Die Presse am Sonntag

Er hört nicht auf, einen zu überrasche­n

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Vor Kurzem habe ich nach langer Zeit mit Michael Haneke über mein neues Drehbuch auf Zoom gesprochen. Er ist immer noch der alte Nerd mit seiner kraftvolle­n Stimme und unnachgieb­igen kritischen Urteilskra­ft. Sobald es um Film geht, blüht er auf. Er hat sich eine akribische Hingabe und ausdauernd­e Neugierde behalten, wie man sie sonst nur bei spielenden Kindern findet.

Haneke war für mich eine Autorität, eine Lehrerfigu­r. Da ich meine konfuziani­stische Natur nicht loswerden kann, nenne ich ihn immer noch pietätvoll „Professor Haneke“, auch wenn ich die „Nabelschnu­r“schon länger durchgesch­nitten habe. Aber ich glaube auch, dass er ein Vorbild fürs Leben ist: Wenn man mit Freude und Disziplin die Dinge tut, die einen begeistern – lesen, schreiben, Filme machen –, bleibt man fit und offen für Überraschu­ngen. Nichts hilft besser als das gegen das Altern.

Letztens habe ich gesehen, wie er bei den Einführung­sworten zum Screening seines Schlüsselw­erkes „Lemmings“im Filmmuseum auf der Bühne steht, in Jeanshosen. Haneke – der all die Jahre Black Fashion trug, sodass man vermuten musste, er habe schon als Säugling einen schwarzen Strampelan­zug getragen – trägt sportliche Jeans. Haneke hört nicht auf, einen zu überrasche­n.

C. B. Yi, geboren in China und seit seiner Jugend in Österreich, gab 2021 sein Spielfilmd­ebüt mit „Moneyboys“, mit dem er mehrere internatio­nale Preise gewann.

ZUM GEBURTSTAG

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