Eine Justizministerin auf dem Prüfstand
Während die Uni Wien ihre Dissertation untersucht, steht Alma Zadi´c mit ihrer politischen Arbeit zwischen den Stühlen. Sie plant große Reformen, doch viel wartet noch auf die Umsetzung. Wie gut macht sich die Ministerin?
Den einen stellt sie sich als Ministerin nicht schützend genug vor die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Andere mutmaßen wiederum, dass diese Behörde zu einseitig ermittle. Und dann gibt es auch noch Plagiatsvorwürfe zu ihrer Dissertation. Die grüne Justizministerin Alma Zadic´ sorgt für Diskussionen. Aber wie arbeitet die 37-jährige Juristin im Alltag, wie muss man die aktuellen Vorwürfe rund um sie beurteilen, und wie steht es eigentlich um Zadic´s Reformvorhaben im Bereich der Justiz?
„Wir sind es schon gewohnt, dass wir Drucksituationen ausgesetzt sind“, sagt Zadic´ gegenüber der „Presse am Sonntag“über ihr Ressort. Die Staatsanwaltschaft sammle belastende und entlastende Beweise ohne parteipolitische Agenda, betont sie. Umgekehrt scheint aber auch WKStA-Leiterin Ilse Maria Vrabl-Sanda mit Zadic´ und der von ihr in Angriff genommenen Aufarbeitung der Vergangenheit unzufrieden zu sein. Hintergrund ist, dass der mittlerweile suspendierte Strafrecht-Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, sich über die Observation eines mit der Causa Ibiza befassten WKStA-Mitarbeiters unterhalten hatten. Vrabl-Sanda verlangt unabhängig von strafrechtlichen oder dienstrechtlichen Konsequenzen noch zusätzlich eine „sichtbare rigorose Aufarbeitung“.
Eine solche hat Zadic´ nicht in die Wege geleitet. Sie verweist darauf, dass man die Berichtspflicht im Ibiza-Komplex einem Innsbrucker Oberstaatsanwalt übertragen habe, der innerhalb der Wiener OStA weisungsfrei ist. Zudem wolle sie sich mit Vertretern der WKStA treffen, um zu beraten, ob weitere Maßnahmen nötig seien, so Zadic´.
Hört man sich über ihre Arbeit um, fallen immer wieder die gleichen Sätze. Sie sei eine freundliche Person, die mit vielen das Gespräch suche, innerhalb ihres Ministeriums und auf der politischen Bühne. Und man nehme ihr ab, dass sie für ihre Themen brenne und etwa das Korruptionsstrafrecht verschärfen wolle. Aber sie sei kein politisches Schwergewicht und nicht durchsetzungsstark. Nette Gespräche mit ihr würden wenig bringen, wenn dann nichts herauskomme, meinen Kritiker.
Den Vorwurf mangelnder Durchsetzungsfähigkeit weist Zadic´ zurück: Das Justizministerium sei nach dem Gesundheitsministerium jenes Ressort, das die meisten Gesetzesentwürfe eingebracht habe. Fast alle habe man auch umgesetzt. An offenen wie dem Maßnahmenvollzug arbeite man noch. Auch diese Reform, zu der es viele Stellungnahmen in der Begutachtung gegeben habe, werde man rasch beschließen können.
Lehren aus Ibiza. Doch es gibt noch mehr Vorhaben, die nicht umgesetzt sind. Die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts etwa, durch das als Lehre aus der Ibiza-Affäre auch Bestechung in Hinblick auf ein erst künftiges Amt unter Strafe gestellt werden soll. „Wir sind in Verhandlungen dazu“, sagt Zadic´ mit Blick auf den Koalitionspartner, sie gehe von einer raschen Umsetzung aus. Bereits seit 2020 verspricht Zadic´ eine Reform bei den Maklergebühren: Zahlen soll, wer den Makler beauftragt (meist der Vermieter), nicht wie bisher immer der Mieter. Wann wird dieser Punkt umgesetzt? „Wir sind auf der Zielgeraden“, sagt Zadic´. Wann kommt der Bundesstaatsanwalt, der statt der Ministerin künftig an der Weisungsspitze stehen soll? Das sei ein sensibles Thema, betont sie, denn es gebe „aus rechtsstaatlicher Sicht Gefahren, die man vermeiden muss“. Sie wolle aber noch heuer ein Modell dazu vorstellen.
Der Bundesstaatsanwalt ist schon lang ein Wunsch der Grünen, die ÖVP will ihn erst seit einem Jahr. Der Koalitionspartner brachte durch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler oder ihren aus dem U-Ausschuss bekannten Abgeordneten Andreas Hanger auch immer wieder justizpolitische Vorschläge auf den Tisch, die die Grünen sichtlich überraschten. Zadic´ sagt zur Zusammenarbeit in der Regierung nur so viel: Mit dem neuen ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer habe sie „eine sehr gute Arbeitsbasis“.
Anhänger der Ministerin verweisen gern darauf, dass sie lieber im Hintergrund arbeite. Gegner meinen, dass dies nichts an ihrem zu wenig energischen Handeln ändere. Es sei kein Zufall, dass nicht Zadic´, sondern Werner Kogler als Interims-Justizminister den mächtigen Strafrecht-Sektionschef Pilnacek suspendiert habe, meint ein Kritiker. Zu diesem Zeitpunkt im Februar 2021 war Zadic´ gerade in Babypause. Rund um Pilnacek hatte es bereits zuvor Aufregung gegeben, etwa, weil er die in einem Strafverfahren beschuldigten Aufsichtsräte der Casinos Austria, Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner und Ex-Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), im Justizministerium empfangen hatte. Suspendiert worden war Pilnacek von Kogler schließlich nach dem Vorwurf, eine Razzia bei Investor Michael Tojner verraten zu haben.
Doch war es sehr wohl Zadic´ gewesen, die Pilnacek schon zuvor entmachtet hatte, indem sie die Strafrechtssektion aufsplitterte. Seit dem Herbst 2020 gibt es eine Sektion für die politisch heiklen Weisungen über die Staatsanwaltschaft und eine für die Gesetzgebung in diesem Bereich. Pilnacek durfte nur noch letztere leiten.
Es wird gemunkelt, dass Zadic´s früherer Parteichef Peter Pilz sie bis heute berät. Das weist die Ministerin zurück: Sie habe seit Verlassen seiner Liste und dem Wechsel zu den Grünen „keinen Kontakt“mehr mit Pilz. Als wichtiger
Experte an Zadic´s Seite gilt aber der frühere Staatsanwalt und Grünen-Politiker Walter Geyer, der sich auch in Arbeitsgruppen einbringt. Und stimmt es, dass Grünen-Chef Kogler sich im Justizressort weiter gern selbst einmengt? Kogler sei „als Aufdecker“an JustizThemen zwar sehr interessiert, „aber er mischt sich natürlich nicht in die Arbeit des Ressorts ein“, betont Zadic´.
In der ÖVP, aber auch der FPÖ ist Zadic´ nicht gerade unumstritten, die Justizsprecher beider Parteien wollten sich aber aktuell nicht zu ihr äußern. Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter zollt Zadic´ Respekt: „Sie versucht, eine zeitgemäße Justizpolitik zu machen“, sagt er. „Wobei sie aber immer darauf verweist, dass es mit dem Koalitionspartner mitunter schwierig ist“. Und Zadic´ solle sich „mehr vor die Justizorgane stellen, wenn diese angegriffen werden.“SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim brachte im Ausschuss einen Entschließungsantrag mit dem Betreff „Justizministerin Zadic´ muss interne Untersuchung im Ministerium einleiten!“ein. Der Antrag wurde von der Koalition vertagt, was in der Praxis ein Begräbnis des Vorhabens bedeutet.
Grundsätzlich schätze sie die stets „wertschätzende Kommunikation“mit der Ministerin, meint Yildirim, aber „ich würde mir ein entschlosseneres Handeln wünschen“. Etwa auch beim Thema Gewaltschutz: So brauche es
Zadi´c spricht mit vielen, sie gilt als glaubwürdig, aber wenig durchsetzungsstark.
Ihre Dissertation wird geprüft, ob es zu einer Aberkennung kommt, ist aber fraglich.
keine Studie, wie Zadic´ sie nach einem Frauenmord in Auftrag gegeben habe, sondern schlicht Gewaltschutzambulanzen im ganzen Land.
Zusätzlich in Bedrängnis kommt Zadic´ durch eine Plagiatsprüfung, die von der Universität Wien vorige Woche eingeleitet worden ist. Gegenstand: Die Dissertation von Dr. Zadic´ mit dem Titel „Transitional Justice in Former Yugoslavia“. Die spätere Ministerin untersuchte in der 2017 fertig gestellten Arbeit in englischer Sprache den Einfluss des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien