Wohnbau statt Wiesen: Streit um Wiens
Auf 65 Hektar leben im Donaufeld in Floridsdorf geschützte Arten, der Boden eignet sich bestens für Ackerbau. Ausgerechnet dort soll Wiens neuster Stadtteil mit 6000 Wohnungen entstehen. Umweltschützer und Anrainer wehren sich vehement dagegen – denn Umwe
Weit hat es die Wechselkröte nicht geschafft. Gerade erst hat die Laichzeit begonnen, nun liegt das überfahrene Tier mitten auf der AloisNegrelli-Gasse. „Schade“, sagt Margit Spacek. „Die Kröte ist streng geschützt. Und hier am Donaufeld gibt es noch eines der größten Wechselkrötenvorkommen.“
In ihrer Regenjacke steht die Biologin vor dem Zaun, hinter dem das Donaufeld liegt: Äcker, Wiesen und vereinzelte Glashäuser, im Hintergrund erstreckt sich die Skyline der Donaucity. Knapp 60 Hektar ist das Areal groß, das zwischen den Bezirkszentren von Floridsdorf und Kagran liegt.
Ein kleines Idyll, das man hier nicht erwarten würde – wer von der belebten Donaufelder Straße einbiegt, wähnt sich plötzlich nicht mehr in einer Großstadt, sondern in einem Vorort, in dem einander die Leute freundlich grüßen. Entlang der Straße stehen Einfamilienhäuser mit Blick ins Grüne.
Früher waren am Donaufeld Bauern und Gärtnereien angesiedelt, mittlerweile stehen viele Glashäuser leer. Denn zukünftig wird nicht Ackerbau, sondern Wohnbau das Donaufeld prägen: Über die nächsten zwanzig Jahre soll hier ein neuer Stadtteil mit insgesamt 6000 Wohnungen entstehen. Nach der Seestadt im 22. Bezirk ist das Donaufeld damit das größte Stadtentwicklungsgsprojekt in Wien. Ein „lebendiges Wohnviertel“soll entstehen, heißt es vom städtischen Wohnfonds Wien, der neben Buwog, Wien-Süd und Arwag in das Projekt involviert ist. Kleingewerbe, Gastronomie, Nahversorger, eine Fahrradwerkstatt, Büros und eine Turnhalle sind eingeplant. Angebunden wird der neue Stadtteil Donaufeld mit einer verlängerten Buslinie sowie einer Straßenbahn.
In der ersten Etappe wird das Quartier An der Schanze gebaut: Auf 10,6 Hektar werden 1500 Wohnungen, ein Studierendenwohnheim, ein Kindergarten und verschiedene Geschäfte errichtet. Ein großer Teil der Wohnungen ist gefördert. Denn ein Fokus soll auf „sozialer Nachhaltigkeit“liegen, wie es in der Projektbeschreibung heißt: Wohnungen sollen speziell für Alleinerziehende, Obdachlose und Senioren zur Verfügung stehen.
Gegenwind auf dem Donaufeld. Doch das Bauprojekt stößt auf viel Kritik – und ist nun sogar ein Fall für den Verfassungsgerichtshof und die Volksanwaltschaft. Denn Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde für das Projekt keine durchgeführt. Aktivisten sorgen sich nun um die geschützten Tierarten, die auf dem Donaufeld heimisch sind: Neben der Wechselkröte kommen dort auch Ringelnattern, Zauneidechsen, Braunkehlchen und Schmetterlinge wie der Russische Bär vor.
Und der Grund birgt eine weitere Besonderheit: Die Donauschwemmlandböden sind ein äußerst fruchtbarer Boden, der sich ideal für Anbau eignet. „Ganz in der Nähe haben wir eine Gärtnerin, die immer voller Begeisterung vom Boden erzählt. Da braucht man gar keinen Dünger“, erzählt Spacek. Natürlich sei sie für leistbares Wohnen. „Aber das Projekt ist eine Katastrophe
für Umwelt und Tiere wie die Wechselkröte.“
Allein an der Wechselkröte liegt es freilich nicht, dass sie vor fast zwei Jahren mit ihrem Mann den Verein Freies Donaufeld gegründet hat. Denn Spacek ist Anrainerin, sie wohnt gleich gegenüber vom Donaufeld. Ein paar Häuser weiter ist die Wienerin aufgewachsen. „Dadurch bin ich natürlich auch emotional betroffen“, sagt sie.
Aber auch als Biologin blute ihr das Herz, versichert Spacek: Den fruchtbaren Boden auf dem Donaufeld zu versiegeln sei widersinnig, schließlich gebe es in Österreich nur mehr um die acht Prozent hochwertiges Ackerland. „Die EU spielt Agrarflächen frei, und wir betonieren sie hier zu“, sagt Spacek und schüttelt den Kopf.
Vor Gericht. In ihrem Garten serviert Spacek Tee und Kaffee, eine ganze Runde an Vereinsunterstützern hat sie zu sich geladen. So sitzt an diesem Nachmittag etwa der Aktivist Wolfgang Rehm, Teil der Umweltschutzorganisation Virus, an ihrem Gartentisch. Der Gärtner Harald Illsinger hat sich mit seinem Personenkomitee Donaufeld ins Wiener Immergrün, das die Bebauung des Areals grundsätzlich ablehnt, dem Verein angeschlossen. Und neben ihm sitzt Spaceks Mann, Robert Alder, Mitglied der SPÖ Donaufeld, mit einer ganze Mappe an Unterlagen auf dem Schoß. „Unser Verein besteht aus einem Mix quer durch alle Parteien, zu uns gehört etwa auch die grüne Bezirksrätin Gabi Tupy“, sagt Alder.
Auch der Anwalt Wolfram Schachinger sitzt im lauschigen Garten des Einfamilienhauses, um den Verein zu unterstützen. Ende März brachte dieser mithilfe des Rechtsanwalts einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof ein. Denn der Flächenwidmung für das Quartier An der Schanze steht er skeptisch gegenüber. „Es geht einerseits um inhaltliche Fehler und andererseits um formale Mängel. So wurden etwa besonders schutzwürdige Tierarten nicht berücksichtigt“, sagt Schachinger.
Das Donaufeld, auf dem seit 150 Jahren Gartenbau betrieben wird, ist seit 1994 als Stadterweiterungsgebiet ausgewiesen. Die heutigen Planungen beziehen sich im Wesentlichen auf den Stadtentwicklungsplan von 2005, in dem das Gebiet als ein Zielgebiet der Wiener Stadtentwicklung benannt wurde. Dass genau dieses Areal ausgewählt wurde, begründet die Stadt Wien mit der Lage: „Mit der geplanten Straßenbahn wird das Gebiet in hoher
Nach der Seestadt ist das Donaufeld Wiens größtes Stadtentwicklungsgsprojekt.