Plötzlich war alles anders
»Die Gezeiten gehören uns«: Vendela Vida beschwört ein San Francisco der 1980er-Jahre und seziert Mädchenfreundschaften.
„American Beauty“lässt grüßen: Genauso wie der Film aus dem Jahr 1999 überzeugt der Roman von Vendela Vida in seiner Darstellung von Mädchenfreundschaften und den Schwierigkeiten, die damit einhergehen können.
Eulabee lebt mit ihrer Familie an der Küste San Franciscos, die Golden Gate Bridge gut sichtbar. Wir schreiben die mittleren 1980er-Jahre, Mittelstandsfamilien wie Eulabees können sich dort noch Häuser leisten. Das Teenie-Leben, eine Hochschaubahn der Gefühle, fordert die Gruppe von Mädchen, die sich um Maria Fabiola – von den Burschen „Fabulous“genannt – schart.
Aber irgendetwas ist plötzlich anders: Maria gilt so viel Aufmerksamkeit wie nie zuvor, selbst Mütter schauen sie mit einem bestimmten Ausdruck an. Und dann wären da noch die Blicke der Männer: wenn Väter heimlich für die frühreifen Freundinnen ihrer Töchter schwärmen. Diese Thematik ist nicht vorrangig, aber sie schwingt mit, bis es zu Ereignissen kommt, die weitreichende Folgen haben sollen. Was ist wirklich passiert an jenem Tag auf dem Weg zur Schule? Stimmt die Version von Maria und den anderen Freundinnen, oder sagt Eulabee als Einzige die Wahrheit?
2019 trifft Eulabee, nun über 50, Maria wieder. Sie tauschen die wichtigsten Informationen aus, gleichen den Familienstatus ab, dann kehrt jede in ihr Leben zurück. Was Eulabee bleibt, ist derselbe fahle Geschmack wie einst. Freundschaft, Wahrheit – was war da noch? Eine altmodischlangsame, dennoch spannendmitreißende Lektüre.
Vendela Vida: „Die Gezeiten gehören uns“, übers. von Monika Baark, Hanser Berlin, 287 S., 22,70 Euro