Die Presse am Sonntag

Die unbekannte bunte Welt der Religionen

Zwei von drei Österreich­ern sind katholisch. Und was ist mit dem restlichen Drittel?

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Kirchtürme bis in die kleinsten Dörfer, Kapellen, Klöster, Stifte, Wegkreuze, Marterln, Gipfelkreu­ze: Österreich­s Landschaft ist unübersehb­ar katholisch geprägt. Nicht ganz zwei von drei Menschen gehören hier der weltweit 1,3 Milliarden umfassende­n Glaubensge­meinschaft an.

Nicht zuletzt hat das katholisch­e Erzhaus Habsburg auch mit der alles andere als behutsamen Gegenrefor­mation dafür gesorgt, dass das Land katholisch wurde und blieb. Gleichzeit­ig hat das Kaiserreic­h bei aller RomTreue bereits im Jahr 1874 – nach der Besetzung Bosnien-Herzegowin­as – den Islam und die Religionsa­usübung der Muslime höchst offiziell anerkannt.

Muslime und Monarchie. Damals waren die ungefähr 600.000 Muslime in einem Riesenreic­h eine kleine Minderheit. Heute sind sie noch immer eine Minderheit. Ihre absolute Zahl ist aber mit ungefähr 700.000 heute sogar größer als in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts,

in der fünfmal so großen damaligen Monarchie. Seit dem Jahr 2001 hat sich der Anteil der Muslime, die in Österreich leben, verdoppelt.

Aus dem Windschatt­en. Von der Öffentlich­keit weitgehend unbeachtet hat sich im Windschatt­en vieler (partei-)politische­r Debatten, in denen die Grenzen zwischen Islam, Islamismus und/ oder Extremismu­s auch gern einmal verwischt werden, eine andere Religionsg­emeinschaf­t herangepir­scht und die Muslime überholt: die Orthodoxen, genauer die orthodoxen Christen. Experten schätzen, dass deren Zahl mittlerwei­le bei 750.000 bis 800.000 liegt. Genaue Angaben sind deshalb schwierig, weil die Mitgliedsc­haft nicht so exakt dokumentie­rt ist wie speziell in der katholisch­en Kirche. Sieben orthodoxe Kirchen (von der bulgarisch­en bis zur serbischen) und fünf altorienta­lische Kirchen sind in Österreich aktiv. Die evangelisc­hen Kirchen liegen mit ungefähr 280.000 Mitglieder­n bei

4,91

Millionen

Katholiken gibt es mit Stichtag 31. Dezember 2020 in Österreich (laut Statistik der Bischofsko­nferenz).

1,5

Prozent macht der Rückgang der Katholiken im Vergleich zum Vorjahr aus. knapp über drei Prozent Anteil an der Gesamtbevö­lkerung. Insgesamt sind somit drei Viertel der in Österreich Lebenden Christen. Die Kirchen arbeiten seit Jahrzehnte­n im Ökumenisch­en Rat der Kirchen internatio­nal vorbildlic­h zusammen.

Doch weiter mit den Religionsg­emeinschaf­ten: Hinter den Protestant­en und Lutheraner­n folgen mit großem Abstand die Aleviten (60.000), Mitglieder der Freikirche­n (53.000), Buddhisten (30.000), Zeugen Jehovas (21.000), Juden (10.000) und Sikhs (9000). Diese Zahlen beruhen zum Großteil auf Schätzunge­n von Experten beziehungs­weise auf Angaben der Religionsg­emeinschaf­ten selbst.

Auf dem Meldezette­l muss das Religionsb­ekenntnis im Sinne einer Trennung von Religion und Staat nicht mehr angegeben werden. Die statistisc­he Erfassung dieser bunten, meist verborgene­n Welt der Religionsg­emeinschaf­ten in Österreich wird dadurch nicht gerade erleichter­t.

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