Was gibt’s denn da noch zu lachen?
Lachen macht nicht nur froh. Es schafft Nähe zu anderen und Distanz zu Sorgen. Es trainiert die Muskeln und baut Stress ab. Und, so sagt zumindest der Volksmund, es macht gesund. Warum wir gerade in schweren Zeiten mehr lachen sollten.
Ohne das Komische in der Welt wäre unser Leben wohl ziemlich trostlos. Auch eine Apotheke kann ganz schön beklemmend sein, wird sie doch meist mit Krankheit und Leid assoziiert oder wegen ernster Fragen aufgesucht, dachte sich Pharmazeutin Nina Fuchs. So verwandelte sie ihre Apotheke im 18. Wiener Gemeindebezirk kurzerhand in einen Ort des Lachens: Beim Betreten ertönt Gelächter, Smileys zieren Medikamentenpackungen, auf die Rechnung wird ein lachendes Herz gedruckt. Und auch die Mitarbeiter sind betont fröhlich, Kunden bekommen „ein Lächeln für zu Hause“mit, „damit das Schmerzmittel besser wirkt.“Einen Stock höher befindet sich das von Nina Fuchs gegründete Lachzentrum. Leute treffen sich dabei, um zu lachen. Ganz ohne Grund.
Denn einen solchen sehen derzeit viele Menschen nicht. Tatsächlich sei es schwierig, in Zeiten wie diesen zu lachen, räumt Fuchs ein. Ein Krieg in Europa, Coronakrise, Fastenzeit. „Aber wir sollten jetzt fasten zu jammern, nicht zu lachen.“In schweren Zeiten würde uns das Lachen die Schwere nehmen: „Es gibt uns Kraft. Damit wir diese Krisen stemmen können. Die Situation ändert sich dadurch nicht, aber unser Blickwinkel darauf und wie wir mit ihr umgehen.“Wie genau wirkt Lachen auf uns? Was hat es mit der heilsamen Wirkung auf sich, die ihm zugeschrieben wird? Und kann man Lachen trainieren?
Einen richtigen Lachkrampf kennen wir hoffentlich alle. Gefühlt der ganze Körper ist dabei im Einsatz, es „schüttelt uns vor Lachen“. Das Atmen wird beschleunigt, die Luft schießt mit bis zu 100km/h durch die Lungen. Das Herz-Kreislauf-System arbeitet schneller, pumpt das sauerstoffreiche Blut durch den Körper und versorgt damit Organe und Gehirn. Das Zwerchfell wird in Bewegung versetzt. Der Organismus ist während dieser Zeit sehr aktiv, der Stoffwechsel wird angeregt. Danach entspannen sich die Muskeln wieder. Die Arterien weiten sich, der Herzschlag verlangsamt sich, der Blutdruck sinkt, das Zwerchfell kommt zur Ruhe. Wir fühlen uns erschöpft, aber glücklich.
Aber Lachen tut nicht nur gut. Das Sprichwort „Lachen ist die beste Medizin“kommt nicht von ungefähr. Welche Wirkung das Lachen auf die körperliche und psychische Gesundheit des Menschen hat, untersucht die Gelotologie, die Wissenschaft des Lachens. Sie spricht von rund 300 Muskeln, die bei herzhaftem Lachen von Kopf bis Bauch im Einsatz sind, 18 davon in der Gesichtsregion. Fahren die nach ihrem Einsatz wieder hinunter, ist man klarerweise auch entspannt. Laut der klinischen Psychologin und Psychotherapeutin Doris Bach, die zum Thema Lachen und Humor und deren Wirkung auf Menschen forscht und an der Universität Wien lehrt, gibt es eine Vielzahl von körperlichen Phänomenen, die durch das Lachen angeregt werden. Zum Beispiel wird dadurch die Konzentration der Stresshormone Adrenalin und Cortisol gesenkt. Gleichzeitig werden Endorphine, die sogenannten Glückshormone, freigesetzt. Durch
Klinische Psychologin und Psychotherapeutin, forscht zum Thema Lachen und Humor die Ausschüttung der körpereigenen Opioide kann Lachen schmerzlindernd wirken. Und weil es die Durchblutung verbessert, kann es Herz-KreislaufKrankheiten vorbeugen.
Allesamt Ansatzpunkte, die die Medizin zunehmend aufgreift. Man denke an die Rote Nasen Clowndoctors. Auch in verschiedenen Therapieformen wird es angewandt. Nicht nur bei der Betreuung schwerkranker Kinder, auch in der Geriatrie, Onkologie oder bei der Behandlung psychischer Leiden wie Depressionen, Angsterkrankungen oder Stress wird mittlerweile unter ärztlicher Betreuung gelacht. „Lachen ist kein exklusives Recht der Gesunden“, so Bach, die auch den Forschungsverein CliniClowns leitet. „Ich lache auch gern mit Kranken und Sterbenden. Weil sie leben. Solang ich lebe, kann ich auch lachen.“Denn: „Auch wenn ich in einer furchtbaren Krise bin und mir das Lachen vergangen ist, so ist ein kurzes Schmunzeln doch ein Augenblick, der den Schmerz nimmt; eine Erleichterung einer furchtbaren Phase.“
Wer viel lacht, führt nicht automatisch ein gesundes und glückliches Leben. Es kann auch nicht jede Krankheit heilen, betont Bach. „Zusätzlich zur Behandlung kann es aber ganz sicher positiv auf Körper und Seele wirken.“
Lachen ist eine universelle Sprache, die jeder spricht und versteht. Auch evolutionär betrachtet: Schon unsere Vorfahren haben damit ihrem Gegenüber zu verstehen gegeben, ihm wohlgesonnen zu sein und nichts Böses zu wollen. Aber die Gründe, aus denen wir lachen, sind individuell verschieden. Sie sind kulturell und sozial bedingt, von den persönlichen Vorlieben, der eigenen Biografie und vom Lebensumfeld geprägt. Die einen lachen über Memes und Katzenvideos, mit denen andere nichts anfangen können, amüsieren sich dafür über Witze oder Sitcoms, die wieder anderen nicht einmal ein Schmunzeln abgewinnen können. Die einen schauen sich gern Komödien an, andere gehen ins Kabarett, einige sitzen schallend lachend über Büchern. Und nicht wenige lachen über Missgeschicke ihrer Mitmenschen.
So gibt es unter den verschiedenen Stilen von Humor auch den negativen, abwertenden. „Da gibt es unterschiedliche Definitionen und Kategorien“, weiß Psychotherapeutin Bach. „Was man sagen kann, ist, dass die Humorqualität schwärzer wird, je belastender das Umfeld ist.“Durch den Humor ließe sich Distanz zu einer Situation gewinnen. „Die höchste Form dieser Distanz ist, wenn man über sich selbst lachen kann. Wenn man patschert war und man dann darüber lacht, wird man merken, wie die Spannung abgebaut wird, die Scham zurückgeht.“
Lachen und Humor sind freilich zwei unterschiedliche Dinge. Lachen muss nicht über die kognitive Ebene laufen, sondern kann auch ohne Grund geschehen. Ein anderer Mensch kann uns zum Lachen bringen, ohne dass er sich groß dafür anstrengt. Beim „Bockschauen“oder „Blickduell“bringen wir einander nur über Blickkontakt zum Lachen. Wir lachen oft über Tabus, etwa, wenn über Sexualität gesprochen wird. Wir lachen aus Verlegenheit in Situationen,
die uns unangenehm sind. Oder wenn etwas Unerwartetes eintritt. „Humor ist ein Abfallprodukt der Intelligenz“, sagt einer, der sich mit lachenden Menschen auskennen muss: Erwin Steinhauer, eine Legende der österreichischen Kabarettszene, der seit Jahren andere zum Lachen bringt. Wobei das nicht immer so einfach ist. „Die Komik läuft halt eben über den Verstand und nicht über das Gemüt.“Es gibt, erzählt er, bei jeder Vorstellung diesen einen Testlacher. „Da reiße ich Witze, die vom Niveau her eher im einfacheren Bereich angesiedelt sind. Und wenn da nix kommt, dann denk ich mir: ,Hui, das wird a schnelle Vorstellung werden.‘ Da brauch ich bei den anderen Sachen nicht auf Reaktionen warten, da muss ich einfach Gas geben und schauen, dass ich das Publikum durch mein wahnsinniges Tempo überwältige, nicht durch meine Witze.“
Wobei es auch immer davon abhänge, wo er auftrete. „In der Schweiz, da spiele ich und hab in der Pause das Gefühl, ich hör auf, ich brech ab, das hat keinen Zweck.“Aber dann komme der Veranstalter, überglücklich, die Leute seien begeistert. „Menschen sind verschieden, man darf sich nicht davon beeindrucken lassen, wie sie reagieren.“Denn nicht nur was wir lustig finden und worüber wir lachen variiert. Auch wie wir lachen, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Viele lachen haltlos drauflos. Andere kichern in sich hinein. Es gibt den kontrollierten Typ, ihm kommt kein Lächeln über die Lippen. Und da gibt es diesen ganz markanten Typ Lacher, unverkennbar, der alle anderen übertönt. Tatsächlich gelingt Lachen am besten in Gesellschaft. Der Großteil der Lacher basiert nicht auf der Pointe eines Witzes, sondern auf der Konstellation der Personen innerhalb einer Gruppe. Es geht um das gemeinsame Lachen.
Gemeinsam lachen ist auch der Gedanke des „Lachyoga“. Aber auch: Lachen, auch wenn es keinen Anlass dafür gibt. Dabei trifft man sich in der Gruppe und führt unter Anleitung Übungen durch. Begründet wurde es vom indischen Kardiologen Madan Kataria, der in Seminaren auf der ganzen Welt sein Wissen um die heilsame Wirkung des Lachens weitergeben möchte. Ein solches hat Ellen Müller besucht – und das Lachyoga alsbald nach Österreich geholt. Sie habe damals eine alternative Methode gesucht, um mit ihren chronischen Gelenksschmerzen umzugehen, erzählt sie. „Zuerst hab ich mich gewundert. Was ist denn hier los? Das kam mir schon sehr skurril vor. Der Arzt in der Mitte, um ihn herum haben alle in die Hände geklatscht, ,Hoho‘ und ,Haha‘ gemacht. Ich kam mir ein bisschen wie in einer Sekte vor.“Aber was ist dann passiert? „Durch diese spielerischen Übungen, durch das So-tunals-ob, ist man irgendwie wirklich in ein Lachen reingekommen. So sehr, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte.“Nach diesem „Lachkoller“habe Müller gemerkt, „irgendwie fühlt sich mein ganzer Körper so leicht, so locker an. Ich bin so gut drauf. Ich hab in dem Moment keine Schmerzen.“So habe sie es weiterverfolgt und angefangen, es in Österreich anzubieten. „Meine Grundstimmung hat sich verändert, die körperlichen Beschwerden waren weg. Nicht, weil ich ständig
Lachyoga ausgeübt habe.
» Lachen sichert unser Überleben. Warum vergeht uns im Alter das Lachen? Da es doch so wichtig für uns ist? « DORIS BACH
LACHTRAINERIN FUCHS
überzeugt. Es muss ja nicht gleich Lachyoga sein. „Auch wenn ich am Anfang das Gefühl hab, es gibt nichts zu lachen. Ich kann es mir dennoch wieder in meinen Alltag holen.“(Für Tipps siehe Infobox.)
Muss man also immerzu fröhlich sein? Nein. Gerade bei Verlusten ist es ganz wichtig, Trauerarbeit zu leisten. „Man kann Trauer nicht weglachen“, so Ellen Müller. „Da steht ganz klar das Weinen im Vordergrund.“Aber trotz alledem sei es erlaubt, wieder zu lachen. „Es wird vielleicht eine Zeit dauern. Aber es ist wichtig, es wieder zuzulassen.“Denn es könne viel bewirken: „Das Lachen und das Weinen, es ist beides Katharsis, hat einen reinigenden Effekt.“
Lachen kann aber auch ausgrenzen. „Sosehr es die Leute zusammenbringen kann und so wichtig seine Funktion ist, kann Lachen auch trennen“, erklärt Lachforscherin Doris Bach die Kehrseite. Böse Witze über andere, Satire auf Kosten einer Minderheit, das Auslachen und Verspotten von Personen, Schadenfreude. Humor ist in dem Fall ein Machtinstrument, kann weniger angenehme Gefühle hervorrufen und eingesetzt werden, um andere wissen zu lassen, sie gehören nicht dazu.
Richtig eingesetzt überwiegen die positiven Aspekte des Lachens. Im Lauf des Lebens lachen wir aber immer weniger. Während Studien zufolge Kinder 400-mal am Tag lachen, lachen Erwachsene nur mehr 15-mal am Tag.
„Aber warum?“, fragt sich Psychotherapeutin Doris Bach. „Warum vergeht einem das Lachen? Da doch seine positive Wirkung so offensichtlich ist? Da es nichts kostet und auch im Alter noch gut durchführbar ist? Mehr noch, es alterungsresistent und ein kognitives Training ist?“Denn Humor rege außerdem die Kreativität an, erläutert sie. Schließlich muss man den Witz verstehen, Zusammenhänge nachvollziehen. Humor sei der Regenschirm der Weisen, zitiert sie Erich Kästner. „Er sichert uns das Überleben, ist ganz wichtig für unsere Resilienz“, so Bach, und nennt noch einen weiteren Grund: „Wir wissen, dass Menschen, die mehr lachen, als attraktiver wahrgenommen werden.“So sind es nicht nur die Lachfalten, an denen man Menschen erkennen dürfte, die viel lachen. Es ist die Ausstrahlung: „Man erkennt sie an ihrem unbeschwerten Gemüt, an ihrem Strahlen.“Und an ihrer Haltung: Das sind dann oft die, für die das Glas eher halb voll ist als halb leer.“
Lachen wie ein Kind. Auch Erwin Steinhauer bezeichnet das Lachen als „Überlebensprinzip“– und das nicht nur, weil es ein wichtiger Teil seines Berufs ist. „Es ist einfach alles leichter, wenn du lachst. Es ist wie mit der Musik. Ohne funktioniere ich nicht.“Außerdem hält er sich damit jung. „Es ist lebensverlängernd, absolut. Die Leute mögen es doch bitte einfach ausprobieren.“Wie genau das funktioniert? „Indem man sich selbst nicht so ernst nimmt. Und Kind bleibt. Darum bin ich Kind geblieben. Bei denen ist das Lachen so unverfälscht, natürlich. Das können wir noch lernen von den Kindern.“