Wladimir Putins »konstruktive Zerstörung«
Soll man den global agierenden russischen Sender RT in der EU verbieten? Er versuche, die westlichen Demokratien zu schwächen, meinen internationale Journalisten. Vorsicht bei der Zensur! Das krause Zeug entlarvt sich doch selbst.
Krieg und Propaganda gehören zusammen. Beide wurden in Russland unter Putin intensiv gepflegt. Seine Medien-Front ist stark. Je mehr er diktatorische Züge entwickelte, desto schriller wurde der Ton in den ihm gefügigen Sprachrohren. Brutal übt er Kontrolle. In seinem Reich wurde der demokratische Widerstand extrem geschwächt. Putin hat Milliarden Rubel in die Propagandamaschinerie gepumpt, besonders in jenen Teil, der das Ausland manipulieren soll. 2005 wurde Russia Today gegründet. Seit 2009 senden diese PutinVersteher als RT in mehr als hundert Ländern, sie verbreiten ihre Weltsicht auch im Netz – auf Englisch, Arabisch, Spanisch, Französisch und Deutsch.
Abdrehen? Gegen RT wurde am Freitag eine Vereinigung von Europa-Journalisten (AEJ) aktiv. Sie fordert das Verbot dieses Auslandssenders in der EU, denn er spiele bei der Verbreitung von Lügen und Fake News eine Schlüsselrolle, hieß es als Reaktion auf Moskaus Aggression gegen die Ukraine; RT versuche, „die westlichen Demokratien zu schwächen, denen die Ukraine beitreten möchte“. Weitere 40 internationale Medien-Organisationen haben Putins Krieg aufs Schärfste verurteilt. Ihre Solidarität gilt vor allem auch den unabhängigen russischen Medien.
Was meint der Mediator, der doch gegen Zensur ist, zu solch einem Verbot? Wie geht man mit Unternehmen um, die „alternative Fakten“zur Perfektion gebracht haben? Soll man auch die Kampagnen-Sender in den USA abdrehen, die willig all den Spin Donald Trumps verbreiten? Und gibt es hierzulande Anstalten, die manipulativ diversen Extremisten sehr viel Platz geben?
Wie heikel solche Verbote sind, hat sich eben erst in unserem Nachbarland gezeigt: Die deutschen Behörden haben RT DE nicht mehr zugelassen, weil kein Antrag auf eine Sendelizenz gestellt worden war. Russlands prompte Reaktion: Dort wurde die Deutsche
Welle abgedreht. RT hingegen ist trotz Verboten aktiv. Auch via Internet, mit einem Millionenpublikum in den sozialen Medien. In Österreich kann man es übrigens auf Englisch empfangen – zum Beispiel via A1 und Magenta.
„Sonderoperation“. Was also sieht, hört und liest man bei diesen versierten Propagandisten? Wie wurde über die russische Invasion des Nachbarlands am Donnerstag berichtet? Für RT DE ist sie eine „Sonderoperation zum Schutz des Donbass“, es beginne nun die „Entnazifizierung der Ukraine“. Ein Gehilfe dabei ist der Präsident einer Teilrepublik: „Tausende tschetschenische Kämpfer bereit zum Einsatz in Ukraine“, sagt Ramsan Kadyrow. Seine Botschaft: Fürchtet euch! Inzwischen liest man sogar bei RT DE im Live-Ticker vereinzelt statt „Operation“oder „Einsatz“das Wort „Krieg“. Wer ist schuld daran? Der Westen. Zugleich wird die EU als schwach dargestellt.
Und wenn im Schwarzen Meer 13 ukrainische Soldaten heldenhaft bei der Verteidigung der Schlangeninsel gefallen seien, wie Kiew meldet? Dann lässt RT News Moskau verkünden, die Story sei erfunden. 82 Soldaten hätten ihre Waffen niedergelegt. (Kein Wort über einen Angriff.) Sie kämen frei, wenn sie versprächen, sich nicht mehr an Militäraktionen zu beteiligen. Wahr oder falsch? Eines ist gewiss, die Botschaft lautet: Ergebt euch!
Doktrin. Im Meinungsteil von RT DE, wo sich Gastbeiträge tummeln, die oft extrem links, extrem rechts, extrem bizarr wirken, erklärt uns ein Professor „Russlands neue Außenpolitik, die Putin-Doktrin“. Moskaus Konfrontation mit der Nato sei erst der Anfang: „Es scheint, als sei Russland in eine neue Ära seiner Außenpolitik eingetreten.“Für Sergei Karaganow (Ehrenvorsitzender des russischen Rates für Außenund Verteidigungspolitik) bedeutet Putins Krieg eine „konstruktive Zerstörung“. Das ist eine unfassbare Formulierung. Man sollte sie ernst nehmen.
Und wo bleibt die Wahrheit? „You can fool all the people some of the time and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.“Wer weiß, ob Abraham Lincoln das so gesagt hat. Aber es stimmt.