Die Sehnsucht nach dem Osterfrieden
Unser eurozentrisches Bild von der Welt ist stumpf, grau und brüchig geworden. Eine zwei Jahre andauernde Pandemie und ein europäischer Krieg zeigen aber den Widerstandsgeist unserer Gesellschaft.
Resilienz wurde vor wenigen Jahren zu einem mitunter fälschlich verwendeten Begriff für Managementberater und Lifestyle-Erklärer. Die psychische Widerstandskraft war da mangels echter Krisen gar nicht notwendig. Individuelle Karrieren, innenpolitische Aufregungen oder die sogenannte Währungskrise waren fern jeglicher Relevanz.
Das hat sich radikal geändert: Eine Pandemie übernahm unsere Leben und führte zu weitreichenden staatlichen Maßnahmen, die nicht zu unserem Demokratieverständnis passten. Die Hoffnung, es handle sich nur um eine kurze Lebensphase, blieb eine leere, die Pandemie wird uns weiter begleiten. Mittlerweile scheint die Mehrzahl der Bürger mit ihr besser leben zu können, als sie die Politik managt. Bilder von Festnahmen Demonstrierender und Haustiertötungen in Shanghai erschrecken und beweisen, dass Peking seine Zero-Covid-Politik nur mit Repression durchziehen kann. Es gibt keine gute Diktatur.
Diese Staatsgewalt gegen Protestierende kennen wir aus Chinas Schwesterdiktatur Russland, die Wahlen nur als politisches Lokalkolorit
zulässt und sich mit dem Überfall auf die Ukraine aus der Gemeinschaft zivilisierter Staaten für lange Zeit verabschiedet hat. Mit dem Angriff wurde Europa massiv geschockt: Die Naivität, Wladimir Putin sei ein schwieriger Verwandter, der nur droht, aber nie zuschlägt, war die schlimmste Fehleinschätzung der angeblichen deutschen und österreichischen Eliten. Die Verantwortlichen in Berlin, Wien und Brüssel hätten das tun müssen, was sie aus Selbstgefälligkeit lang verweigerten: den Osteuropäern zuhören, ihre Angst ernst nehmen. Dann war da noch Bequemlichkeit: Es war so leicht, sich von Atomkraft zu verabschieden. Das unsichtbare Gas wurde zur einzigen Alternative. Heute ist es Blutgas. Dazu kam die wirtschaftliche Gier: Vom Tourismus bis zur Industrie wurden Russen gehegt und gepflegt. Fast alle Parteien machten mit.
Nun hat sich die Gesellschaft über Nacht mit Aufrüstung und Militarisierung abgefunden. Zumindest dem Anschein nach. Papst Franziskus hat mit seinem Buch „Gegen den Krieg – Der Mut, den Frieden zu bauen“recht, wenn er schreibt: „Krieg ist keine Lösung,
Krieg ist ein Wahnsinn. Krieg ist ein Krebs.“Die Sehnsucht nach einem Osterfrieden, nach Ruhe und Entspannung, sie war in den vergangenen 70 Jahren wohl nie so groß.
Nichtsdestotrotz sollte ein Blick in die Geschichtsbücher erlaubt sein: Es war die militärische Abschreckung, die den großen Krieg zwischen Ost und West verhinderte. Es waren auch die Aufrüstung und der dadurch beschleunigte wirtschaftliche Niedergang der Sowjetunion, die den Kalten Krieg beendeten. Putin soll den Angriff auf die Ukraine auch mit dem Kalkül entschieden haben, ein durch die Pandemie geschwächtes, vom Gas abhängiges und uneiniges Europa würde der Aggression zuschauen. Die Ukrainer würden sich nach kurzer Gegenwehr fügen. Putin hat die wahre Resilienz aller massiv unterschätzt.
Kriegsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben. Für den Frieden. Europa muss für seinen Osterfrieden wirtschaftlich und politisch kämpfen, muss ihn in Zukunft verteidigen können und so Franziskus’ Plädoyer erfüllen. In diesem Sinne: frohe Ostern.
» Putin hat die wahre Resilienz aller massiv unterschätzt. «