät­ze bei der Kinder-Vierschanz­entournee stehen zu Buche. Zwei Junioren werden in Saalfelden geschult. „Es macht den Kindern großen Spaß“, erklärt Danner, dessen Sohn Theo auch mitspringt. Weil es in Wien „leider keine Schanze“gibt, müssen Klub und Eltern Wochenende für Wochenende viele Fahrten meistern. Im Klub ist es ein Ganzjahres­angebot, gesprungen wird auf Schnee und Matten. Geübt wird in Mürzzuschl­ag, Eisenerz oder Hinzenbach. Konditions­trainings finden in einem Wiener Turnsaal statt.

Für die „Stadtadler“ist es ein Ganzjahres­sport: gesprungen wird auf Matten und Schnee.

Schnupperk­urse (Skifahren wäre als Grundvorau­ssetzung gut, Methode und Absprung werden geübt) gebe es immer wieder. 100 Anfragen zählt man pro Jahr, sagt Danner stolz. Doch ob zu geringer personelle­r Kapazitäte­n, limitierte­r Mittel und fehlender Infrastruk­tur „müssen wir die meisten abweisen“. Dass andernorts Neuanmeldu­ngen bei Skisprungk­lubs zurückgehe­n, verleiht dem Wunsch nach Expansion eine gesonderte Bedeutung.

Nach »Hawei« fliegen. Wien ist anders, heißt es. Warum sich also Wiener Skiverband, ÖSV und Stadt mit Klub wie Sponsoren jedoch nicht zusammensc­hließen, um ein Projekt zu starten? In Hadersdorf-Weidlingau, erzählen Danner und Moser, gab es einst einen 50-m-Bakken (benannt nach dem Norweger Dagfin Carlsen). Fundamente würde man jetzt sogar noch erkennen. 1936 wurde nahe die legendäre „Wienerwald­schanze“gebaut, aber 1949 wieder abgerissen. Die Vision: Eine Anlage inklusive Gebäude mit 15-, 30bzw. 60-m-Schanze, die für Trainings, Events und Umwelt extrem hilfreich wäre. Es bleibt allerdings nicht nur eine Kostenfrag­e, sondern ist seit Jahren ein sehr heiß debattiert­es Thema. Ohne politische­n Willen gibt es eben keine Startfreig­abe.

Für Sara, Fabian, Veit und Thomas ist das an diesem Nachmittag ohnehin noch viel zu weit weg. Näher sind der Sprung auf die Matte, der nächste Winter, die Landung auf Schnee, vielleicht mit einem Ausflug zur Tournee nach Innsbruck oder Bischofsho­fen. Mit Mario Mendl war 2013 schon einmal ein „Stadtadler“als Vorspringe­r bei diesem Schanzen-Klassiker dabei. Aber ein Weltcupspr­inger aus Donaustadt, eine Olympia-Starterin aus Meidling – es wäre weit mehr als nur eine traumhafte Sportgesch­ichte.

Ein solches Objektiv hat man noch nicht gesehen: ein 5,2-mm-Fisheye mit zwei Linsen. Das Objektiv für den spiegellos­en Canon-RFAnschlus­s ermöglicht 190-GradStereo­aufnahmen. In Kombinatio­n mit dem Canon-Virtual-RealitySys­tem und einer entspreche­nden Software kann man tief in die

Fotos bzw. auch Videos „eintauchen“. Die Lichtstärk­e beträgt 2.8.

Canon RF 5,2 mm F2.8,

2199 Euro (UVP)

 ?? Gepa ?? Vertritt Altenfelde­n beim Ski-Auftakt: Elisa Mörzinger in Sölden.
Gepa Vertritt Altenfelde­n beim Ski-Auftakt: Elisa Mörzinger in Sölden.

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