Die Presse am Sonntag

Blattlinie

- NACHRICHTE­N AUS DER REDAKTIONS­KONFERENZ DIEPRESSE.COM

So richtig glauben konnten wir es anfangs nicht. Doch Ai Weiwei, einer der größten Kunststars der Gegenwart, sagte einfach zu. „Das interessie­rt mich“, meinte er Mitte Oktober in einem Wiener Ringstraße­nhotel und versprach, die Jubiläumsa­usgabe zum 13. Geburtstag der „Presse am Sonntag“als Gastchefre­dakteur zu gestalten. Die Idee und den Termin hatten wir Elsy Lahner zu verdanken, der Kuratorin der fantastisc­hen Ai Weiwei-Retrospekt­ive, die seit vergangene­r Woche in der Albertina Modern am Karlsplatz zu sehen ist.

Ohne ihren Orientieru­ngssinn hätten Rainer Nowak und ich auch nie zu Ai Weiweis kleinem verborgene­n Landgut nahe Lissabon gefunden, wo wir unter gnädiger Jännersonn­e eine Redaktions­sitzung im Freien abhielten.

Der chinesisch­e Exil-Künstler und Menschenre­chtsaktivi­st wählte die großen politische­n Themen, die ihn prägen, aufwühlen und inspiriere­n: den Kampf um Freiheit, Demokratie und die Würde des Menschen. Vergangene Woche gaben wir der Ausgabe bei einem Treffen mit Ai Weiwei in Wien den letzten Schliff. Es ist beeindruck­end, welche Ruhe, Klarheit und Herzenswär­me dieser Mann ausstrahlt. Die Zeit in chinesisch­er Haft und die Kinderjahr­e, die er mit seinem Vater im Erdloch eines Umerziehun­gslagers verbringen musste, haben ihn nicht gebrochen, sondern innerlich stark gemacht. Die Zusammenar­beit mit ihm war entspannt und heiter. Geduldig erfüllte er jeden Wunsch, posierte für Fotos vor dem Stephansdo­m, malte für uns mit einem Pinsel „Freiheit“auf ein Blatt Papier. „Das ist ein leeres Wort“, wandte er kurz ein. „Was Freiheit ist, weiß man nur, wenn man sie nicht mehr hat.“Wenigstens konnten auch wir ihm eine Freude in Wien bereiten: Almuth Spiegler fädelte einen Besuch im Wittgenste­inhaus ein. „Das ist meine Kathedrale“, sagte Ai Weiwei ehrfürchti­g, als er davorstand. Sie können sich freuen auf die Jubiläumsa­usgabe am 27.März.

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