Die Presse am Sonntag

»Bei Rapid wird viel geraunzt«

Erstmals treffen Rapid und Austria in der Meisterrun­de aufeinande­r, SCR-Sportchef Zoran Bariˇsi´c spricht über das 335. Wiener Derby, Fans, Kult, lange Durststrec­ken – und Demir.

- VON MARKKU DATLER

Welchen Stellenwer­t hat ein Wiener Derby? Es ist mehr als nur ein Fußballspi­el, oder?

Zoran Bariˇsi´c: Sie sagen es. Es ist Kult, genießt mehr Aufsehen und Bedeutung, das mediale Interesse ist groß. Es ist im Vorfeld nie lesbar, ungeachtet aller Tabellensi­tuationen. Es kann immer alles passieren. Es gibt Favoriten, Floskeln, Sprüche und Emotionen rund um dieses Spiel. Und jetzt wird es erstmals seit langer Zeit auch ein echtes Fußballfes­t sein.

Weil mehr als 23.000 Zuschauer erwartet werden? Es wird die größte Fankulisse in Hütteldorf seit 2019.

Ja. Unglaublic­h, deshalb ist es wichtig. Und hoffentlic­h mit dem richtigen Ausgang für uns. Wir wollen Werbung machen für den österreich­ischen Fußball.

Gibt es eine Derby-Episode, die unvergessl­ich ist für Sie? Viele denken immer etwa an das Bild von Andy Ogris und Didi Kühbauer, die innige Freundlich­keiten austauscht­en.

Ich denke immer gern an zwei Episoden zurück. Einmal gewannen wir 5:2 im Horr-Stadion und in der Garderobe waren meine Spieler enttäuscht. Wirklich. Sie sagten: „Trainer, heute hätten wir die Austria wegschieße­n können. Tut uns leid.“Und das zweite Mal war es im Happel-Stadion, da gewannen wir mit 4:1. Und da sagten sie das Gleiche, die Freude war gering, weil sie mehr Tore hätten schießen können. Das war eine Topeinstel­lung!

Ich will Ihnen ja nicht die Laune verderben, aber wenn Sie so von Siegen schwärmen: Rapid hat im neuen Stadion gegen Austria noch nie gewonnen. Der letzte Derby-Sieg gelang im September 2019, mit dem 3:1. Und: SCR hat keinen Heimsieg gegen Austria mehr geschafft seit April 2016 . . .

. . . ich weiß. Danke, dass Sie mich so daran erinnern (lacht). Es wird irgendwann einmal passieren, vielleicht schon heute im nächsten Spiel.

Es ist das erste Duell beider Klubs in der Meisterrun­de, weil seit drei Jahren immer einer in die Qualifikat­ionsgruppe musste. Aber, die Nummer eins von Wien wird nur die Nummer zwei von Österreich bleiben. Oder?

So wie es jetzt im Moment aussieht, ja. Salzburg ist weit voraus. Ich will nicht mit Floskeln punkten, aber wir konzentrie­ren uns wirklich immer nur auf das nächste Spiel. Wir wollen gewinnen.

Aber es hießt doch immer: Geht es dem Wiener Fußball gut, geht es dem österreich­ischen Fußball gut. Hat diese Floskel noch Daseinsber­echtigung?

Ich glaube nicht, dass sie zutrifft. Nein. Wir spielen erstmals gegeneinan­der im Meister-Play-off und bislang ist der österreich­ische Fußball nicht zugrunde gegangen. Im Gegenteil also: Der österreich­ische Klubfußbal­l hat sich verbessert in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Darauf sollten wir eigentlich stolz sein, aber Österreich­er, speziell Wiener, sind halt gern Raunzer. Da sieht man viel zu oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. (lacht)

Wird in Hütteldorf viel geraunzt?

Ganz sicher, bei uns wird am meisten geraunzt. Denn Rapid hat ja die meisten Fans! Bei uns ist die Erwartungs­haltung immer am höchsten, also wird auch am meisten gemotschge­rt. Und auch am meisten gefeiert.

Moment, aber da haben Rapids-Fans ja auch allen Grund zur Kritik. Der letzte Meistertit­el ist lang her, der gelang 2008. Und an den Cupsieg 1995 erinnern sich auch nur noch die allerwenig­sten.

Damals war der Unterschie­d zwischen dem reichsten und den restlichen Vereinen nicht so groß wie heutzutage. Die mit dem größten Budget stehen auch internatio­nal fast immer vorn. Titel zu verspreche­n, wäre vollkommen vermessen. Dafür ist Salzburg zu gut, zu breit aufgestell­t im Kader. Wir können immer nur versuchen, Salzburg zu besiegen. Nur es verspreche­n, nein, das können wir nicht.

Stichwort Emotionen. Taxi Fountas zog sich Ihren Zorn zu. Er ist bereits in Washington, wird also im Derby eher fehlen. Kehrt der Grieche überhaupt noch einmal zurück?

Schauen wir einmal, was dabei rauskommt in weiterer Folge. Er wird im Derby definitiv nicht spielen, auch nicht im Kader stehen. Wobei, da will ich dem Trainer wirklich nicht vorgreifen (lacht).

Würden Sie beim ÖFB vorgreifen? Warum steht mit Marco Grüll nur ein Rapidler im Aufgebot für das WM-Play-off am 24. März gegen Wales?

Diese Frage muss eigentlich ein anderer beantworte­n (lacht). Aber ich probiere es. Es gab Zeiten, da war gar kein Rapidler im Nationalte­am dabei, und das war schade. Doch sobald sie im Ausland spielten, kamen sie plötzlich sofort ins Team. Egal ob sie Ljubicic oder Kainz heißen. Sehr viele gute Spieler sind in europäisch­en Ligen im Einsatz und die haben damit offenbar einen Vorteil bei der Einberufun­g. Zuletzt hatten wir aber immer ein bis drei Spieler dabei!

In diese Kategorie fallen auch Diskussion­en um Yusuf Demir. Warum hakt man sich derart an einem talentiert­en, offenbar sensiblen Teenager fest, der nach der Enttäuschu­ng in Barcelona noch mehr Zeit brauchen wird, um sein Können zu entfalten?

Gute Frage, aber das weiß ich nicht. Wir nehmen ihn nicht in Schutz, geben ihm aber die Zeit. Egal ob Fans oder Medien, andere machen ihn zum Thema, weil er ein junger, hochveranl­agter, talentiert­er Bursche ist. Von ihm erwartet man sich viel, will viel sehen. Rapid lässt sich da aber nicht aus der Balance bringen. Wir helfen ihm, er kommt wieder in die Spur – und spielt seine Freude aus.

Er wird also heute spielen.

Die Möglichkei­t ist da, ja. Aber der Trainer wird sich eher nicht in die Karten schauen lassen.

Wie groß ist eigentlich ihr Verlangen, noch einmal Trainer zu sein? Eventuell bei Rapid.

Ich will Ferdinand Feldhofer unbedingt loswerden und als Trainer beerben (lacht). Spaß beiseite: Ich bin mit der Situation bei Rapid sehr zufrieden.

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