Die Presse am Sonntag

AUSSTELLUN­G

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„Handspells,

Preis der Kunsthalle Wien 2021“, Kunsthalle Wien im MQ, bis

21. Mai, Dienstag bis Sonntag, 11–19 Uhr, Donnerstag, 11–21 Uhr.

Handwerk im Allgemeine­n in der Gegenwarts­kunst wieder einen Siegeszug antrat, sind die bildenden Künstler hier wieder eingezogen. Viele fasziniere am Arbeiten mit Ton der Griff mit den eigenen Händen ins Volle, die „direkte Umsetzung, wieder etwas Reales vor sich zu haben“, bestätigt Zaitseva.

Gerade bei zunehmende­r Digitalisi­erung der Gesellscha­ft scheint das ein Desiderat zu sein, das sich eben in der Kunst ausdrückt. Der langwierig­e Prozess, den man auch als meditativ beschreibe­n könnte, tut sein Übriges als Gegengewic­ht zur Schnellleb­igkeit. Nachhaltig und geschichts­trächtig ist das Material auch noch. Mehr kann man fast nicht wollen.

Lang war es verpönt, wovon der voriges Jahr verstorben­e Bildhauer Franz Josef Altenburg ein leidvolles Lied singen konnte. Heute steht man in der Kunsthalle Wien in der gerade laufenden Ausstellun­g zum Preis der Kunstunive­rsitäten und wundert sich längst nicht mehr, wenn man rundum mattem Ton und schillernd­er Glasur begegnet.

Erst in Wien Keramik entdeckt. Chin Tsao (*1989), eine der Nominierte­n dieser Kunstpreis-Ausstellun­g, hat noch in Taiwan die Keramik-Basics gelernt, aber das sei noch sehr traditione­ll und verschult gewesen, erzählt sie. Erst bei ihrem Studium in Wien an der Angewandte­n habe sie das Material für sich entdeckt. Ihre Keramikobj­ekte, die sie auf Teppiche legt und an die Wände hängt, sind Chimären aus Rokoko- und Art-de´co-Formen, in ihnen kommen Ost und West, Vergangenh­eit und Zukunft zusammen. Auf der Wand läuft dazu ein Video von ihr, „The Land of

Promise“, wo man ihr Alter Ego in einer wüsten, futuristis­chen Welt sieht, die man schwer einordnen kann – Dystopie oder Utopie? Chin Tsaos Umgang mit der Keramik als ein Medium unter vielen ist typisch. Die wenigsten arbeiten nur damit.

Urnendecke­l aus Kolumbien. Auch für Diana Barbosa Gil (*1990, Kolumbien) ist der Ton nur eine Zutat in ihren Installati­onen, die für sich allein stehen können, die sie aber auch als Art Bühnenbild ihrer Performanc­es verwendet. Auch bei ihr kommen die Zeiten und Kulturen zusammen, als Inspiratio­n ihrer ungebrannt­en Tonfiguren

Keramik wird heute als ein Medium unter mehreren in Installati­onen eingebaut.

dienten ihr Urnendecke­l aus Kolumbien, wo sie aufgewachs­en ist. Sie zeigen Eltern mit ihren Kindern, in Wien werden sie eher als Comicfigur­en gelesen. Dazu kommt großformat­ige Wandmalere­i, Displays, in denen sie Einflüsse der klassische­n Moderne aufnimmt, sie bezeichnet sie nach El Lissitzky als „Demonstrat­ionswände“.

Noch eine dritte Künstlerin, Nora Severios (1986*), ist in der Ausstellun­g mit Keramik vertreten, abstrakte Formen, die eigentlich von Pferdeschw­eifgamasch­en stammen, werden von selbstgedr­ehten Seilen in Balance gehalten. Das Textile war der Trend vor der Keramik. Welches Handwerk wohl als nächstes seine Renaissanc­e erfährt? Das Glas? Metall? Zinnguss? Die Kunstakade­mien werden bereit sein.

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Secession, Zaitseva, Allmayer-Beck, Gianni Manhattan
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