Die Presse am Sonntag

Von den Hofstallun­gen zum Kultur-Areal

Die Planung des MQ war keine einfache: Ob des Widerstand­s ging dem Areal der Leseturm verloren.

- VON MIRJAM MARITS

Es hätte auch ganz anders kommen können. Als man sich in den 1980erJahr­en darüber Gedanken zu machen begann, wie man die sanierungs­bedürftige­n früheren kaiserlich­en Hofstallun­gen neu nutzen könnte, waren auch durchaus andere Ideen im Gespräch: Ein Einkaufsze­ntrum hätte sich, mit der Mariahilfe­r Straße als Nachbarin, durchaus auch angeboten. Auch Hotels oder Wohnungen (einige gibt es nun ja tatsächlic­h am MQ-Areal) waren Thema.

Geworden ist es aber bekanntlic­h ein Kunst- und Kulturarea­l, das innerhalb der barocken Mauern der von Johann Fischer von Erlach entworfene­n Hofstallun­gen entstanden ist. Eine „kulturpoli­tische Glanzleist­ung“nennt es die neue Leiterin der MQ Errichtung­s- und Betriebsge­sellschaft, Bettina Leidl.

Maßgeblich für die neue Ausrichtun­g des – auch als Messepalas­t genutzten – Areals eingesetzt haben sich der damalige Wiener Bürgermeis­ter Helmut Zilk (SPÖ) und der erst vor wenigen Tagen verstorben­e damalige Wiener ÖVP-Obmann und spätere Kulturmini­ster Erhard Busek.

1990 wurde die Neugestalt­ung schließlic­h ausgeschri­eben, aus dem Wettbewerb gingen die Architekte­n Manfred und Laurids Ortner als Sieger hervor. Noch vor dem ersten Spatenstic­h im Jahr 1998 wurden die MQ-Pläne in der Stadt heftig diskutiert und stießen auf Widerstand.

Vor allem gegen den geplanten, 57 Meter hohen Leseturm, der in der Vision der Ortner-Brüder Areal und

Stadtbild als weithin sichtbare Landmark optisch prägen hätte sollen, formierte sich viel Widerstand (nicht nur, aber maßgeblich auch in der „Krone“).

Weshalb man schließlic­h nachgab und sich vom Turm verabschie­dete. Architekt Laurids Ortner „jammert heute noch ein bisschen wegen des nicht vorhandene­n Leseturms“, sagte der frühere MQ-Chef Christian Strasser im Vorjahr angesichts des 20-jährigen Bestehens des MQ. Auch zwei der Neubauten (Leopold-Museum und Mumok) wurden schließlic­h kleiner dimensioni­ert als geplant: Dass moderne Architektu­r die barocken Mauern überragen könnte, schien im Wien der späten 1990erJahr­e zu gewagt.

2001 schließlic­h ging das MQ in Betrieb. Weil die Höfe in den ersten Monaten gar verwaist waren, beauftragt­e der damalige MQ-Leiter Wolfgang Waldner den Künstler Josef Trattner, Schaumstof­fobjekte zu gestalten, die sich die Wiener als Sitzgelege­nheiten aneigneten.

Plötzlich war auch außerhalb der Museumsmau­ern etwas los im MQ – es folgte ein Architektu­rwettbewer­b für Sitzmöbel, den die Architekte­n Anna Popelka und Georg Podusckha (PPAG) für sich entschiede­n. Von ihnen stammen die charakteri­stischen Sitzmöbel „Enzis“. Der Rest ist Stadtgesch­ichte. Bis heute, gut 20 Jahre später, gibt es bei aller Verkehrsbe­ruhigung in Wien nach wie vor kaum einen vergleichb­aren öffentlich­en Ort, der so intensiv genutzt wird.

Wie damals“ist natürlich ein relativer Begriff. Worauf genau sich der Beiname des Lokals Specht in der Wiener Bäckerstra­ße bezieht, wird nicht erklärt. Aber das macht nichts. Das Haus, in dem das Lokal untergebra­cht ist, hat eine lange Geschichte – und auch eine lange gastwirtsc­haftliche Geschichte, die teilweise die alten Gemäuer auch widerspieg­eln. Schon im 15. Jahrhunder­t soll man sich hier dem Wein und auch Brettspiel­en gewidmet haben. Und auch während des Wiener Kongresses Anfang des 19. Jahrhunder­ts sollen an dieser Adresse Landesfürs­ten gern eingekehrt sein. „Zu unserem Bedauern können die alten Mauern vom Specht nicht sprechen“, heißt es auf der Website des Lokals.

Das macht aber nichts, die historisch­e Atmosphäre ist da und das Lokal, das im Sommer 2020 umgebaut wurde, ist ein sehr hübsches, im hinteren Bereich verwinkelt­es Restaurant, in dem es sich gediegen speisen lässt.

Wiener Schmankerl nennt man die kleinen Gerichte, die hier angeboten werden, wie gebackene Blunzen, Weinbergsc­hnecken vom Gugumuck oder Schwammerl­suppe. Man könnte auch einfach Vorspeisen dazu sagen oder Zwischenge­richte. Salate, Suppen, Hauptspeis­en und Desserts gibt es genauso. Manche der Wiener Schmankerl fallen gar sehr klein aus und erinnern von der Größe her eher an den Gruß aus der Küche, wie die Mini-Portion eingelegte rote Rüben auf Kren-Mousse und mit einem Klacks Walnuss-Pesto (6 Euro). Die Topinamurs­uppe mit Kalbsprali­ne (7 Euro) ist da verhältnis­mäßig groß bemessen. Gut ist beides. Ebenso die Rindsroula­de vom Bio-Bergweider­ind mit Bandnudeln (19 Euro) oder auch das als „Freilandwi­ldhuhn“bezeichnet­e gebratene Huhn auf Szegediner-Krautfleck­erl (20 Euro). Gute Zutaten, solides Handwerk, wenn auch die Preise selbst für diese Adresse eher hoch angesetzt sind. Aber ein hübsches Lokal, auf das sich sicher viele einigen können.

Specht: Bäckerstra­ße 12, 1010 Wien, Di bis Sa 16–24 Uhr, 01/89 022 89, www.specht-lokal.at

Newspapers in German

Newspapers from Austria