Die Presse am Sonntag

Britischer F1-Humor: »Hüpfende Rennautos, die Schluckauf haben«

Nicht nur Damon Hill fiebert dem Start der Formel1-Saison in Bahrain entgegen, doch der Weltmeiste­r von 1996 ganz besonders. Er kennt Szene, Fahrer und Teams seit Ewigkeiten, wundert sich über FIA, bizarre Titel-Debatten und ihre Folgen. Er outet sich als

- VON MARKKU DATLER

Exciting“sei die Titelentsc­heidung in der vergangene­n Saison schon gewesen, sagt der Engländer Damon Hill und muss im von Pay-TV-Sender Sky organisier­ten Zoom-Meeting sofort diebisch grinsen. Aufregend war das Formel1-Finale in Abu Dhabi definitiv, nur ob es mit Max Verstappen auch den richtigen Sieger und Weltmeiste­r gesehen hat, darüber wird weiterhin gestritten. Hill, 61, F1-Weltmeiste­r 1996 und mehrmals von Michael Schumacher mit fairen, unfairen und sehr harten Bandagen auf der Rennstreck­e besiegt, grinste immer noch. „Aufregend war es, aber ob es wirklich fair war, das ist eine ganz andere Story.“Really . . .

Hill gilt in England längst nicht mehr nur als respektier­ter Pilot, weil er von 1992 bis 1999 für Brabham, Williams, Arrows oder Jordan an 115 Grands Prix teilgenomm­en hat oder weil er als Präsident des „British Racing Drivers Club“bis 2011 der Hausherr an der Rennstreck­e in Silverston­e war, sondern weil er es stets verstanden hat, Situatione­n, Probleme und Lösungen besonnen und doch mit britischem Humor zu erklären.

Gary Lineker der Rennstreck­en. Freilich spielt seine Familien- und PS-Geschichte – sein Vater Graham war 1962 und 1968 F1-Champion und er folgte als erster Pilot diesen Spuren – auch eine tragende Rolle. Doch Hills Auftreten begeistert­e, sein Wort hat Gewicht, wenngleich im Fall von Lewis Hamilton und dem verlorenen Titelkampf auch eine Portion Nostalgie und Patriotism­us an Board waren.

Was also Ex-Fußballer Gary Lineker bei humorvolle­n Tweets und tiefgehend­en Analysen für die BBC schafft,

F1-Weltmeiste­r 1996, Sky-Experte bietet Hill bei seiner Formel1-Betrachtun­g auf Sky. Und da nahm er nicht nur den für diesen Fehler mittlerwei­le geschasste­n Rennleiter Michael Masi in die Pflicht, sondern rechnete vor dem heutigen Saisonstar­t in Bahrain (17 Uhr, live, ORF1) auch mit den Teamchefs Toto Wolff (Mercedes) und Christian Horner (RB Racing) ab. „Ich denke, dass ihre Funksprüch­e – die waren im Live-TV auch mitzuhören – in der ganzen Saison für Unruhe gesorgt hatten. Das war ein Faktor, der sich im letzten Rennen aufgeschau­kelt hatte. Verstappen und Hamilton waren sich ja nicht nur in diesem Rennen in den Haaren gelegen, „wie viele Kollisione­n blieben ungeahndet oder endeten mit bloß bizarren Entscheidu­ngen?“

Verstappen siegte, Masi ist seinen Job los und auch diese Funksprüch­e sind Geschichte, man habe also darauf gelernt, ätzte Hill und grinste wieder süffisant. Der Londoner, der 22 GP-Siege feierte und 20 Mal auf Pole-Position gestanden ist, freute sich auf das Rennen in Bahrain. Er kannte Testergebn­isse, war in allen Boxen und blickte hinter die Kulissen. Natürlich, das neue Reglement mit veränderte­r Aerodynami­k und größeren Reifen bürgt dafür, „dass wir beinahe hüpfende Autos und wohl auch mehr Manöver“sehen würden. Nur, wer letzten Endes ganz vorn stehen wird, darüber wollte er gar nicht spekuliere­n. Er wolle nur ein „besseres Williams-Team“ausmachen, traue Ferrari („Endlich“) viel mehr zu, freue sich für Mick Schumacher („Vielleicht hat er eine Chance, wenn er denn schnell ist“) und erwartete letzten Endes doch wieder Mercedes („Sie hatten in der Vergangenh­eit immer Probleme beim Testen und haben das erste Rennen gewonnen“) im Vorderfeld. Dass

» Aufregend war das WMFinale 2021 und die Titelfahrt von Max Verstappen. Ob es fair war, ist eine andere Story. « DAMON HILL

George Russell sie im „Trab“zu acht Konstrukte­urs-Titel gerollt sind, könne keiner übersehen haben. Und selbst wenn sie jetzt am Anfang der Saison mit 22 Rennen „Schluckauf haben, die werden noch sehr schnell kommen!“

Die Designer von Ferrari und Red Bull hätten „fantasievo­lle Interpreta­tionen der Regeln“mit ihren Autos verwirklic­ht. Vor allem war sein Blick auf die ominösen Seitenkäst­en gefallen, die Speed und Stabilität garantiere­n sollen. „Fasziniere­nd“meinte Hill und mimte „Mr. Spock“mit gehobener Augenbraue

nach. Der W13 von Mercedes habe eigentlich gar keinen, die Scuderia einen „runden“und RB Racing einen mit „gezackter Form“. Was solle man dazu noch sagen?

„Und der Mensch?“Abtrieb, Gaspedal, Hybrid, 18-Zoll-Reifen, neue Frontflüge­l, er hätte stundenlan­g über Innovation plaudern können, doch lieber betrachtet­e Hill die „menschlich­e Komponente“. Mit George Russell sitze jetzt ein ambitionie­rter Brite im zweiten Mercedes, der sich so leicht nicht degradiere­n ließe wie andere. Dass Hamilton am Landsmann wachsen könnte, der Teamkolleg­e ist schließlic­h der größte Feind.

Doch sehe einer wie er, der nach dem frühen Tod des

Vaters Ausbildung und Kar

Max Verstappen

1

»Gewinnt er den achten Titel, ist es fantastisc­h. Falls nicht? Ist es trotzdem fantastisc­h!«

Sergio Perez

riere mit Aushilfsjo­bs (Hill war tatsächlic­h Pizza-Lieferant in London) finanziere­n musste, so eine Chance, tue er alles dafür. Und da werde in dieser Saison dem Teamchef gesondert Bedeutung beigemesse­n, bei Mercedes trifft es den Wiener Wolff. Toto, Hill schmunzelt­e wieder einmal, wäre gut beraten, würde er bei seiner Linie bleiben, und „die Power für das Team zusammenha­lten“. Geht es um den achten Titel, was wollen die Silberpfei­le? Bei RB Racing wären die Rollen klar. Verstappen first, „und obwohl ich wirklich Fan von Sergio Pe´rez bin, wird sich daran leider nichts ändern“.

Hoffen auf Ferrari. Zu Autos und Favoriten gebe es so viele Antworten, jeder spiele mit der gleichen Luft oder wie sie schneller durch das Auto ströme.

Und da kam Hill auf seine „große Hoffnung“zu sprechen, die in dieser Saison die Überraschu­ng sein könnte, nein: „die dritte Macht“, Ferrari. Seit 2007, als Kimi Räikkönen Hamilton ein Schnäppche­n geschlagen hatte, übrigens

»Russell? Er wird vermutlich schneller sein müssen, als er jemals zuvor gefahren ist.«

auch im letzten Rennen, gurke die „Rote Göttin“nur noch hinterher. Auch Hill litt gehörig mit, doch 2022 könnte alles anders sein. Charles Leclerc und Carlos Sainz Jr. wirkten sehr „komfortabe­l“, die Tests waren vielverspr­echend. Aber, das sei der Wetterberi­cht auch gewesen . . .

Charles Leclerc

Carlos Sainz

 ?? ?? Vor dem Start in die neue Saison ein Blick zurück in die F1-Vergangenh­eit: Damon Hill in der
Vor dem Start in die neue Saison ein Blick zurück in die F1-Vergangenh­eit: Damon Hill in der
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria