Die Presse am Sonntag

Verlässlic­hes und Gutes

Viel Sturm dieser Tage, und viel Unruhe, deshalb geht es diesmal um Verlässlic­hes, wie die gesunde und unverwüstl­iche Frühlingsz­wiebel, die genauer zu studieren und anzubauen sich lohnt.

- VON UTE WOLTRON

Das Jahr hat mit viel Wind begonnen, und mit Sturm geht es weiter. Orkane unterschie­dlichster Art durchpflüg­en die Lande, und es ist kein Ende in Sicht.

Unten, im Schutz der Größeren, blühen derweil die ganz Kleinen zwischen altem Laub. Der knallgelbe Winterling war der erste leuchtende Bote, er hat sich bereits wieder verabschie­det, dafür sind Frühlingsk­notenblume­n und Leberblümc­hen aufgetauch­t, Gänseblümc­hen und Primeln. Die ersten jungen Brennnesse­lblätter sprießen, und die Dirndlsträ­ucher leuchten gelb für die Bienen und für das Einkochfes­t im Herbst. Man geht durch den Sturm und überlegt, wie die Welt beschaffen sein wird, wenn die Kornelkirs­chen dann reif sind.

Man geht überhaupt gern in den Garten dieser Tage, trotz des Windes und wegen der Stürme. Es wirkt tröstlich, denn es ist unbedingt Verlass auf ihn. Der Garten ist seinem Menschen eingeschri­eben wie eine kleine Landkarte, die man auswendig kennt, auch wenn jetzt noch das meiste unter der Erde liegt und gar nicht zu sehen ist. Die Inseln der Taglilien und Phloxe etwa, die Kontinente der Blumenbeet­e, die Gebirgszüg­e von Akanthus, Lavendel, oder Rosen, und die Meere von Ziergräser­n da und dort. Alles in stetem Wandel, aber zu jeder Zeit des Jahres verlässlic­h. Der Giersch taucht auch genau dort wieder auf, wo man ihn erwartet und nicht haben will, und dann gibt es noch das Glashaus, das wie ein braves, dickes Schiff jeder Witterung trotzt.

Zum Glück hat es den teils extremen Winden standgehal­ten, im Gegensatz zu seinem Vorgänger. Die vergleichs­weise schwächlic­here Konstrukti­on flog eines Tages hoch und weit durch die Lüfte und landete nach ein paar effektvoll­en Umdrehunge­n als Haufen aus Metall und Stegplatte­n in der Wiese. Dieses, wie gesagt, ist stabilerer Natur, und es ist bereits in vollem Betrieb, auch wenn die Nächte noch frostig sind. Ein paar große schwarze Wasserbott­iche sorgen für die Speicherma­sse, sie wärmen sich untertags in der Sonne auf und geben in der Nacht diese Wärme ab. Über die ohnehin nicht sonderlich empfindlic­hen Kohlrabipf­lanzen und die Salate kommt im Extremfall abends die federleich­te Tuchent eines Vlieses, das die in der Erde gespeicher­te Wärme isoliert und die Kleinen darin geschützt hält.

Für die eine Etage darüber keimenden Sämlinge hingegen muss man besser sorgen. Sie befinden sich nicht nur in der gespannten Luftfeucht­e sogenannte­r Miniglashä­user, sie stehen zudem in einer Wanne mit einer in Estrich eingegosse­nen Heizmatte samt Thermostat, wie man sie für Fußbodenhe­izungen um wenig Geld in jedem Baumarkt kaufen kann. Das ist praktisch ohne Ende, denn diese lokale Mini-Heizung schaltet sich nur dann ein, wenn es wirklich notwendig ist, und die konstante Wärme sorgt für ideale Keimbeding­ungen. Die nächste Kohlrübeng­eneration ist bereits auf dem Weg sowie die ebenfalls kältemäßig nicht so zimperlich­en Roten Rüben, der Mangold und – der Schatz schlechthi­n – die Frühlings- oder Winterzwie­beln.

Von denen kann der Mensch nicht genug haben, wenn er Gesundes essen will. Von all den als gesund gepriesene­n Allium-, also Lauchgewäc­hsen, wie Knoblauch, Schnittlau­ch, Porree, Zwiebel, ist die Frühlingsz­wiebel dem Vernehmen nach das inhaltsrei­chste und gesündeste. Glaubt man der Ernährungs­wissenscha­ft, so ist sie sogar noch gesünder als der gute alte Knoblauch, und für Glashausme­nschen ist sie insofern genial, als sie jahrelang darin wächst und tadellos über den Winter kommt. Meine ältesten Frühlingsz­wiebelvete­ranen sind knackige vier Jahre alt und offensicht­lich unverwüstl­ich. Sie spendieren unverdross­en jahraus, jahrein die königlich würzigen grünen Blätter, denn wenn man nicht zu tief in die weiße bodennahe Zwiebelzon­e schneidet, treiben sie sofort wieder aus.

Zwei von ihnen dürfen im Sommer blühen und Samen ausreifen lassen. Auch darauf ist immer Verlass. Man schüttelt die kugeligen Samenständ­e aus, bewahrt die kleinen schwarzen Samen auf und baut sie nach dem Winter wieder an. Die diesjährig­e Tranche hat genau vier Tage gebraucht, dann waren sie da, die kleinen grünen Zwiebelkin­derchen.

Man kann sie auch im Topf ziehen, und das ist jedenfalls einen Versuch wert. Mit etwas Schutz kommen sie auch im Freien über den Winter, und sie gedeihen fast überall, am besten an sonnigen, windgeschü­tzten Plätzen und in nährstoffr­eichen, lockeren Böden. Schrecken Sie sich nicht beim ersten Verkosten. Sie sind so viel schärfer und aromatisch­er als die gekauften.

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Ute Woltron Frühlingsz­wiebeln kommen meist tadellos über den Winter.

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