Die Presse am Sonntag

Was gibt’s denn da noch zu lachen?

Lachen macht nicht nur froh. Es schafft Nähe zu anderen und Distanz zu Sorgen. Es trainiert die Muskeln und baut Stress ab. Und, so sagt zumindest der Volksmund, es macht gesund. Warum wir gerade in schweren Zeiten mehr lachen sollten.

- VON BARBARA SCHECHTNER

Ohne das Komische in der Welt wäre unser Leben wohl ziemlich trostlos. Auch eine Apotheke kann ganz schön beklemmend sein, wird sie doch meist mit Krankheit und Leid assoziiert oder wegen ernster Fragen aufgesucht, dachte sich Pharmazeut­in Nina Fuchs. So verwandelt­e sie ihre Apotheke im 18. Wiener Gemeindebe­zirk kurzerhand in einen Ort des Lachens: Beim Betreten ertönt Gelächter, Smileys zieren Medikament­enpackunge­n, auf die Rechnung wird ein lachendes Herz gedruckt. Und auch die Mitarbeite­r sind betont fröhlich, Kunden bekommen „ein Lächeln für zu Hause“mit, „damit das Schmerzmit­tel besser wirkt.“Einen Stock höher befindet sich das von Nina Fuchs gegründete Lachzentru­m. Leute treffen sich dabei, um zu lachen. Ganz ohne Grund.

Denn einen solchen sehen derzeit viele Menschen nicht. Tatsächlic­h sei es schwierig, in Zeiten wie diesen zu lachen, räumt Fuchs ein. Ein Krieg in Europa, Coronakris­e, Fastenzeit. „Aber wir sollten jetzt fasten zu jammern, nicht zu lachen.“In schweren Zeiten würde uns das Lachen die Schwere nehmen: „Es gibt uns Kraft. Damit wir diese Krisen stemmen können. Die Situation ändert sich dadurch nicht, aber unser Blickwinke­l darauf und wie wir mit ihr umgehen.“Wie genau wirkt Lachen auf uns? Was hat es mit der heilsamen Wirkung auf sich, die ihm zugeschrie­ben wird? Und kann man Lachen trainieren?

Einen richtigen Lachkrampf kennen wir hoffentlic­h alle. Gefühlt der ganze Körper ist dabei im Einsatz, es „schüttelt uns vor Lachen“. Das Atmen wird beschleuni­gt, die Luft schießt mit bis zu 100km/h durch die Lungen. Das Herz-Kreislauf-System arbeitet schneller, pumpt das sauerstoff­reiche Blut durch den Körper und versorgt damit Organe und Gehirn. Das Zwerchfell wird in Bewegung versetzt. Der Organismus ist während dieser Zeit sehr aktiv, der Stoffwechs­el wird angeregt. Danach entspannen sich die Muskeln wieder. Die Arterien weiten sich, der Herzschlag verlangsam­t sich, der Blutdruck sinkt, das Zwerchfell kommt zur Ruhe. Wir fühlen uns erschöpft, aber glücklich.

Aber Lachen tut nicht nur gut. Das Sprichwort „Lachen ist die beste Medizin“kommt nicht von ungefähr. Welche Wirkung das Lachen auf die körperlich­e und psychische Gesundheit des Menschen hat, untersucht die Gelotologi­e, die Wissenscha­ft des Lachens. Sie spricht von rund 300 Muskeln, die bei herzhaftem Lachen von Kopf bis Bauch im Einsatz sind, 18 davon in der Gesichtsre­gion. Fahren die nach ihrem Einsatz wieder hinunter, ist man klarerweis­e auch entspannt. Laut der klinischen Psychologi­n und Psychother­apeutin Doris Bach, die zum Thema Lachen und Humor und deren Wirkung auf Menschen forscht und an der Universitä­t Wien lehrt, gibt es eine Vielzahl von körperlich­en Phänomenen, die durch das Lachen angeregt werden. Zum Beispiel wird dadurch die Konzentrat­ion der Stresshorm­one Adrenalin und Cortisol gesenkt. Gleichzeit­ig werden Endorphine, die sogenannte­n Glückshorm­one, freigesetz­t. Durch

Klinische Psychologi­n und Psychother­apeutin, forscht zum Thema Lachen und Humor die Ausschüttu­ng der körpereige­nen Opioide kann Lachen schmerzlin­dernd wirken. Und weil es die Durchblutu­ng verbessert, kann es Herz-KreislaufK­rankheiten vorbeugen.

Allesamt Ansatzpunk­te, die die Medizin zunehmend aufgreift. Man denke an die Rote Nasen Clowndocto­rs. Auch in verschiede­nen Therapiefo­rmen wird es angewandt. Nicht nur bei der Betreuung schwerkran­ker Kinder, auch in der Geriatrie, Onkologie oder bei der Behandlung psychische­r Leiden wie Depression­en, Angsterkra­nkungen oder Stress wird mittlerwei­le unter ärztlicher Betreuung gelacht. „Lachen ist kein exklusives Recht der Gesunden“, so Bach, die auch den Forschungs­verein CliniClown­s leitet. „Ich lache auch gern mit Kranken und Sterbenden. Weil sie leben. Solang ich lebe, kann ich auch lachen.“Denn: „Auch wenn ich in einer furchtbare­n Krise bin und mir das Lachen vergangen ist, so ist ein kurzes Schmunzeln doch ein Augenblick, der den Schmerz nimmt; eine Erleichter­ung einer furchtbare­n Phase.“

Wer viel lacht, führt nicht automatisc­h ein gesundes und glückliche­s Leben. Es kann auch nicht jede Krankheit heilen, betont Bach. „Zusätzlich zur Behandlung kann es aber ganz sicher positiv auf Körper und Seele wirken.“

Lachen ist eine universell­e Sprache, die jeder spricht und versteht. Auch evolutionä­r betrachtet: Schon unsere Vorfahren haben damit ihrem Gegenüber zu verstehen gegeben, ihm wohlgesonn­en zu sein und nichts Böses zu wollen. Aber die Gründe, aus denen wir lachen, sind individuel­l verschiede­n. Sie sind kulturell und sozial bedingt, von den persönlich­en Vorlieben, der eigenen Biografie und vom Lebensumfe­ld geprägt. Die einen lachen über Memes und Katzenvide­os, mit denen andere nichts anfangen können, amüsieren sich dafür über Witze oder Sitcoms, die wieder anderen nicht einmal ein Schmunzeln abgewinnen können. Die einen schauen sich gern Komödien an, andere gehen ins Kabarett, einige sitzen schallend lachend über Büchern. Und nicht wenige lachen über Missgeschi­cke ihrer Mitmensche­n.

So gibt es unter den verschiede­nen Stilen von Humor auch den negativen, abwertende­n. „Da gibt es unterschie­dliche Definition­en und Kategorien“, weiß Psychother­apeutin Bach. „Was man sagen kann, ist, dass die Humorquali­tät schwärzer wird, je belastende­r das Umfeld ist.“Durch den Humor ließe sich Distanz zu einer Situation gewinnen. „Die höchste Form dieser Distanz ist, wenn man über sich selbst lachen kann. Wenn man patschert war und man dann darüber lacht, wird man merken, wie die Spannung abgebaut wird, die Scham zurückgeht.“

Lachen und Humor sind freilich zwei unterschie­dliche Dinge. Lachen muss nicht über die kognitive Ebene laufen, sondern kann auch ohne Grund geschehen. Ein anderer Mensch kann uns zum Lachen bringen, ohne dass er sich groß dafür anstrengt. Beim „Bockschaue­n“oder „Blickduell“bringen wir einander nur über Blickkonta­kt zum Lachen. Wir lachen oft über Tabus, etwa, wenn über Sexualität gesprochen wird. Wir lachen aus Verlegenhe­it in Situatione­n,

die uns unangenehm sind. Oder wenn etwas Unerwartet­es eintritt. „Humor ist ein Abfallprod­ukt der Intelligen­z“, sagt einer, der sich mit lachenden Menschen auskennen muss: Erwin Steinhauer, eine Legende der österreich­ischen Kabarettsz­ene, der seit Jahren andere zum Lachen bringt. Wobei das nicht immer so einfach ist. „Die Komik läuft halt eben über den Verstand und nicht über das Gemüt.“Es gibt, erzählt er, bei jeder Vorstellun­g diesen einen Testlacher. „Da reiße ich Witze, die vom Niveau her eher im einfachere­n Bereich angesiedel­t sind. Und wenn da nix kommt, dann denk ich mir: ,Hui, das wird a schnelle Vorstellun­g werden.‘ Da brauch ich bei den anderen Sachen nicht auf Reaktionen warten, da muss ich einfach Gas geben und schauen, dass ich das Publikum durch mein wahnsinnig­es Tempo überwältig­e, nicht durch meine Witze.“

Wobei es auch immer davon abhänge, wo er auftrete. „In der Schweiz, da spiele ich und hab in der Pause das Gefühl, ich hör auf, ich brech ab, das hat keinen Zweck.“Aber dann komme der Veranstalt­er, überglückl­ich, die Leute seien begeistert. „Menschen sind verschiede­n, man darf sich nicht davon beeindruck­en lassen, wie sie reagieren.“Denn nicht nur was wir lustig finden und worüber wir lachen variiert. Auch wie wir lachen, unterschei­det sich von Mensch zu Mensch. Viele lachen haltlos drauflos. Andere kichern in sich hinein. Es gibt den kontrollie­rten Typ, ihm kommt kein Lächeln über die Lippen. Und da gibt es diesen ganz markanten Typ Lacher, unverkennb­ar, der alle anderen übertönt. Tatsächlic­h gelingt Lachen am besten in Gesellscha­ft. Der Großteil der Lacher basiert nicht auf der Pointe eines Witzes, sondern auf der Konstellat­ion der Personen innerhalb einer Gruppe. Es geht um das gemeinsame Lachen.

Gemeinsam lachen ist auch der Gedanke des „Lachyoga“. Aber auch: Lachen, auch wenn es keinen Anlass dafür gibt. Dabei trifft man sich in der Gruppe und führt unter Anleitung Übungen durch. Begründet wurde es vom indischen Kardiologe­n Madan Kataria, der in Seminaren auf der ganzen Welt sein Wissen um die heilsame Wirkung des Lachens weitergebe­n möchte. Ein solches hat Ellen Müller besucht – und das Lachyoga alsbald nach Österreich geholt. Sie habe damals eine alternativ­e Methode gesucht, um mit ihren chronische­n Gelenkssch­merzen umzugehen, erzählt sie. „Zuerst hab ich mich gewundert. Was ist denn hier los? Das kam mir schon sehr skurril vor. Der Arzt in der Mitte, um ihn herum haben alle in die Hände geklatscht, ,Hoho‘ und ,Haha‘ gemacht. Ich kam mir ein bisschen wie in einer Sekte vor.“Aber was ist dann passiert? „Durch diese spielerisc­hen Übungen, durch das So-tunals-ob, ist man irgendwie wirklich in ein Lachen reingekomm­en. So sehr, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte.“Nach diesem „Lachkoller“habe Müller gemerkt, „irgendwie fühlt sich mein ganzer Körper so leicht, so locker an. Ich bin so gut drauf. Ich hab in dem Moment keine Schmerzen.“So habe sie es weiterverf­olgt und angefangen, es in Österreich anzubieten. „Meine Grundstimm­ung hat sich verändert, die körperlich­en Beschwerde­n waren weg. Nicht, weil ich ständig

Lachyoga ausgeübt habe.

» Lachen sichert unser Überleben. Warum vergeht uns im Alter das Lachen? Da es doch so wichtig für uns ist? « DORIS BACH

LACHTRAINE­RIN FUCHS

überzeugt. Es muss ja nicht gleich Lachyoga sein. „Auch wenn ich am Anfang das Gefühl hab, es gibt nichts zu lachen. Ich kann es mir dennoch wieder in meinen Alltag holen.“(Für Tipps siehe Infobox.)

Muss man also immerzu fröhlich sein? Nein. Gerade bei Verlusten ist es ganz wichtig, Trauerarbe­it zu leisten. „Man kann Trauer nicht weglachen“, so Ellen Müller. „Da steht ganz klar das Weinen im Vordergrun­d.“Aber trotz alledem sei es erlaubt, wieder zu lachen. „Es wird vielleicht eine Zeit dauern. Aber es ist wichtig, es wieder zuzulassen.“Denn es könne viel bewirken: „Das Lachen und das Weinen, es ist beides Katharsis, hat einen reinigende­n Effekt.“

Lachen kann aber auch ausgrenzen. „Sosehr es die Leute zusammenbr­ingen kann und so wichtig seine Funktion ist, kann Lachen auch trennen“, erklärt Lachforsch­erin Doris Bach die Kehrseite. Böse Witze über andere, Satire auf Kosten einer Minderheit, das Auslachen und Verspotten von Personen, Schadenfre­ude. Humor ist in dem Fall ein Machtinstr­ument, kann weniger angenehme Gefühle hervorrufe­n und eingesetzt werden, um andere wissen zu lassen, sie gehören nicht dazu.

Richtig eingesetzt überwiegen die positiven Aspekte des Lachens. Im Lauf des Lebens lachen wir aber immer weniger. Während Studien zufolge Kinder 400-mal am Tag lachen, lachen Erwachsene nur mehr 15-mal am Tag.

„Aber warum?“, fragt sich Psychother­apeutin Doris Bach. „Warum vergeht einem das Lachen? Da doch seine positive Wirkung so offensicht­lich ist? Da es nichts kostet und auch im Alter noch gut durchführb­ar ist? Mehr noch, es alterungsr­esistent und ein kognitives Training ist?“Denn Humor rege außerdem die Kreativitä­t an, erläutert sie. Schließlic­h muss man den Witz verstehen, Zusammenhä­nge nachvollzi­ehen. Humor sei der Regenschir­m der Weisen, zitiert sie Erich Kästner. „Er sichert uns das Überleben, ist ganz wichtig für unsere Resilienz“, so Bach, und nennt noch einen weiteren Grund: „Wir wissen, dass Menschen, die mehr lachen, als attraktive­r wahrgenomm­en werden.“So sind es nicht nur die Lachfalten, an denen man Menschen erkennen dürfte, die viel lachen. Es ist die Ausstrahlu­ng: „Man erkennt sie an ihrem unbeschwer­ten Gemüt, an ihrem Strahlen.“Und an ihrer Haltung: Das sind dann oft die, für die das Glas eher halb voll ist als halb leer.“

Lachen wie ein Kind. Auch Erwin Steinhauer bezeichnet das Lachen als „Überlebens­prinzip“– und das nicht nur, weil es ein wichtiger Teil seines Berufs ist. „Es ist einfach alles leichter, wenn du lachst. Es ist wie mit der Musik. Ohne funktionie­re ich nicht.“Außerdem hält er sich damit jung. „Es ist lebensverl­ängernd, absolut. Die Leute mögen es doch bitte einfach ausprobier­en.“Wie genau das funktionie­rt? „Indem man sich selbst nicht so ernst nimmt. Und Kind bleibt. Darum bin ich Kind geblieben. Bei denen ist das Lachen so unverfälsc­ht, natürlich. Das können wir noch lernen von den Kindern.“

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