Mit ganz viel Musik gegen den Krieg
Von Wanda bis Bilderbuch, mit Wehmut und guter Laune: Beim Benefizkonzert »We stand for Ukraine« im Wiener Stadion setzten am Samstag die Größen der heimischen Popszene vor 45.000 Zuhörern ein lautstarkes Zeichen.
Die weiße Friedenstaube auf beiden Seiten der Stadionbühne erinnerte wohl nicht zufällig an das WoodstockLogo. Als deutliches Zeichen gegen den Krieg, wenn auch sehr geordnet und völlig gatschfrei, begann am Samstag das Benefizkonzert „We stand for Ukraine“. Im Publikum waren blau-gelbe Solidaritätsbekundungen angesagt: Wer nicht ohnehin durch Kleidung, Schals oder Masken (öfter am Arm als im Gesicht) Farbe bekannte, konnte sich bei einer Facepainting-Station blau-gelbe Schmetterlingsflügel auf die Wangen pinseln lassen.
Stellung genommen wurde vor allem durch Anwesenheit. Die Freude darüber, endlich wieder große Konzerte zu erleben, war auf und vor der Bühne größer als das Bedürfnis nach großen Worten. Mavi Phoenix ließ in seinem entspannten Auftritt die Hände heben gegen den Krieg. Die Wiener Rapperin Eli Preiss sang zu dröhnendem Bass „Ich halt nicht viel von Hass und Neid“, was sich aber schnell als Lied über das Akzeptieren der eigenen Person entpuppte (und die sei „für immer süß und verpeilt“).
Zum gut gelaunten Pop von Josh füllte sich das Stadion, bevor Ina Regen mit ihrer glockenhellen Stimme sanfte Wehmut verbreitete – und sich demütig beim Publikum bedankte. „In diesem Moment merkt man, wie nah Utopie und Wahnsinn beieinander liegen“, kommentierte sie den Umstand, dass der Anlass für ihren Auftritt ein tragischer ist. Marco Pogo von Turbobier lobte das Publikum, das nicht nur „ausgezeichneten Musikgeschmack“bewiesen hätte, sondern auch, dass es „das Herz am rechten Fleck hat“. Dazu schwenkte ein Fan eine Flagge von Pogos Bierpartei, die passenderweise die Farben der Ukraine hat.
Rund 45.000 Menschen hatten für den symbolträchtigen Preis von 19,91 Euro (nach dem Jahr, in dem die Ukraine unabhängig wurde) ein Ticket gekauft. Mit einem Zuschuss von 80.000 Euro aus Steuergeldern hilft die Regierung, die Kosten für das Konzert zu decken, damit der Erlös für die Volkshilfe und „Nachbar in Not“höher ausfällt. Üppig war jedenfalls die musikalische Bandbreite: In ungewöhnlichem Umfang trafen aktuelle Vertreter der österreichischen U-Musiklandschaft aufeinander, als ginge innert zwölf Stunden das Pop- ins Donauinselfest über. Sie alle spielten ohne Gage.
Der Headliner-Slot vor dem „Grande Finale“fiel – nachdem der Ostbahn-Kurti (also Willi Resetarits) Covidbedingt absagen musste – Wanda zu, die, so ihre Ankündigung, „um Leben und Tod spielen“wollten. Das andere große Liebkind der zeitgenössischen
Austro-Popkultur, die üblicherweise höher plakatierten Bilderbuch, waren ganze drei Stunden früher angesetzt. Ob das Line-up als Ranking der StadionTauglichkeit zu lesen ist?
Eröffnet wurde der Konzertreigen von der Wiener Hardrock-Band Eazy, deren Sängerin Julia Ivanova einen persönlichen Bezug zur Ukraine hat: Die gebürtige Russin lebte über zehn Jahre lang in Lemberg und Luzk. „Ich fühle mich überhaupt nicht russisch. Meine Herzensheimat ist die Ukraine“, sagte die Sängerin, die sich blau-gelbe Bänder in ihr feuerrotes Haar geflochten hatte, der „Presse am Sonntag“.
Kalaschnikow statt Kegeln. Sie zog 2009, nachdem sie via Social Media Freundschaften in der Ukraine geschlossen hatte, kurzerhand hin und verliebte sich in das Land. 2016 sorgte sie beim ukrainischen Ableger der TVTalentshow „X-Factor“mit ihrer Interpretation von Freddie Mercurys „The Show Must Go On“für Jubelstürme. „Jahre nach dem Auftritt ging das Video viral, und Musiker aus verschiedenen Ländern luden mich in ihre Bands ein.“So auch jene Wiener Herren, die Ivanova nach Österreich lockten, um Eazy zu gründen. Seit gut einem Jahr lebt sie nun hier. Die Sorge um ihre Freunde in der Ukraine ist groß.
„Ich stehe unter Schock. Ich kann es nicht verstehen, nicht akzeptieren. Auf Fotos sehe ich, wie meine Freunde lernen, mit einer Kalaschnikow umzugehen. Gerade noch sind wir zusammen in Kaffeehäuser und zum Bowling gegangen. Dass das jetzt ihre neue Realität ist, kann ich nicht begreifen.“