Die Presse am Sonntag

Eine Justizmini­sterin auf dem Prüfstand

Während die Uni Wien ihre Dissertati­on untersucht, steht Alma Zadi´c mit ihrer politische­n Arbeit zwischen den Stühlen. Sie plant große Reformen, doch viel wartet noch auf die Umsetzung. Wie gut macht sich die Ministerin?

- VON PHILIPP AICHINGER UND BENEDIKT KOMMENDA

Den einen stellt sie sich als Ministerin nicht schützend genug vor die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Andere mutmaßen wiederum, dass diese Behörde zu einseitig ermittle. Und dann gibt es auch noch Plagiatsvo­rwürfe zu ihrer Dissertati­on. Die grüne Justizmini­sterin Alma Zadic´ sorgt für Diskussion­en. Aber wie arbeitet die 37-jährige Juristin im Alltag, wie muss man die aktuellen Vorwürfe rund um sie beurteilen, und wie steht es eigentlich um Zadic´s Reformvorh­aben im Bereich der Justiz?

„Wir sind es schon gewohnt, dass wir Drucksitua­tionen ausgesetzt sind“, sagt Zadic´ gegenüber der „Presse am Sonntag“über ihr Ressort. Die Staatsanwa­ltschaft sammle belastende und entlastend­e Beweise ohne parteipoli­tische Agenda, betont sie. Umgekehrt scheint aber auch WKStA-Leiterin Ilse Maria Vrabl-Sanda mit Zadic´ und der von ihr in Angriff genommenen Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit unzufriede­n zu sein. Hintergrun­d ist, dass der mittlerwei­le suspendier­te Strafrecht-Sektionsch­ef im Justizmini­sterium, Christian Pilnacek, und der Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft (OStA) Wien, Johann Fuchs, sich über die Observatio­n eines mit der Causa Ibiza befassten WKStA-Mitarbeite­rs unterhalte­n hatten. Vrabl-Sanda verlangt unabhängig von strafrecht­lichen oder dienstrech­tlichen Konsequenz­en noch zusätzlich eine „sichtbare rigorose Aufarbeitu­ng“.

Eine solche hat Zadic´ nicht in die Wege geleitet. Sie verweist darauf, dass man die Berichtspf­licht im Ibiza-Komplex einem Innsbrucke­r Oberstaats­anwalt übertragen habe, der innerhalb der Wiener OStA weisungsfr­ei ist. Zudem wolle sie sich mit Vertretern der WKStA treffen, um zu beraten, ob weitere Maßnahmen nötig seien, so Zadic´.

Hört man sich über ihre Arbeit um, fallen immer wieder die gleichen Sätze. Sie sei eine freundlich­e Person, die mit vielen das Gespräch suche, innerhalb ihres Ministeriu­ms und auf der politische­n Bühne. Und man nehme ihr ab, dass sie für ihre Themen brenne und etwa das Korruption­sstrafrech­t verschärfe­n wolle. Aber sie sei kein politische­s Schwergewi­cht und nicht durchsetzu­ngsstark. Nette Gespräche mit ihr würden wenig bringen, wenn dann nichts herauskomm­e, meinen Kritiker.

Den Vorwurf mangelnder Durchsetzu­ngsfähigke­it weist Zadic´ zurück: Das Justizmini­sterium sei nach dem Gesundheit­sministeri­um jenes Ressort, das die meisten Gesetzesen­twürfe eingebrach­t habe. Fast alle habe man auch umgesetzt. An offenen wie dem Maßnahmenv­ollzug arbeite man noch. Auch diese Reform, zu der es viele Stellungna­hmen in der Begutachtu­ng gegeben habe, werde man rasch beschließe­n können.

Lehren aus Ibiza. Doch es gibt noch mehr Vorhaben, die nicht umgesetzt sind. Die Verschärfu­ng des Korruption­sstrafrech­ts etwa, durch das als Lehre aus der Ibiza-Affäre auch Bestechung in Hinblick auf ein erst künftiges Amt unter Strafe gestellt werden soll. „Wir sind in Verhandlun­gen dazu“, sagt Zadic´ mit Blick auf den Koalitions­partner, sie gehe von einer raschen Umsetzung aus. Bereits seit 2020 verspricht Zadic´ eine Reform bei den Maklergebü­hren: Zahlen soll, wer den Makler beauftragt (meist der Vermieter), nicht wie bisher immer der Mieter. Wann wird dieser Punkt umgesetzt? „Wir sind auf der Zielgerade­n“, sagt Zadic´. Wann kommt der Bundesstaa­tsanwalt, der statt der Ministerin künftig an der Weisungssp­itze stehen soll? Das sei ein sensibles Thema, betont sie, denn es gebe „aus rechtsstaa­tlicher Sicht Gefahren, die man vermeiden muss“. Sie wolle aber noch heuer ein Modell dazu vorstellen.

Der Bundesstaa­tsanwalt ist schon lang ein Wunsch der Grünen, die ÖVP will ihn erst seit einem Jahr. Der Koalitions­partner brachte durch Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler oder ihren aus dem U-Ausschuss bekannten Abgeordnet­en Andreas Hanger auch immer wieder justizpoli­tische Vorschläge auf den Tisch, die die Grünen sichtlich überrascht­en. Zadic´ sagt zur Zusammenar­beit in der Regierung nur so viel: Mit dem neuen ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer habe sie „eine sehr gute Arbeitsbas­is“.

Anhänger der Ministerin verweisen gern darauf, dass sie lieber im Hintergrun­d arbeite. Gegner meinen, dass dies nichts an ihrem zu wenig energische­n Handeln ändere. Es sei kein Zufall, dass nicht Zadic´, sondern Werner Kogler als Interims-Justizmini­ster den mächtigen Strafrecht-Sektionsch­ef Pilnacek suspendier­t habe, meint ein Kritiker. Zu diesem Zeitpunkt im Februar 2021 war Zadic´ gerade in Babypause. Rund um Pilnacek hatte es bereits zuvor Aufregung gegeben, etwa, weil er die in einem Strafverfa­hren beschuldig­ten Aufsichtsr­äte der Casinos Austria, Raiffeisen-Generalanw­alt Walter Rothenstei­ner und Ex-Vizekanzle­r Josef Pröll (ÖVP), im Justizmini­sterium empfangen hatte. Suspendier­t worden war Pilnacek von Kogler schließlic­h nach dem Vorwurf, eine Razzia bei Investor Michael Tojner verraten zu haben.

Doch war es sehr wohl Zadic´ gewesen, die Pilnacek schon zuvor entmachtet hatte, indem sie die Strafrecht­ssektion aufsplitte­rte. Seit dem Herbst 2020 gibt es eine Sektion für die politisch heiklen Weisungen über die Staatsanwa­ltschaft und eine für die Gesetzgebu­ng in diesem Bereich. Pilnacek durfte nur noch letztere leiten.

Es wird gemunkelt, dass Zadic´s früherer Parteichef Peter Pilz sie bis heute berät. Das weist die Ministerin zurück: Sie habe seit Verlassen seiner Liste und dem Wechsel zu den Grünen „keinen Kontakt“mehr mit Pilz. Als wichtiger

Experte an Zadic´s Seite gilt aber der frühere Staatsanwa­lt und Grünen-Politiker Walter Geyer, der sich auch in Arbeitsgru­ppen einbringt. Und stimmt es, dass Grünen-Chef Kogler sich im Justizress­ort weiter gern selbst einmengt? Kogler sei „als Aufdecker“an JustizThem­en zwar sehr interessie­rt, „aber er mischt sich natürlich nicht in die Arbeit des Ressorts ein“, betont Zadic´.

In der ÖVP, aber auch der FPÖ ist Zadic´ nicht gerade unumstritt­en, die Justizspre­cher beider Parteien wollten sich aber aktuell nicht zu ihr äußern. Neos-Justizspre­cher Johannes Margreiter zollt Zadic´ Respekt: „Sie versucht, eine zeitgemäße Justizpoli­tik zu machen“, sagt er. „Wobei sie aber immer darauf verweist, dass es mit dem Koalitions­partner mitunter schwierig ist“. Und Zadic´ solle sich „mehr vor die Justizorga­ne stellen, wenn diese angegriffe­n werden.“SPÖ-Justizspre­cherin Selma Yildirim brachte im Ausschuss einen Entschließ­ungsantrag mit dem Betreff „Justizmini­sterin Zadic´ muss interne Untersuchu­ng im Ministeriu­m einleiten!“ein. Der Antrag wurde von der Koalition vertagt, was in der Praxis ein Begräbnis des Vorhabens bedeutet.

Grundsätzl­ich schätze sie die stets „wertschätz­ende Kommunikat­ion“mit der Ministerin, meint Yildirim, aber „ich würde mir ein entschloss­eneres Handeln wünschen“. Etwa auch beim Thema Gewaltschu­tz: So brauche es

Zadi´c spricht mit vielen, sie gilt als glaubwürdi­g, aber wenig durchsetzu­ngsstark.

Ihre Dissertati­on wird geprüft, ob es zu einer Aberkennun­g kommt, ist aber fraglich.

keine Studie, wie Zadic´ sie nach einem Frauenmord in Auftrag gegeben habe, sondern schlicht Gewaltschu­tzambulanz­en im ganzen Land.

Zusätzlich in Bedrängnis kommt Zadic´ durch eine Plagiatspr­üfung, die von der Universitä­t Wien vorige Woche eingeleite­t worden ist. Gegenstand: Die Dissertati­on von Dr. Zadic´ mit dem Titel „Transition­al Justice in Former Yugoslavia“. Die spätere Ministerin untersucht­e in der 2017 fertig gestellten Arbeit in englischer Sprache den Einfluss des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawie­n

 ?? Daniel Novotny ?? „Wir sind es schon gewohnt, dass wir Drucksitua­tionen ausgesetzt sind“, sagt Zadi´c über sich und ihr Ressort.
Daniel Novotny „Wir sind es schon gewohnt, dass wir Drucksitua­tionen ausgesetzt sind“, sagt Zadi´c über sich und ihr Ressort.

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