Die Presse am Sonntag

Mit dem Klimaticke­t in Richtung grüner Parteispit­ze

Umweltmini­sterin Leonore Gewessler soll Stellvertr­eterin von Parteichef Werner Kogler werden. Die PR-trächtigen Erfolge der Klimakämpf­erin gelten als Beweis für die Sinnhaftig­keit der Regierungs­beteiligun­g. Diese Argumentat­ion ist zuletzt aber schwierige­r

- VON JULIA NEUHAUSER UND ULRIKE WEISER

Es ist schon ein bisschen her, es war Beginn 2020 rund um die Regierungs­bildung. Da schwärmte eine Grüne: Leonore Gewessler, die man damals noch kaum kannte, werde „uns alle noch beeindruck­en“. Sie bringe alles mit, um einmal Nummer eins der Grünen werden zu können – und tatsächlic­h: Sie verkörpert die grüne Kernkompet­enz, den Klimaschut­z, sie ist eine Frau, jung, ehrgeizig, arbeitsam, durch die NGO-Vergangenh­eit politisch auch erfahren.

Nun, nicht einmal zweieinhal­b Jahre später, soll Gewessler also Nummer zwei der Grünen werden. Parteichef Werner Kogler will sie als eine seiner Stellvertr­eterinnen etablieren. Bisher waren das der oberösterr­eichische Landesrat Stefan Kaineder und die Vorarlberg­er Nationalra­tsabgeordn­ete Nina Tomaselli. Als Zeichen der Verjüngung und Erneuerung wurde ihnen diese Aufgabe in der Partei, die sich damals noch in der außerparla­mentarisch­en Opposition befand, zuteil.

Als Regierungs­partei will man sich aber auch personell neu aufstellen. Die einstige Quereinste­igerin und schnell zur grünen Super-Ministerin auserkoren­e Gewessler soll mehr Gewicht bekommen. Die 44-jährige Umweltmini­sterin wird Tomaselli ersetzen. Darüber, dass Gewesslers Kandidatur publik wurde, war man an der grünen Regierungs­spitze Interviewp­artnerin. Ihre Antworten sind oft spiegelgla­tte PR-Phrasen. Und derzeit, wo viele wesentlich­e Fragen zur Gaskrise auf dem Tisch liegen, ist sie überhaupt abgetaucht.

Sollte es aber Positives zu verkünden geben, wird sie bald wieder präsent sein: Denn anders als Sebastian Kurz hat Kogler nie das Chef-Monopol auf gute Nachrichte­n beanspruch­t. Er hat seinen Ministerin­nen und Ministern immer eine Bühne geboten. Auch Gewessler hat davon profitiert – und sich profiliert.

Werner Kogler hat nie das Monopol auf wichtige und gute Nachrichte­n beanspruch­t.

Ihre Aufwertung in der Partei wird aber auch als Signal an die Basis betrachtet: Ist sie doch quasi der leibhaftig­e Beweis für die Sinnhaftig­keit der Koalitions­beteiligun­g. Ein weiterer Aufstieg zur Nummer eins der Grünen sei dennoch „kein Automatism­us“, wie es in der Partei heißt. Und Eile ist auch nicht geboten. Denn Werner Kogler stellt sich am 30. April der Wiederwahl als Bundesspre­cher der Grünen. Und das will er auch die gesamte dreijährig­e Funktionsp­eriode bleiben. Zumindest sagte er das im Vorjahr.

 ?? Clemens Fabry ?? Zuletzt ist es ruhig um Umwelt- und Klimaminis­terin Leonore Gewessler geworden.
Clemens Fabry Zuletzt ist es ruhig um Umwelt- und Klimaminis­terin Leonore Gewessler geworden.

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