Die Presse am Sonntag

»Schattenfa­milien« gehören ins Licht

Die Verordnung, die die Zahl der Tests limitiert, unterschei­det zwischen Risikopers­onen, die profession­ell betreut werden, und jenen, die in der Familie leben und gepflegt werden. Fair ist das nicht.

- LEITARTIKE­L VON ULRIKE WEISER

Gesundheit­sminister und Länder verstehen sich also wieder. Nach dem Treffen mit den Gesundheit­sreferente­n wurde mit viel Lächeln ein „Neustart“verkündet. Der ist auch nötig. Denn so wie bei der Covid-Screening-Verordnung darf es nicht mehr laufen: Länder, die Testsystem­e im Blindflug umstellen müssen. Eine Regel, die gilt, bevor ein Teil der Tests erhältlich ist. Bürger, die nicht wissen, wie sie an Tests kommen oder ob es solche nächste Woche im Büro gibt oder nicht: Das ist ärgerlich, unprofessi­onell. Unklar sind aber nicht nur Details, sondern auch das große Ganze. Etwa das konkrete Ziel des Testlimits. Ein häufiges Argument lautet: Tests sind teuer. Jedoch kann keiner offiziell beantworte­n, wie viel und ob man etwas einspart. Ein anderer Grund ist überholt: Dass man mit dem Aus für Gratistest­s zum Impfen motiviert, ist seit dem weitgehend­en Wegfall der 3-G-Schranke passe´. Übrig bleibt die Erklärung des Ministers: Manche Länder wollten keine Gratistest­s mehr, andere schon – und voila`. Nun stimmt es zwar, dass Fachleute ungezielte

Screening-Tests für epidemiolo­gisch nicht rasend effektiv halten. Und ja, als tägliches Service für chronisch Besorgte sind die Mittel nicht richtig eingesetzt. Aber ein Rasenmäher­schnitt ist noch keine Strategie. Wer die Testzahl reduziert, braucht neben dem Ausbau der Überwachun­g des Infektions­geschehens (z. B. durch repräsenta­tive Stichprobe­n) einen klaren Fokus. Anbieten würden sich: Risikogrup­pen.

Das betrifft zum einen das diagnostis­che Testen. Das ist zwar weiter gratis, aber man muss besser vermitteln, dass sich Betroffene schon bei ersten Anzeichen testen lassen sollen. Im Unterschie­d zu früher gibt es eben nun spezielle Medikament­e, die den Verlauf beeinfluss­en, wenn sie früh gegeben werden. Von Kampagnen, die darüber informiere­n, hört man bis jetzt aber wenig. Der zweite Bereich betrifft die Prävention: Hier unterschei­det die Verordnung zwei Arten von Risikopers­onen: jene, die in einer Institutio­n sind (Spital etc.) oder profession­ell betreut werden. Und jene, die bei der Familie leben oder privat gepflegt werden. Für den Kontakt zu Ersteren sieht man zusätzlich­e Gratistest­s vor. Für Zweitere nicht. Das heißt für diese „Schattenfa­milien“, dass es für Angehörige, die versuchen, durch engmaschig­es Testen das Risiko zu minimieren, teuer wird, sobald das Testkontin­gent verbraucht ist. Man könne diese Gruppe halt schwer eingrenzen, argumentie­rt der Bund sein Nein. Doch das ist nur scheinbar logisch. Denn erstens hat man das auch beim Impfstart, als Risikopers­onen plus Familie priorisier­t wurden, geschafft. Zweitens sind ja viele der Ausnahmegr­ünde kaum überprüfba­r: Wer zusätzlich einen Test will, wird einfach sagen, dass der Hals kratzt oder dass er die Oma im Altenheim besuchen will. Und aus. Jetzt kann man meinen: Sollen Vulnerable plus Familie halt schwindeln. Oder daheim Maske tragen (wie die Gecko-Chefin vorschlägt). Viele werden das eine oder andere auch tun. Aber das Signal ist weder schön noch klug: Denn je mehr das Leben mit dem Virus für viele Alltag wird, desto genauer muss man auf jene schauen, für die das nicht geht –desto mehr müssen die Schattenfa­milien ins Licht.

» Ein Schnitt mit dem Rasenmäher ist noch keine Strategie. «

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