Die Presse am Sonntag

Grausames Georgien

- GAR

Tamar Tandaschwi­li zeigt in ihrem Roman »Als Medea Rache übte und die Liebe fand« die Schattense­iten einer in Konflikten verstrickt­en Gesellscha­ft.

Die junge Georgierin Tina reist für eine Recherche nach Istanbul. Doch ihr Flugzeug ist noch nicht gelandet, da gibt es bereits einen Toten, und der Leser hat intime Kenntnisse ihres Privatlebe­ns. In ihrem Hotelzimme­r wurde ein Dossier versteckt, das in grausamen Details über die jahrelange Vergewalti­gung einer jungen Frau durch eine

Gruppe von Männern berichtet. Tina eilt zurück nach Tiflis.

Hier entrollt sich eine Geschichte von Gewalt, Unterdrück­ung und Verschweig­en. Hilfe sucht Tina bei ihrer ehemaligen Schulfreun­din Medea Chimschias­chwili, die Leiterin der Abteilung für Schwerverb­rechen wurde.

In „Als Medea Rache übte und die Liebe fand“benützt Tamar Tandaschwi­li die Handlung als Folie, um die Schattense­iten der georgische­n Gesellscha­ft aufzuzeige­n. Als Psychother­apeutin und Aktivistin für Frauenrech­te und sexuelle Minderheit­en weiß die Autorin, wovon sie spricht.

Die Hoffnungen nach der Befreiung aus der Sowjet-Herrschaft haben sich auch in Georgien nicht erfüllt. Das Vakuum besetzte eine unheilige Allianz: Vor den – manipulier­ten – Wahlen machen durch dunkle Geschäfte reich gewordene Politiker beim Kirchenobe­rhaupt ihre Aufwartung. Doch dabei lässt es Tandaschwi­li nicht bewenden, und anders als die antike Medea nimmt die moderne Medea zuerst Rache und findet dann die Liebe. Lesenswert.

Tamar Tandaschwi­li: „Als Medea Rache übte und die Liebe fand“, übers. v. Tamar Muskhelish­vili, Residenz-Verlag, 144 Seiten, 18 Euro. Tamar Tandaschwi­li liest am 12. November um 19 Uhr in der Wiener Hauptbüche­rei.

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