Russland attackiert Stahlwerk bei Mariupol
Ukraine-Krieg. Die Evakuierung von Zivilisten aus der nahezu völlig zerstörten Stadt scheiterte erneut. Vorwürfe Moskaus gegen die USA.
Kiew. Zwei Tage nach dem von Moskau verkündeten „Sieg“in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol nahmen russische Truppen ihre Angriffe auf die dort verbliebenen ukrainischen Kämpfer wieder auf. Das Stahlwerk Asowstal sei von der russischen Armee aus der Luft attackiert worden, auch hätten Russlands Truppen versucht, das Werksgelände zu stürmen, teilte der ukrainische Präsidenten-Berater Olexij Arestowytsch mit. „Der Feind versucht, den letzten Widerstand von Mariupols Verteidigern zu ersticken“, sagte er.
Nach ukrainischen Angaben haben sich neben den verbliebenen Kämpfern auch mehr als 1000 Zivilisten in dem Stahlwerk verschanzt. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seinen Truppen vorerst befohlen, von einer Erstürmung des Geländes abzusehen und stattdessen eine Blockade zu errichten.
Versuche, Zivilisten aus dem nahezu völlig zerstörten Mariupol zu evakuieren, sind mehrfach gescheitert. Samstag verkündete die ukrainische Seite erneut eine Einigung auf einen Fluchtkorridor. Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk teilte mit, die Evakuierungen
sollten zu Mittag beginnen. „Heute werden wir erneut versuchen, Frauen, Kinder und ältere Menschen in Sicherheit zu bringen.“Trotzdem schienen die Bemühungen zunächst erneut zu scheitern. Russland und die Ukraine haben sich gegenseitig vorgeworfen, dafür verantwortlich zu sein.
OSZE-Mitarbeiter gefangen. Auch andernorts nahmen russische Truppen nach Angaben aus Kiew am Samstag Ziele in der Ukraine unter Feuer. „In Richtung Donezk führt der Feind Angriffshandlungen entlang der gesamten Frontlinie durch“, erklärte der ukrainische Generalstab. Die stärksten Attacken zielten auf die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk. Sturmversuche habe es auch in Rubischne, Popasna und Marjinka gegeben. In Solote sollen zwei Menschen durch Artilleriebeschuss getötet und zwei weitere verletzt worden sein. Auch die Hafenstadt Odessa wurde nach Angaben örtlicher Behörden Ziel eines Raketenangriffs, auch dabei soll es Tote gegeben haben.
Ärger droht Russland bei der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im Donbass im Osten der Ukraine sollen russische Kräfte Mitarbeiter der OSZE-Sonderbeobachtungsmission (SMM) gefangen genommen haben. Zudem seien SMM-Mitglieder von russischen Vertretern bedroht worden, meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform. Von westlicher Seite gab es scharfe Kritik. Mehrere Staaten forderten die sofortige Freilassung der OSZE-Mitarbeiter.
Die russische Führung warf den USA unterdessen eine geplante „Provokation“vor mit dem Ziel, Russland den Einsatz von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine unterzuschieben. Schon in den vergangenen Wochen hätten die Anführer westlicher Staaten regelmäßig mit Aussagen provoziert, dass Russland in der Ukraine den Einsatz einer taktischen
TOP 3 ONLINE Atombombe, von Chemie- und Biowaffen plane, sagte der Chef der ABC-Schutztruppen, Igor Kirillow, am Samstag. Ziel sei es, den Druck auf Russlands Verbündete Indien und China zu erhöhen, damit diese sich den Sanktionen anschlössen. Russland teilte außerdem mit, seine neue Interkontinentalrakete Sarmat ab Herbst in Dienst stellen zu wollen.
Die Zahl der Flüchtlinge steigt unterdessen weiter. Seit Beginn des Krieges vor zwei Monaten sind fast 5,2 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Bisher seien 5.163.686 Flüchtlinge registriert worden, gab das UNOFlüchtlingshilfswerk UNHCR bekannt. UN-Generalsekretär Anto´nio Guterres, der zuvor Chef des UNHCR war, will kommende Woche Russland und anschließend die Ukraine besuchen.