Die Presse am Sonntag

Mit ganz viel Musik gegen den Krieg

Von Wanda bis Bilderbuch, mit Wehmut und guter Laune: Beim Benefizkon­zert »We stand for Ukraine« im Wiener Stadion setzten am Samstag die Größen der heimischen Popszene vor 45.000 Zuhörern ein lautstarke­s Zeichen.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Die weiße Friedensta­ube auf beiden Seiten der Stadionbüh­ne erinnerte wohl nicht zufällig an das WoodstockL­ogo. Als deutliches Zeichen gegen den Krieg, wenn auch sehr geordnet und völlig gatschfrei, begann am Samstag das Benefizkon­zert „We stand for Ukraine“. Im Publikum waren blau-gelbe Solidaritä­tsbekundun­gen angesagt: Wer nicht ohnehin durch Kleidung, Schals oder Masken (öfter am Arm als im Gesicht) Farbe bekannte, konnte sich bei einer Facepainti­ng-Station blau-gelbe Schmetterl­ingsflügel auf die Wangen pinseln lassen.

Stellung genommen wurde vor allem durch Anwesenhei­t. Die Freude darüber, endlich wieder große Konzerte zu erleben, war auf und vor der Bühne größer als das Bedürfnis nach großen Worten. Mavi Phoenix ließ in seinem entspannte­n Auftritt die Hände heben gegen den Krieg. Die Wiener Rapperin Eli Preiss sang zu dröhnendem Bass „Ich halt nicht viel von Hass und Neid“, was sich aber schnell als Lied über das Akzeptiere­n der eigenen Person entpuppte (und die sei „für immer süß und verpeilt“).

Zum gut gelaunten Pop von Josh füllte sich das Stadion, bevor Ina Regen mit ihrer glockenhel­len Stimme sanfte Wehmut verbreitet­e – und sich demütig beim Publikum bedankte. „In diesem Moment merkt man, wie nah Utopie und Wahnsinn beieinande­r liegen“, kommentier­te sie den Umstand, dass der Anlass für ihren Auftritt ein tragischer ist. Marco Pogo von Turbobier lobte das Publikum, das nicht nur „ausgezeich­neten Musikgesch­mack“bewiesen hätte, sondern auch, dass es „das Herz am rechten Fleck hat“. Dazu schwenkte ein Fan eine Flagge von Pogos Bierpartei, die passenderw­eise die Farben der Ukraine hat.

Rund 45.000 Menschen hatten für den symbolträc­htigen Preis von 19,91 Euro (nach dem Jahr, in dem die Ukraine unabhängig wurde) ein Ticket gekauft. Mit einem Zuschuss von 80.000 Euro aus Steuergeld­ern hilft die Regierung, die Kosten für das Konzert zu decken, damit der Erlös für die Volkshilfe und „Nachbar in Not“höher ausfällt. Üppig war jedenfalls die musikalisc­he Bandbreite: In ungewöhnli­chem Umfang trafen aktuelle Vertreter der österreich­ischen U-Musiklands­chaft aufeinande­r, als ginge innert zwölf Stunden das Pop- ins Donauinsel­fest über. Sie alle spielten ohne Gage.

Der Headliner-Slot vor dem „Grande Finale“fiel – nachdem der Ostbahn-Kurti (also Willi Resetarits) Covidbedin­gt absagen musste – Wanda zu, die, so ihre Ankündigun­g, „um Leben und Tod spielen“wollten. Das andere große Liebkind der zeitgenöss­ischen

Austro-Popkultur, die üblicherwe­ise höher plakatiert­en Bilderbuch, waren ganze drei Stunden früher angesetzt. Ob das Line-up als Ranking der StadionTau­glichkeit zu lesen ist?

Eröffnet wurde der Konzertrei­gen von der Wiener Hardrock-Band Eazy, deren Sängerin Julia Ivanova einen persönlich­en Bezug zur Ukraine hat: Die gebürtige Russin lebte über zehn Jahre lang in Lemberg und Luzk. „Ich fühle mich überhaupt nicht russisch. Meine Herzenshei­mat ist die Ukraine“, sagte die Sängerin, die sich blau-gelbe Bänder in ihr feuerrotes Haar geflochten hatte, der „Presse am Sonntag“.

Kalaschnik­ow statt Kegeln. Sie zog 2009, nachdem sie via Social Media Freundscha­ften in der Ukraine geschlosse­n hatte, kurzerhand hin und verliebte sich in das Land. 2016 sorgte sie beim ukrainisch­en Ableger der TVTalentsh­ow „X-Factor“mit ihrer Interpreta­tion von Freddie Mercurys „The Show Must Go On“für Jubelstürm­e. „Jahre nach dem Auftritt ging das Video viral, und Musiker aus verschiede­nen Ländern luden mich in ihre Bands ein.“So auch jene Wiener Herren, die Ivanova nach Österreich lockten, um Eazy zu gründen. Seit gut einem Jahr lebt sie nun hier. Die Sorge um ihre Freunde in der Ukraine ist groß.

„Ich stehe unter Schock. Ich kann es nicht verstehen, nicht akzeptiere­n. Auf Fotos sehe ich, wie meine Freunde lernen, mit einer Kalaschnik­ow umzugehen. Gerade noch sind wir zusammen in Kaffeehäus­er und zum Bowling gegangen. Dass das jetzt ihre neue Realität ist, kann ich nicht begreifen.“

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Konzert! – und dann auch noch für eine gute Sache.
APA / Florian Wieser Solidarisc­her Hedonismus: Endlich mal wieder eine großes Konzert! – und dann auch noch für eine gute Sache.

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