Arco hat Grund zum Feiern
Jubiläum. Die Madrider Kunstmesse, die mit einem Jahr Verspätung ihren 40er feiert, findet zurück zu alter Stärke – ein, zwei Skandälchen inklusive.
Kritische und polemische Kunst sorgt auf der Madrider Kunstmesse Arco immer wieder für große mediale Aufmerksamkeit. War es zuletzt der spanische Künstler Santiago Sierra, der für Aufruhr sorgte, ist es heuer die peruanische Künstlerin Wynnie Mynerva mit ihrem Werk „Cerrar para abrir“, das für Schlagzeilen sorgt. Ihr großformatiges Gemälde zeigt die nackte Künstlerin mit einer zugenähten Vagina. Damit wollte sie ihre „Negation der Sexualität“darstellen. Sie protestiert damit auch gegen das Image der Frau als Sexualobjekt in der peruanischen Gesellschaft und gegen die sexuelle Gewalt in ihrem Land. Das Bild am Stand der Galerie Ginsberg hätte vielleicht gar nicht so viel Aufmerksamkeit erregt, liefe daneben nicht das Video, in dem zu sehen ist, wie ein Chirurg die Vagina der Künstlerin zunäht. Das war vielen Besuchern der Kunstmesse dann doch zu explizit.
Messe-Direktorin Maribel Lo´pez bezog Stellung und betonte, dass auf der Arco niemals mehr ein Werk zensiert werde. Denn genau das war 2020 Anlass des Skandals rund um die Fotoarbeit „Politische Gefangene“von Santiago Sierra gewesen. Die MesseLeitung bat damals die Galeristin Helga de Alvear, das Werk abzuhängen. Das verschlimmerte den Skandal nur noch. Es ging um Zensur, um freie Meinungsäußerung und um Künstlerfreiheit.
Aber nicht nur die Werke von Mynerva sorgen heuer für Polemik, auch der spanische Provokationskünstler Eugenio Merino erhitzt mit seinen antikolonialistischen Postkarten mit Kolumbus-Statue am Stand der ADN Galerie die Gemüter. Damit greift er die Anti-Rassismus-Proteste der BlackLives-Matter-Bewegung von vor zwei Jahren auf, die ihre Wut auch an Denkmälern historischer, vor allem spanischer Persönlichkeiten auslebte, die in Verbindung mit der Kolonialzeit und Sklaverei standen.
Doch natürlich dreht sich auf der noch bis heute Abend laufenden Kunstmesse nicht alles um polemische Werke. Tatsächlich feiert die Arco nämlich ihr 40-Jahr-Jubiläum, genau genommen eigentlich „40 (+1)“, wie die diesjährige Ausgabe auch genannt wird. Denn pandemiebedingt wurde im Vorjahr die Jubiläumsfeier abgesagt und auf 2022 verschoben.
Sondersektion „40 (+1)“. Heuer herrscht auf der Messe wieder vorpandemischer Trubel. Zwar ist die Zahl der teilnehmenden Galerien mit 185 immer noch etwas geringer als vor der Coronakrise und die Gänge sind weiter, aber das ist der Stimmung nicht abträglich. Zum Jubiläum hat die Messe eine eigene kuratierte Sondersektion „Arco 40 (+1) Anniversary“geschaffen und 19 Galerien ausgewählt, die die langjährige Teilnahme an der Arco reflektieren. Ausgewählt wurden sie von den Kuratoren Maria Ine´s Rodriguez, Francesco Stocchi und Sergio Rubira. Darunter befinden sich mit der Galerie Krinzinger und Thaddaeus Ropac auch zwei österreichische Galerien. Erstere hat hier Arbeiten von Monica Bonvicini in Dialog gesetzt mit Bildern der Wiener Künstlerin Eva Schlegel. „Wir waren von Beginn der Arco an dabei, und es war faszinierend zu sehen, wie sich in diesem Land nach der Diktatur eine unheimlich interessante Kunstszene und eine sehr aktive Sammlerschaft entwickelt haben“, sagt Thomas Krinzinger, der schon zu Messebeginn unter anderem eine große Arbeit von Monica Bonvicini für 80.000 Euro in die Schweiz verkaufen konnte.
Thaddaeus Ropac hat sich für die Sondersektion für Werke des britischen Künstlerpaars Gilbert & George entschieden. Auf seinem Hauptstand zeigt er eine Einzelpräsentation von Martha Jungwirth. „Die Künstlerin hat speziell für diesen Anlass eine neue Werkgruppe geschaffen – eine Hommage an zwei bahnbrechende Porträts des spanischen Malers Francisco de Goya, die sich beide in der Sammlung des Museo del Prado befinden“, sagt Ropac. Gleich am Eröffnungstag konnte Ropac sieben Arbeiten von Jungwirth verkaufen, darunter auch „Untitled (Maja III)“für 240.000 Euro.
Nicht in der Sondersektion, aber ebenfalls langjährige Ausstellerin auf der Arco ist Rosemarie Schwarzwälder von der Galerie Nächst St. Stephan. Sie gab ihr Debüt schon 1981. „Seit Jahren ist die Arco für uns erfolgreich und wichtig für den Verkauf und die öffentliche Wahrnehmung unseres Programmes“,
sagt die Galeristin. Bei der Gestaltung des Messestands achtet sie auf eine eigene Handschrift, um den Sammlern durch die bewusste Auswahl und Gestaltung eine Orientierung zu geben. „Der Auftritt mit der 87-jährigen Künstlerin Sheila Hicks ist ein fulminantes, einladendes Signal am Eingang unseres Standes. Bernard Frize und Natasza Niedzio´lka haben wir gebeten, gemeinsam eine sieben Meter lange Wand zu bespielen“, schildert Schwarzwälder. Und Isa Melsheimer habe eine neue architektonisch-organische Keramik geschaffen, die eine Verbindung mit der konzentrierten Leinwand „Wasserfall“von Helmut Federle eingehe. Die Arbeiten von Hicks kamen gut an, und schon zu Beginn konnten zwei davon verkauft werden.
In der Sondersektion »40 (+1)« ehrt die Arco langjährige Aussteller. Österreich ist mit sechs Galerien auf der Kunstmesse vertreten.
Insgesamt sind sechs Galerien aus Österreich auf der Messe. Neben Krinzinger, Ropac und Nächst St. Stephan sind das die Galerien Crone, Krobath sowie Elisabeth & Klaus Thoman. Die Galerie Crone zeigt eine Sonder-Präsentation des Künstlers Hamlet Lavastida, der zu den Mitinitiatoren der neuen kubanischen Demokratiebewegung zählt und seit der Ausbürgerung aus seinem Heimatland in Berlin im Zwangsexil lebt. „Als weiteren Schwerpunkt stellen wir den polnischen Künstler Jozef Jarema vor, der 1933 das Cricot Theater in Krakau gründete und nach dem Krieg in Rom, Nizza und München lebte und dessen Wiederentdeckung mehr als lohnenswert erscheint“, sagt Andreas Huber von der Galerie Crone.
Verkäufe waren Berichten zufolge durchwegs gut. Das teuerste Werk der Messe ist ein Gemälde von Joan Miro´ aus dem Jahr 1920, das von der Galeria Leandro Navarro für zwei Millionen Euro angeboten wird und zuletzt noch auf einen neuen Käufer wartete. Zu den höherpreisigen Arbeiten gehört mit 600.000 Euro auch eine Wandskulptur von Jesu´s Rafael Soto am Stand der Pariser Galerie Perrotin. Verkaufsverhandlungen mit einer bedeutenden Institution seien aber schon zu einem frühen Zeitpunkt der Messe aufgenommen worden.