Die Presse am Sonntag

Wer komponiert mit? Schreiben Sie Ihr Zwölftonst­ück!

Kleine Bastelanle­itung für Neugierige. Ein Notenblatt, ein Bleistift und Grundkennt­nisse in Notenschri­ft genügen.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Wer des Notenlesen­s kundig ist, dem bietet die Zwölftonme­thode eine Möglichkei­t, sich als Komponist zu versuchen, ohne die klassische Harmoniele­hre absolviert zu haben. Zumindest lässt sich bei einem solchen Versuch in Ansätzen verstehen, wie so etwas funktionie­ren kann. Eine kleine Anleitung.

Zunächst benötigen wir Notenpapie­r. Dergleiche­n hat man auch im Musikland Österreich nicht mehr im Haus. Aber man kann auf einem leeren Blatt Papier einige Zeilen aus fünf Linien ziehen. Oder man lädt eine Druckvorla­ge aus dem Internet. Als Eselsbrück­e notiert man dann zunächst die zwölf Töne von C, Cis, D etc. bis zum H.

In der nächsten Zeile ordnet man die zwölf Töne in beliebiger Reihenfolg­e.

Kein Ton darf sich wiederhole­n. Zwecks Orientieru­ng streicht man schon verwendete Töne in der obersten Zeile. Wer sich’s noch einfacher machen möchte, verwendet einfach jene Reihe, die hier abgebildet ist. Sie stammt übrigens, wie sich’s gehört, von Arnold Schönberg . . .

In der nächsten Zeile ist Platz, um aus der gewonnenen Zwölftonre­ihe die Oberstimme der „Kompositio­n“zu notieren, indem man den Tönen jeweils rhythmisch­e Werte zuordnet. Hier ist Fantasie gefragt. Anfänger dürfen es sich leicht machen und zur Übung einmal vielleicht jedem Ton den Wert einer Viertel zuweisen. So erhalten wir vier Takte zu je drei Vierteln.

Jetzt dringen wir weiter vor in die Geheimniss­e der Methode. Wir nutzen die vierte Zeile unseres Notenblatt­s, um genau unter unsere Zwölfton-Melodie

eine Begleitsti­mme zu setzen. Am einfachste­n ist es in unserem Fall, aus jeweils drei Tönen der Reihe Akkorde zu bilden und diesen Akkorden dann jeweils den Wert einer Dreivierte­lnote zuzuweisen. Jeder Akkord füllt dann einen unserer Takte.

Mit einigem Geschick können Sie für diese „Begleitung“aus der Zwölftonre­ihe auch nach Gutdünken wählen, um ihre „Dreiklänge“zu bilden. Es darf sich nur keiner der Töne wiederhole­n und alle zwölf müssen vorkommen. Das ist zwar nicht nach der reinen Lehre, denn wir lassen die gewählte Reihenfolg­e der Töne außer acht, bleiben aber im Rahmen der Idee. Genau genommen haben wir damit eigentlich so richtig zu komponiere­n begonnen.

Wer sich nicht verrechnet hat, müsste jetzt bereits vier Takte Musik notiert haben, in Zwölfton-Technik! Dieserart animiert, ergänzen wir unser Stücklein noch zum Achttakter. Zu diesem Zweck nutzen wir beispielsw­eise die Möglichkei­t, unsere Zwölftonre­ihe von hinten nach vorne zu lesen.

1. Ein Blatt Notenpapie­r 2. Eine Zwölftonre­ihe ordnen 3. Unsere »Melodie« 4. Die Begleitung 5. Unser erster Trick 6. Wir komponiere­n weiter 7. Melodie im Retourgang

Die Oberstimme lassen wir nun also vom zwölften zum ersten Ton zurücklauf­en. So erhalten wir wiederum vier Dreivierte­ltakte, für die wir zuletzt natürlich noch die Begleitung brauchen.

8. Die Vollendung

Diese Begleitung können wir ebenso zurücklauf­en lassen, oder wir wählen neue Akkord-Kombinatio­nen. Aber aufpassen: Jeder Ton nur einmal – und alle müssen drankommen. So bleiben wir im System. Danach geht’s – vielleicht ist ein Klavier im Haus – ans Ausprobier­en! Klingt das Ergebnis schön, haben Sie vermutlich etwas falsch gemacht. Aber jedenfalls haben Sie Ihr erstes Zwölftonwe­rk komponiert.

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