Lasst es wachsen
In die Vergangenheit kann man nicht zurück, obwohl man sich das derzeit wünscht, aber man kann auch im Garten das Beste daraus hervorkramen, wie etwa Sorgfalt und Genügsamkeit.
Schon bevor der Irrsinn ausbrach, in den noch friedlichen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr, gab es den Entschluss, dieses Gartenjahr hauptsächlich dem Glashaus und dem Obst- und Gemüsegarten zu widmen und den Speiseplan von April bis in den nächsten Winter hinein hauptsächlich nach dem Grünzeug auszurichten, das vor der Haustüre gerade reif und erntefrisch ist. Ein Luxusjahr also, aber durchaus arbeitsintensiv, und ausgefüllt mit vermeintlich extravagantem Freizeitvertreib, versüßt von der Lust am Tun und vom Geschmack der Zuckererbsen, Mangoldblätter, der Wilden Rauke, der Fisolen und so vielem anderen mehr. Ein Gartenjahr wie damals, als der Küchengarten und der Obstgarten zwei recht gefräßige Familien versorgte. In der Früh schreitet man zu Vogelgesang in den kühlen Tau hinaus, ein Körbchen an der Hand, ein Messer und eine Schere, und dann schaut man, was einem für das Mittagessen entgegenbaumelt.
Wie früher, so der heimliche Gedanke dahinter, den ich keinesfalls auszubreiten gedachte, weil man dann gern für schrullig gehalten, vor allem aber als vergangenheitsverklärend verkannt wird. Ein paar Monate später hat jeder Handgriff da draußen seine Bedeutung gewandelt und den Glanz des Luxuriösen verloren. Und man wünscht sich tatsächlich zurück in der Zeit, bitte wenigstens einen Monat. Man betrachtet den alten Obstbaum, den man umschneiden muss, nicht mehr als Holzquelle für sommerabendliche Lagerfeuer. Man zersägt ihn vielmehr zu Stücken und schlichtet ihn unter den Vorsprung, wo der Holzvorrat für den kommenden Winter liegt.
Man wirft die Komposthaufen sorgfältiger durch als in anderen Jahren, geiziger mit jeder Schaufel, weil man den Humus nicht verschwenden will. Denn er kommt heuer auch rund um die vernachlässigten Johannisbeeren gebreitet, die voriges Jahr so schlecht getragen haben. Die kleine Birne auf dem kargen Standort kriegt auch eine Scheibtruhe voll Kompost spendiert, sie hat letztens viel zu viel getragen und sich verausgabt. Heuer wird sie wieder einmal ordentlich gefüttert.
Zur Zeit ist jedoch alle Fröhlichkeit dahin, und daran ist weniger die Gasrechnung schuld, als ein Zustand, der gewaltiger ist, als man als Floh im Weltenlauf erfassen kann. Aber andererseits macht sich, zumindest in mir, eine weiter gesteigerte Lust nach einer Genügsamkeit breit, die einmal völlig selbstverständlich war, und ich bin damit offenbar keinesfalls allein. Letztens kam, wie zum Glück alle Jahre, der dynamische Meister des Obstbaumschnitts mit seinen Sägen, Zangen und Maschinen angereist und verkündete, er habe ganz bewusst das Tempolimit unterschritten und sei, mit gemütlichen 100 Stundenkilometern unterwegs, auch nicht viel langsamer gewesen, habe aber ordentlich Sprit eingespart.
Ein überraschender Erfolg. Die Idee der Sparsamkeit bei gleichzeitig erhöhtem Ernteertrag war auch schon im Jänner die Basis eines Experiments im Glashaus, das sich nun Wochen später als überraschend erfolgreich herausstellt. Da es energietechnisch ans Geisteskranke grenzt, ein Glashaus in Frostnächten zu heizen, womit auch immer, wurde folgender vergleichender Versuch angestellt: Beide Beete wurden rechtzeitig vorbereitet und zu Beginn auf etwa 40 Zentimeter ausgehoben. Erst kam eine Schicht Häcksel und Laub hinein, um die Regenwürmer anzulocken und für eine kleine Kompostwärme zu sorgen, darüber kamen wieder ein paar Zentimeter Erde. Dann wurde im eigentlich schlechteren, weil weniger besonnten Beet ein 18 Meter langes 90-Watt-Wärmekabel in Schlaufen wie eine Fußbodenheizung verlegt und mit einem Thermostat ausgestattet. Maximal acht Grad Wärme in der Erde der Wurzelzone war das Ziel. Darüber wieder gute zehn Zentimeter Erde breiten, alles gut angießen, setzen lassen und schließlich hinein mit den Salatpflanzen und dem Kohlrabi.
Der Vergleich zeigte sich bereits nach zehn Tagen und hat sich zwischenzeitlich zu einem gewaltigen Unterschied ausgewachsen. Das mit dem Energieverbrauch einer 90-Watt-Glühbirne nächtens temperierte Beet ist dabei der eindeutige Sieger. Die am selben Tag gesetzten Pflanzen sind hier mehr als doppelt so groß wie dort, obwohl sie deutlich weniger Licht bekommen als diejenigen ohne Fußwärme auf der Sonnenseite. Der Energieeinsatz scheint mir gering, denn unter- tags heizt ohnehin die Sonne alles bestens auf, und in kalten Nächten, wenn die Temperatur unter minus drei, vier Grad fällt, kommt zusätzlich schützendes Vlies über die Kleinen. Auch wenn die isolierende Schicht federleicht ist, profitieren die Pflanzen von der ohnehin im Boden gespeicherten Wärme.