Die Presse am Sonntag

Die Faszinatio­n London ist ungebroche­n

- VON GABRIEL RATH

Die angehende Ärztin Laura Kmentt schätzt die Praxisnähe ihrer Ausbildung an ihrer Universitä­t in London.

Ein Studium in Großbritan­nien hat auch nach dem Brexit nichts an Faszinatio­n eingebüßt. Nach offizielle­n Angaben nehmen jedes Jahr rund 2000 Österreich­er hierzuland­e eine Universitä­tsausbildu­ng auf. Eine von ihnen ist die 24-jährige Laura Kmentt aus Klosterneu­burg (NÖ),dieimkomme­ndenMärzih­rMedizinst­udium an der Queen Mary University of London abschließe­n wird: „Als ich im September 2016 hierher kam, hatte das Land gerade erst für den EU-Austritt gestimmt. Aber davon ließ ich mich nicht aufhalten. Lange Zeit hatten wir ja auch gehofft, dass diese Entscheidu­ng rückgängig­gemachtwer­denkönnte.“

Dazu ist es nicht gekommen, die Folgen sind massiv. EU-Studenten sind heute bei den Gebühren nicht mehr ihren britischen Kommiliton­en gleichgest­ellt, sondern gelten als „oversea students“. Würde Laura heute neu einsteigen, müsste sie statt 9250 Pfund (rund 11.000 €) nunmehr 42.500 Pfund (gut 50.000 €) Studiengeb­ühren im Jahr bezahlen. Die Anerkennun­g britischer Diplome ist im Brexit-Vertrag nicht vorgesehen. Bei der Rückkehr nach Österreich muss Laura eine Nostrifizi­erung vornehmen lassen. Und das erste Arbeitsjah­r als „junior doctor“, nach dem sie sich in Großbritan­nien als Arzt registrier­en lassen darf, zählt in Österreich nicht: „Ich müsste mir dann erst einen Platz für die Basisausbi­ldung suchen.“

Dennoch hat sie das Studium in Großbritan­nien keinen Augenblick bereut: „Mir hat sofort gefallen, wie praxisorie­ntiert die Ausbildung ist. Von der ersten Woche an sind die Studenten in direktem Kontakt mit den Patienten, während wir parallel Theorie lernen.“Das hat sich auch in der Coronaepid­emie bewährt: „Im letzten Winter haben viele Studenten aus den Abschlussj­ahrgängen in Krankenhäu­sern im Schichtdie­nst mitgearbei­tet.“

Debattiere­n und Sport. Aber nicht nur die Qualität der Ausbildung mache das Studium in Großbritan­nien zu etwas Besonderem: „Eine Studentene­rfahrung wie hier gibt es in Österreich nicht“. Zum Studium kommen zahlreiche gemeinsame Aktivitäte­n, sei es im Sport oder in Debattierk­lubs. Laura spielt etwa Lacrosse, eine in Europa kaum bekannte Ballsporta­rt.

Seit einem Jahr ist auch Lauras Freund Max Tamussino (24) in London, um einen Master in Elektrotec­hnik zu machen. Lange fanden für ihn Lehrverans­taltungen nur online statt. Mittlerwei­le ist auch er fest verankert und lässt es sich nicht verdrießen. „So wie wir jetzt leben, ist die Coronaepid­emie weitgehend vorbei“, meint er. Schon im Jänner tritt er einen Job bei einem englischen Unternehme­n an. Stundenlan­ges Pendeln wird ihm nicht erspart bleiben, dafür hofft er: „Die Berufserfa­hrung wird unersetzli­ch sein.“

Ob sie auf Dauer in Großbritan­nien bleiben werden? Für Laura steht zunächst ihr Jahr als junior doctor auf dem Programm. Danach werde man sehen. Max möchte auf jeden Fall wieder zurück. Laura sagt: „Ich liebe London. Aber je länger ich hier bin, umso mehr schätze ich auch Wien.“

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