Prachtkerl mit Schöpfchen
Der Wiedehopf, eine seltene Schönheit, ist eben wieder aus Afrika zurückgekehrt. Wer ihn anlocken will, braucht einen insektenreichen Garten und hängt einen Wiedehopf-Brutkasten auf.
Aufgrund der unerträglichen Nachrichten und der kaum auszuhaltenden geopolitischen Situation sah ich mich in den vergangenen Wochen zur Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an Seelenheil genötigt, von Morgendämmerung bis Sonnenuntergang im Garten zu wühlen, bis das Kreuz ächzte, die Finger steif wurden, die Komposthaufen überquollen und das Hirn leer und ruhig wurde.
Um es mit Heinrich Heine zu halten: Ich floh den gelben Menschenneid, ich floh in die grüne Waldeinsamkeit. Außerdem dürfen sich auch Freiberufler gelegentlich den teuren, weil unbezahlten Luxus eines Urlaubs gönnen, und als Lohn ist nun ein flüchtiger und extrem befriedigender Moment erreicht, der morgen schon wieder vorbei ist: Alles ist geschnitten, umgesetzt, umgetopft, angebaut, repariert, gejätet, geputzt, geölt, durchgeworfen, erledigt. Ich habe fertig.
In diesem Zustand befinden sich der Garten und sein Mensch nur alle paar Jahre, man kann ihn als Nulllinie verstehen, als einen winzigen Augenblick, in dem alles ausnahmsweise so ist, wie man es haben will. Dabei half auch eine jahrelang überlegte und letztlich endlich getätigte Investition in eine akkugespeiste Kettensäge. Sie ist leichter, und sie ist einfacher zu bedienen als benzinbetriebene Motorsägen.
Während aber unter dem Lärm der herrlichen neuen Gerätschaft die ewig vor sich hinmorschenden Baumstümpfe aus der Wiese entfernt wurden und kranke Äste niederkrachten und zu Brennholz gestapelt wurden, durften die oberen und unteren Nachbarn in ihren vergleichsweise stillen Gärten einen seltenen und ganz und gar besonderen Gast beobachten. Ein Wiedehopf war angeflogen gekommen, hatte seine schwarz-weiß-rote Federhaube gesträubt und sich hier umgeblickt. Er war mehrere Tage zu beobachten gewesen, hatte die Bienenstöcke des Nachbarn in Augenschein genommen und offensichtlich eine gründliche Bestandsaufnahme der Umgebung vorgenommen.
Eigentlich sollte es ihm hier gefallen. Es gibt Wiesen und Obstbäume, die Landschaft ist offen, aber mit viel Strauchwerk durchzogen, und weil weder Gift noch sonst etwas zur Anwendung kommt, dürfte es auch an Nahrungsangebot nicht mangeln. Wer ihn noch nie gesehen hat: Der Wiedehopf ist eine auffällige Schönheit. Er ist nicht viel größer als eine Amsel, aber dank seines bunt gestreiften Gefieders, des langen Halses und Schnabels und einer kakaduartigen Federhaube wirkt er viel größer. Er ist eine auffällige Erscheinung, doch leider ist es viele Jahre her, seit ich den letzten Wiedehopf sah, deshalb war mein Neid groß. Selbst schuld, wenn man Krach macht. Den mag niemand.
Der obere und der untere Nachbar rannten jedenfalls sofort in ihre Werkstätten und kramten nach Brettern und Sägen, um dem seltenen Gast mittels Wiedehopf-Nistkästen die Sache schmackhaft zu machen. Vielleicht bleibt er ja da. Vielleicht zieht der schöne Vogel ein und vermehrt sich und kehrt dann alle Jahre im März nach seiner Winterreise nach Afrika wieder und zieht viele junge Wiedehopfe groß. Laut Bird Life Österreich gibt es etwa 700 Brutpaare hierzulande, doch die meisten von ihnen ziehen die milde Südsteiermark den doch etwas raueren südniederösterreichischen Gefilden vor.
Der schöne Kerl wurde übrigens zum Vogel des Jahres 2022 gewählt, und die Ornithologenschaft freut sich, wenn Sie Wiedehopfsichtungen melden, etwa auf der Website www.naturbeobachtung.at. Wer einen WiedehopfNistkasten bauen will, findet im Internet