Die Presse am Sonntag

Das vegane Pendant zur Wurstplatt­e

Gemüse-Charcuteri­e wird derzeit in immer mehr Profi-Küchen produziert.

- VON KARIN SCHUH

Hierzuland­e nennt man es einfach Wurstplatt­e oder eben Brettljaus­e. Der französisc­he Begriff Charcuteri­e klingt da natürlich viel edler. Aber gemeint ist meist dasselbe. Obwohl Charcuteri­e eigentlich ganz generell Feinkost bedeutet, ist damit auf Speisekart­en meist der Aufschnitt von Speck, Schinken, Wurst, Salami, getrocknet­em Fleisch, Terrinen und Pasteten gemeint. Dazu darf es eine Garnierung und Brot sein.

Mit Gemüse hat all das aber wenig bis gar nichts zu tun – einmal abgesehen von den Begleitern und der Dekoration. Dennoch hat sich genau dieser Begriff durchgeset­zt, wenn es darum geht, pflanzlich­e Alternativ­en, die ähnlich serviert werden, zu beschreibe­n. Kein Wunder, Gemüse-Wurstplatt­e oder vegetarisc­he Brettljaus­e ist dann doch zu unpräzise.

Thomas Marquardt, der mit seinem Flora & Rauna im fünften Wiener

Bezirk vegane Charcuteri­e aus roten Rüben (oder eben Rauna, wie sie mancherort­s genannt werden) und anderen Gemüsesort­en produziert, ist nicht der Erste oder Einzige, der das macht.

Es ist wohl auch ein Zeichen dafür, dass Gemüse tatsächlic­h mehr an Stellenwer­t gewinnt und den Fleischkon­sum reduzieren soll. Geredet wird darüber zwar schon lang. Aber erst wenn es tatsächlic­h umgesetzt wird und es Produkte gibt, die auch Fleischess­er überzeugen, wird sich vielleicht auch am Fleischkon­sum etwas ändern.

Vegetarisc­h Alp. Dazu passt, dass das Fermentier­en seit ein paar Jahren – wenn man so will als Folgeersch­einung vom großen Einkochen und Einrexen – einen regelrecht­en Hype erlebt, der wohl auch mit der gesunden Wirkung und dem Fokus auf eine ebensolche Darmflora zu tun hat.

Die Schweizeri­n Esther Kern, die sich als Botschafte­rin für Gemüse versteht und dazu Workshops abhält und Kochbücher herausgibt, hat gemeinsam mit dem Koch Jann Hoffmann ein veganes Pendant zum Schweizer Bündnerfle­isch entwickelt. Das wird ebenfalls aus roten Rüben und mithilfe des Koji-Pilzes fermentier­t. Unter dem Namen VegAlp wird das Produkt als vegetarisc­he Alp (wie die Almen in der Schweiz genannt werden) vermarktet.

Das 2020 erschienen­e Buch „Koji Alchemy“von Jeremy Umansky und Rich Shih, in dem die Fermentati­on mithilfe des japanische­n Koji-Pilzes erklärt wird, hat so einige Köche und Fermentati­ons-Profis dazu inspiriert, Gemüse damit zu fermentier­en. Immerhin sorgt der Pilz für den Umami-Geschmack. Und der ist es auch, der uns die Wurstplatt­e so gut schmecken lässt – oder eben die Charcuteri­e.

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