»Schattenfamilien« gehören ins Licht
Die Verordnung, die die Zahl der Tests limitiert, unterscheidet zwischen Risikopersonen, die professionell betreut werden, und jenen, die in der Familie leben und gepflegt werden. Fair ist das nicht.
Gesundheitsminister und Länder verstehen sich also wieder. Nach dem Treffen mit den Gesundheitsreferenten wurde mit viel Lächeln ein „Neustart“verkündet. Der ist auch nötig. Denn so wie bei der Covid-Screening-Verordnung darf es nicht mehr laufen: Länder, die Testsysteme im Blindflug umstellen müssen. Eine Regel, die gilt, bevor ein Teil der Tests erhältlich ist. Bürger, die nicht wissen, wie sie an Tests kommen oder ob es solche nächste Woche im Büro gibt oder nicht: Das ist ärgerlich, unprofessionell. Unklar sind aber nicht nur Details, sondern auch das große Ganze. Etwa das konkrete Ziel des Testlimits. Ein häufiges Argument lautet: Tests sind teuer. Jedoch kann keiner offiziell beantworten, wie viel und ob man etwas einspart. Ein anderer Grund ist überholt: Dass man mit dem Aus für Gratistests zum Impfen motiviert, ist seit dem weitgehenden Wegfall der 3-G-Schranke passe´. Übrig bleibt die Erklärung des Ministers: Manche Länder wollten keine Gratistests mehr, andere schon – und voila`. Nun stimmt es zwar, dass Fachleute ungezielte
Screening-Tests für epidemiologisch nicht rasend effektiv halten. Und ja, als tägliches Service für chronisch Besorgte sind die Mittel nicht richtig eingesetzt. Aber ein Rasenmäherschnitt ist noch keine Strategie. Wer die Testzahl reduziert, braucht neben dem Ausbau der Überwachung des Infektionsgeschehens (z. B. durch repräsentative Stichproben) einen klaren Fokus. Anbieten würden sich: Risikogruppen.
Das betrifft zum einen das diagnostische Testen. Das ist zwar weiter gratis, aber man muss besser vermitteln, dass sich Betroffene schon bei ersten Anzeichen testen lassen sollen. Im Unterschied zu früher gibt es eben nun spezielle Medikamente, die den Verlauf beeinflussen, wenn sie früh gegeben werden. Von Kampagnen, die darüber informieren, hört man bis jetzt aber wenig. Der zweite Bereich betrifft die Prävention: Hier unterscheidet die Verordnung zwei Arten von Risikopersonen: jene, die in einer Institution sind (Spital etc.) oder professionell betreut werden. Und jene, die bei der Familie leben oder privat gepflegt werden. Für den Kontakt zu Ersteren sieht man zusätzliche Gratistests vor. Für Zweitere nicht. Das heißt für diese „Schattenfamilien“, dass es für Angehörige, die versuchen, durch engmaschiges Testen das Risiko zu minimieren, teuer wird, sobald das Testkontingent verbraucht ist. Man könne diese Gruppe halt schwer eingrenzen, argumentiert der Bund sein Nein. Doch das ist nur scheinbar logisch. Denn erstens hat man das auch beim Impfstart, als Risikopersonen plus Familie priorisiert wurden, geschafft. Zweitens sind ja viele der Ausnahmegründe kaum überprüfbar: Wer zusätzlich einen Test will, wird einfach sagen, dass der Hals kratzt oder dass er die Oma im Altenheim besuchen will. Und aus. Jetzt kann man meinen: Sollen Vulnerable plus Familie halt schwindeln. Oder daheim Maske tragen (wie die Gecko-Chefin vorschlägt). Viele werden das eine oder andere auch tun. Aber das Signal ist weder schön noch klug: Denn je mehr das Leben mit dem Virus für viele Alltag wird, desto genauer muss man auf jene schauen, für die das nicht geht –desto mehr müssen die Schattenfamilien ins Licht.
» Ein Schnitt mit dem Rasenmäher ist noch keine Strategie. «