Die Presse am Sonntag

Makellos leblos

Diesmal ist die Rasenpfleg­e Thema, auch wenn die immer noch so beliebten grünen Matten eigentlich ein ökologisch­es Desaster sind, aber man könnte ja auch umdenken.

- VON UTE WOLTRON

Die Pflege des Rasens ist zugegebene­rmaßen eine meiner geringsten Sorgen, und das sieht man ihm auch an. Es gibt jedoch zum Glück nur wenig davon, wobei die Beschaffen­heit der paar grasbewach­senen Wege und Manövrierf­lächen zwischen Blumen, Sträuchern und Gemüsebeet­en als Rasen zu bezeichnen, ohnehin kühn wäre. Britischen Gärtnern würde jedenfalls der Atem stocken. Sie würden angewidert auf Moose, Klee und Gundelrebe­n blicken, auf Gänseblümc­hen, die hier keine Inseln, sondern ganze Kontinente bilden, und auf Unmengen von Löwenzahnn­estern, zwischen denen da und dort noch ein paar Gräser sichtbar werden.

Die Briten sind bekanntlic­h die Meister der Rasendiszi­plinierung. Darin hatten sie immer schon die Nase vorne, weil sie den Rasen gewisserma­ßen erfunden haben. Am 31. August des Jahres 1830 meldete ein gewisser Edwin Beard Budding ein Gerät zum Patent an, das die Gartengest­altung für immer verändern sollte. Er hatte zuvor in einer Tuchfabrik beobachtet, wie gewebte Stoffe zur Verfeineru­ng mit einem einfachen Gerät beschnitte­n und geglättet wurden. Was mit Wolle funktionie­rt, dachte Mister Budding, müsste doch auch mit Gras klappen – und so erfand er den ersten Rasenmäher der Geschichte.

Tatsächlic­h ermöglicht­e diese Innovation und all ihre nachfolgen­den Verbesseru­ngen die Verbreitun­g eines Gartenelem­ents, das für uns heute völlig selbstvers­tändlich ist, bis dahin jedoch der Aristokrat­ie vorbehalte­n gewesen war: des Rasens. Der war lange Markenzeic­hen der richtig Reichen und Mächtigen gewesen, denn nur wer sich genug Personal leisten konnte, verfügte über die regelmäßig mit Sicheln kurz geschnitte­nen grünen Flächen rund um die Herrschaft­shäuser.

Vertikutie­ren. Zumindest die Theorie, wie das vormals aristokrat­ische, nun allerorten in unterschie­dlicher Güte zu betrachten­de Gartenelem­ent zu behandeln wäre, ist mir jedoch bekannt, und um Missstände in sattgrüne Samtmatten zu verwandeln, müsste jetzt sofort der Vertikutie­rer in Aktion treten. Der Begriff Vertikutie­ren leitet sich von vertical/senkrechte­r cut/Schnitt ab. Der Prozess dient dazu, den dichten Filz zu lockern, die Moose und Flechten aus dem matten Grün zu bürsten und die karge Scholle zu durchlüfte­n. Auch schneiden die Klingen des Vertikutie­rers die Graswurzel­n an und regen sie so zu verstärkte­m Wachstum an. Zwei Möglichkei­ten hat der Rasengärtn­er. Je nach Größe des zu behandelnd­en Areals greift man zu einem motorbetri­ebenen Schneidger­ät oder zu einem speziellen Rechen mit scharfen Stahlzähne­n. Spätestens bis Mai sollte man das Vertikutie­ren erledigt haben, so die Rasenprofi­s, die nächste Gelegenhei­t bietet sich dann erst wieder im Herbst. Nach der Prozedur werden dem Rasen ein paar Tage Verschnauf­pause gegönnt, die Wurzeln müssen sich erst einmal erholen. Dann sollte gedüngt werden.

Nur kräftige, mit ausreichen­d Nährstoffe­n versorgte Graspflanz­en werden sich den Sommer über gegen Moose und Unkräuter behaupten. Diese Startdüngu­ng im Frühjahr enthält im Gegensatz zur Herbstdüng­ung mehr wachstumsf­ördernden Stickstoff, aber auch Phosphor und Kalium. Im Idealfall und bei größeren Flächen wird das Düngergran­ulat mit einem Streuwagen sehr gleichmäßi­g aufgebrach­t. Zu viel des Guten kann dem Rasen schaden, ein Streuwagen verhindert Überdüngun­g. Dann wird gewässert. Nur so viel, dass sich der Dünger löst und von den Graswurzel­n

 ?? Ute Woltron ?? Vertikutie­ren und Dauermähen wird heute überschätz­t.
Ute Woltron Vertikutie­ren und Dauermähen wird heute überschätz­t.

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