Über die Studienzeit in der Fremde
Sie sind gegangen, um im Studium ihre Perspektiven zu erweitern. Junge Österreicher erzählen über ihre Auslandserfahrung an internationalen Unis in Berlin, Amsterdam, Leiden, London und New York – und wie ihr Heimatland dort gesehen wird.
Als Patrick Krennmair seinen ersten Berliner Döner bestellte, wurde er auf Englisch bedient. Sein oberösterreichischer Einschlag war eine Spur zu viel für die norddeutschen Ohren. Heute spricht der 27-Jährige an seinem Studienort durchgehend Hochdeutsch – er klingt dabei nicht wie ein Deutscher, aber auch nicht wie ein Oberösterreicher. „Es geht darum, dass man verständlich bleibt“, sagt er.
Krennmair wuchs in der Nähe des oberösterreichischen Thermenorts Bad Schallerbach auf, studierte in Wien Volkswirtschaft und internationale Entwicklung. Mit 25 bekam er eine Doktoratsstelle an der Freien Universität Berlin. „Ich habe mir damals gesagt: Wenn ich im akademischen Bereich bleibe, will ich einen örtlichen und fachlichen Bruch.“Er habe sich auf Anhieb mit seinem jetzigen Doktorvater verstanden. „Wir haben relativ schnell dieselbe Sprache gesprochen“, sagt Krennmair. Heißt: Zahlen, Forschungsansätze, Datenlagen. In Berlin beschäftigt sich Krennmair mit Armutsindikatoren und Armutsforschung, möchte statistische Methoden entwickeln und auch anwenden.
Berlin kannte er zuvor nur von Urlauben mit Freunden – damals ging es mehr ums Feiern. Als er dann umzog, wurde Krennmair schnell mit dem Berliner Dauerthema konfrontiert: der Wohnungssuche. „Ich habe sicher mehr als ein Jahr gebraucht, bis ich eine leistbare, schöne Wohnung mit einer angemessenen Strecke zur Arbeit gefunden habe.“Er lebte einen Monat in der einen, drei in der anderen WG. Heute wohnt er im Bezirk Charlottenburg, gibt ungefähr ein Drittel seines Gehaltes für die Miete aus.
Berliner und Wiener Grant. Seit seiner Ankunft hat sich Krennmair zumindest in kleinen Schritten auf Berlin eingestellt: Er trägt die hier übliche Uniform der Kreativen: schwarzes T-Shirt, schwarzer Pulli. Außerdem isst er weniger Fleisch und fährt mehr Fahrrad. Auch das „berlinerisch Schroffe“wurde ihm näher, die Studienjahre in Wien seien dabei eine gute Übung gewesen. „Die Mentalität ist gar nicht so unterschiedlich zum Wiener Grant“, sagt er. „Sie äußert sich anders, ist aber vom Prinzip ähnlich und wirkt sympathisch, wenn man sie einordnen kann.“
Das Bild, das sich seine deutschen Freunde von Österreich gemacht haben, ist oft sanft gezeichnet. Viele würden das Land aus dem Urlaub kennen. „Warum zieht man von Wien nach Berlin?“, sei eine Frage, die ihm öfter gestellt wurde. Wo die Österreicher den Deutschen nach Krennmairs Erfahrungen oftmals reserviert gegenüberstehen, herrscht in Berlin oft Interesse.
Das wuchs vor allem in den vergangenen Wochen. Österreichische Skandale von Ibiza bis zur Inseratenkorruptionsaffäre
sorgten auch in Berlin für Schlagzeilen. „In Deutschland gibt’s eine andere Erwartung an Politiker in hohen Ämtern und eine andere Rücktrittskultur“, sagt Krennmair. „Hier waren viele Kollegen schockiert. Mit solchen Aktionen wird die Relevanz verspielt, die Österreich als kleines Land auf europäischer Ebene haben könnte.“
Wenn die Eltern auf Besuch kommen, wechselt Patrick Krennmair wieder ins Oberösterreichische. „Mit der Familie redet man mehr im Dialekt, weil das auch ein Gefühl von Heimat ist.“Wenn sie wieder gefahren ist, braucht er ein paar Tage, bis er wieder ganz auf Hochdeutsch spricht.