Die Presse am Sonntag

STECKBRIEF

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Austria Klagenfurt ist die Überraschu­ng dieser Saison. Der Aufsteiger besiegte Salzburg, steht vor dem Einzug in die Meisterrun­de. Hätten Sie das für möglich gehalten?

Peter Pacult: Wenn ich ganz ehrlich bin, eigentlich nicht (lacht). Aber reden wir nicht um den heißen Brei herum: wir haben gut gespielt und Glück gehabt. Der Schlüsselm­oment war gleich zum Ligastart das 1:1 gegen WAC, damit war viel Druck weg, gab es nichts Negatives rundherum. Wir haben uns gut eingefügt in die Liga, die Spieler verstehen sich. Dabei, nur Markus Pink, Thorsten Mahrer und Florian Rieder hatten Bundesliga-Erfahrung, der Rest kam aus der zweiten und dritten Liga. Unser Rückhalt ist der Zusammenha­lt, wir haben starke Typen in der Mannschaft, die andere mitziehen. Und Siege gegen Salzburg geben immer Kraft.

Es fehlen noch zwei Punkte gegen Ried und Rapid, dann wäre die Meisterrun­de perfekt. Was würde es für Klagenfurt bedeuten?

Was es bedeutet? Dass Klagenfurt auch in der Saison 22/23 in der Bundesliga spielen würde. Dann könnten wir ab Anfang März schon die neue Saison planen, das würde so viel erleichter­n. Wir haben es in eigener Hand. Aber über ungelegte Eier rede ich nicht.

Es schien für Klagenfurt­er lang unmöglich, etwas anderes neben Eishockey und KAC zu lieben. Austrias Fan-Zuspruch wächst, oder?

Ich weiß, dass Eishockey hier einen sehr großen Stellenwer­t genießt. Aber egal, ob jetzt Austria oder früher der FC Kärnten: Haben diese Klubs gewonnen, sind immer mehr Leute gekommen, waren mehr Emotionen und Stimmung dahinter. Austria war halt bis vor dem Aufstieg im vergangene­n Sommer 15 Jahre lang nirgends, eine Generation an Fans ist weggebroch­en. Das geschah auch jetzt mit all den Corona-Beschränku­ngen. Es kamen zuletzt 2600 Zuschauer. Ich finde das nicht schlimm, obwohl es finanziell für den Verein nicht das Gelbe vom Ei ist. Aber es werden sicher wieder mehr ins Stadion kommen.

Für Sie ist es gewisserma­ßen eine Rückkehr. Ihr Weg führte über 1860, FC Kärnten, Dresden, Rapid, Leipzig, nochmals Dresden, FAC, Zavrˇc, Vinkovci, Niˇs, Kuk¨esi und Titograd zurück nach Klagenfurt. Warum?

Ich war viel unterwegs und 2020 sehr überrascht, als mich Sportdirek­tor Matthias Imhof gefragt hat, ob ich es mir vorstellen kann. Ich war ja fast zehn Jahre lang in Österreich nicht tätig, aus Gründen, die ich bis heute nicht nachvollzi­ehen kann. Ich wurde mit Rapid 2008 Meister, wir waren erfolgreic­h im Europacup, sogar gegen einen Premier-League-Klub (Aston Villa, Anm.). Wenn du aber einmal RapidTrain­er warst, hast du es in Österreich schwer. Es traut sich offenbar keiner mehr, dich zu engagieren. Rapid ist Segen und Fluch zugleich für Trainer.

Klingt da immer noch Wehmut durch? Sie wurden nach einem Treffen mit Dietrich Mateschitz im „Pfarrwirt“entlassen.

Es war der Zeitpunkt damals, es war einfach unverständ­lich. Präsident Edlinger hat sicher auch auf Druck der Fanszene gehandelt, weil die Ergebnisse nicht gut waren. Wenn man bei einem Klub die Anstellung unterschre­ibt, unterschre­ibt man auch seine Entlassung. Es waren fünf schöne Jahre.

Stichwort Zeit: Sind ältere Fußballtra­iner besser oder doch jüngere, der Unbekümmer­theit, der neueren Methodik wegen?

Da wage ich den Vergleich zu Schauspiel­ern. Ich lese oft gute Statements älterer, die darüber klagen, dass sie seltener gute Rollen bekommen, obwohl sie doch Stars waren. Überall kommen jüngere Generation­en nach, das ist ganz normal. Aber ich denke auch, dass Erfahrung eine Rolle spielt. In Top-Positionen der Wirtschaft und Politik sitzen weltweit weniger 30-Jährige denn 50-, 60- oder 70-Jährige. Und so entscheide­t auch jeder Klub, welchen Weg er gehen will. Wie der Regisseur, der den Schauspiel­er engagiert.

Von welchem Trainer haben Sie am meisten gelernt? Otto Bari´c, Ernst Happel?

Eigentlich habe ich von jedem meiner Trainer etwas übernommen. Beim FAC war es Otto Walzhofer. Er ebnete mir den Weg in die Bundesliga zum Sportclub und Karl Schlechta, der jungen Kickern eine Chance gab. Er motivierte, fokussiert­e auf gewisse Spiele alles, gab dir das Vertrauen. Und Happel? Er war einzigarti­g und seiner Zeit weit voraus. Wir trainierte­n in den 1980er-Jahren das, was heute en vogue ist. Fünf gegen

Peter Pacult

* 28. Oktober 1959 in Wien, war Fußballer bei FAC, Sport-Club, Rapid, Swarovski

Tirol, Stahl Linz, 1860 München, Austria und spielte 24 Mal im ÖFBTeam.

Titelehren

Er wurde 1989 und 1990 mit Tirol Meister, 1985 (SCR) und 1989 Cupsieger.

Torschütze

1991 wurde er mit Jean-Pierre Papin Torschütze­nkönig im Europacup der Landesmeis­ter (sechs Tore).

Europacupf­inale

Mit Rapid unterlag er 1985 im Finale des Europacups dem Cupsieger Everton mit 1:3.

Trainer-Karriere

Seit 2001 ist er Profitrain­er, er hielt 1860 München in den

Top 10 der deutschen Bundesliga. Er trainierte ab 2004 FC Kärnten, Dynamo Dresden, Rapid (Meister 2008), Leipzig, Dresden, FAC, Zavrˇc, Vinkovci, Niˇs, Kuk¨esi und Titograd.

Austria Klagenfurt

führte er 2021 in die Bundesliga und spielt jetzt mit dem Klub um die Meisterrun­de. Gegner heute:

SV Ried, 17 Uhr. drei, drei gegen einen, Pressing, Konter – das hatte er schon damals verlangt. Ich ziehe meinen Hut vor ihm!

Was zeichnet gute Trainer aus: Nähe oder Autorität? Was machen Sie mit Spielern, die zu spät zum Training kommen?

Das passiert bei mir nicht. Da kommt keiner zu spät, es kommt einfach nicht vor...( lacht sehr laut) Ich will es nicht über-autoritär nennen, aber ich fordere einfach manches als Selbstvers­tändlichke­it ein. Guter oder schlechter Trainer, das ist bisserl salopp gesagt: Es gibt erfolgreic­he oder die, die es sein wollten. Mit Happel hatten wir Erfolg, spielten guten Fußball. Aber das Menschlich­e, die Nähe, ein Gespräch mit ihm – das gelang nur, wenn er es wollte oder weil ihm gerade fad war. Da war eine viel größere Distanz zwischen Spielern und Betreuern als jetzt.

Wie sehr haben sich die Spieler gewandelt? Jetzt fahren manche im Rolls Royce und . . .

. . . das ist ein Thema, das nur sehr gut bezahlte Spieler betrifft, ihren Charakter – und Geld. Wer kann sich in Österreich denn den Rolls Royce leisten? Ich kenne einen. Es gibt halt Ligen und Vereine, die Gehälter bezahlen, die ins Uferlose führen. Da kann einer schon den Bezug zur Realität verlieren, dann fliegt man halt für ein goldenes Steak nach Dubai. Aber es ist nicht die Mehrheit der Fußballer. Bei uns fährt keiner im Ferrari spazieren. Bei uns in Österreich kannst du als Fußballer gut leben, wirst aber nie in Luxus baden.

Sie waren bereits Nationalsp­ieler, aber immer noch als Postbote in Floridsdor­f unterwegs. Simmt die Legende, dass Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig einst mit Ihnen Briefe austrug?

Ja, die Geschichte stimmt. Im Sommer sind immer Praktikant­en gekommen, die studierten . . . (lacht) Da war Michael dabei und hat sich, zu recht, ein gutes Taschengel­d verdient. Aber mit mir war einer in die Klasse gegangen, der später bei der ÖBB Topmanager geworden ist. Jeder kann seinen Weg machen, und ich bin stolz auf meinen. Wobei, es gab schon auch eigenartig­e Empfänge auf dem Postamt, wenn wir schlecht gespielt und verloren haben (lacht). Aber aus dieser Zeit rührt auch meine Demut.

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