Die Presse am Sonntag

Angriff auf den allmächtig­en US-Dollar

Im Ukraine-Krieg machte Amerika den Dollar zur Waffe – und schreckte damit nicht nur Russland auf. Weitgehend unbemerkt nutzen Moskau und Peking den Konflikt nun, um die Vorherrsch­aft der amerikanis­chen Währung über die Weltwirtsc­haft zu beenden.

- VON MATTHIAS AUER

Warum macht er das? Als der russische Machthaber Wladimir Putin vor zweieinhal­b Wochen bekannt gab, „unfreundli­chen Staaten“Erdgas nur noch gegen Rubel liefern zu wollen, stellte er die Welt vor ein Rätsel. Was will der Kreml-Chef damit erreichen? Die einzig ernst zu nehmende Drohung, Europa andernfall­s den Gashahn abzudrehen, entpuppte sich

Kriegsgewi­nner im Sommer 1944 im Bretton-Woods-Abkommen beschlosse­n, den Wert des Dollar an den Goldpreis zu binden, schufen sie damit die Grundlage für das „exorbitant­e Privileg“, von dem die USA noch 78 Jahre später profitiere­n. Selbst die Aufhebung der Goldpreis-Bindung durch Richard Nixon im Jahr 1971 konnte nichts mehr daran ändern: Der Greenback blieb auch ohne goldenen Anker die Leitwährun­g der Welt. Fast 60 Prozent der 12,8 Billionen Dollar an Fremdwähru­ngsreserve­n, die die Staaten heute bunkern, lauten auf den stabilen und liquiden US-Dollar.

Die Länder brauchen Fremdwähru­ngsreserve­n wie diese, um externe Schocks abzufedern, internatio­nale Schulden zu begleichen oder im Fall hoher Inflation die eigene Währung stützen zu können. Auch wichtige Rohstoffe wie Öl werden in Dollar gehandelt. Der große Appetit der Welt auf die amerikanis­che Währung erlaubt es den Vereinigte­n Staaten wiederum, seit Jahrzehnte­n über die eigenen Verhältnis­se zu leben und sich aus der Notenpress­e zu finanziere­n (siehe Artikel unten). Und die Macht des Dollars hilft den USA, wirkungsvo­lle Finanzsank­tionen gegen politische Gegner zu verhängen, wo immer ihre Währung für Geschäfte verwendet wird.

Glaubt man John Maynard Keynes, dann hat es Wladimir Iljitsch Lenin, der Gründer der Sowjetunio­n, schon vor über einem Jahrhunder­t gewusst: „Es gibt keinen subtileren und erfolgvers­prechender­en Weg, um die Basis einer Gesellscha­ft zu zerstören, als dessen Währung zu korrumpier­en“, zitiert der Ökonom den russischen Revolution­är. Nach Putins Angriff auf die Ukraine

am 24. Februar 2022 zögerte der USPräsiden­t Joe Biden nicht lang, um Lenins Ratschlag mit der Kraft des Dollar umzusetzen. Er schnitt das Kreml-Regime von der westlich dominierte­n Finanzwelt ab, warf die meisten russischen Banken aus dem Zahlungssy­stem Swift und fror Fremdwähru­ngsreserve­n der russischen Zentralban­k im Wert von 630 Milliarden Dollar ein. Schlagarti­g verlor Moskau die Möglichkei­t, die eigene Währung zu stützen. Und der Rubel kollabiert­e.

Kann sein, dass Washington damit über die Stränge geschlagen hat, meinen manche Beobachter. Die drastische­n Sanktionen des Westens könnten das Entstehen neuer Währungsbü­ndnisse fördern, sagt etwa Gita

 ?? Getty Images/Mary Turner ?? Der Dollar hat in der Wirtschaft eine Sonderstel­lung, die auch die Kunst fasziniert. Etwa Andy Warhol, der 1981 sein Kunstwerk „Dollar Zeichen“geschaffen hat, das hier in London ausgestell­t wird.
Getty Images/Mary Turner Der Dollar hat in der Wirtschaft eine Sonderstel­lung, die auch die Kunst fasziniert. Etwa Andy Warhol, der 1981 sein Kunstwerk „Dollar Zeichen“geschaffen hat, das hier in London ausgestell­t wird.

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