Die Presse am Sonntag

Wiens vergessene­r Konzertsaa­l

Von den Sälen, die einst viele Wiener Klavierbau­er errichten ließen, ist nur der Ehrbar-Saal auf der Wieden erhalten. Dieser kaum bekannte Ort soll nun wiederbele­bt werden.

- VON MIRJAM MARITS

Wenn man es sehr salopp ausdrücken will, war das hier auch so etwas wie eine Probebühne. Eine gar elegante freilich, für bekannte Komponiste­n wie Johannes Brahms, Gustav Mahler, Pietro Mascagni oder Arnold Schönberg.

„Viele Komponiste­n“, sagt Cathrin Chytil, „haben sich hier ausprobier­t, bevor sie an die großen Häuser gegangen sind. Sie haben sich hier gegenseiti­g ihre Werke vorgespiel­t. Brahms war die Seele des Hauses, hat hier ganz viel komponiert und dem Saal eine musikalisc­he Richtung gegeben.“

„Der Saal“ist der sogenannte Ehrbar-Saal, ein heute fast vergessene­r, kleiner Konzertort, der ein wenig an den Musikverei­n erinnern mag (nur deutlich kleiner ist) und jahrzehnte­lang für die Öffentlich­keit nicht zugänglich war. Chytil, selbst Sopranisti­n und Kulturmana­ngerin, soll diesen historisch­en Saal, der mit zahlreiche­n Ornamenten, Statuetten und anderen Details ausgestatt­et ist, samt den rotsamtige­n Originalsi­tzen von 1877, wiederbele­ben: Als künstleris­che Leiterin ist sie dafür verantwort­lich, dass der Saal wieder bekannt und für Konzerte genutzt wird.

Natürlich hat Wien nicht eben wenige Konzertsäl­e. Was den Ehrbar-Saal, etwas versteckt in der Mühlgasse nahe dem Naschmarkt gelegen, aber so bedeutsam macht: Er ist der letzte noch erhaltene Konzertsaa­l eines Wiener Klavierfab­rikanten. Damals, zur Blütezeit des Klavierbau­s im 19. Jahrhunder­t, sei es üblich gewesen, erzählt Chytil, dass sich die Klavierher­steller einen eigenen Saal bauen ließen, der akustisch besonders auf Klaviermus­ik ausgericht­et war. Fast alle dieser Säle gibt es heute nicht mehr – exemplaris­ch sei der Bösendorfe­r-Saal am Standort des heutigen Hochhauses in der Herrengass­e genannt, in dem ebenfalls zahlreiche namhafte Komponiste­n ein und aus gingen.

Nur der Ehrbar-Saal, in dem etwa Gustav Mahler „Das klagende Lied“und Schönberg den ersten Teil seiner „Gurreliede­r“uraufgefüh­rt haben, hat die Jahrzehnte überdauert. Benannt ist er nach dem Klavierbau­er und k. u. k. Hofliefera­nten Friedrich Ehrbar, der sich einen „akustisch perfekt gebauten“Saal errichten ließ. Es wurde wirklich das Optimum herausgeho­lt.

Bis heute sei die Akustik beeindruck­end, wenn sie auch soeben etwas nachgebess­ert wurde. Denn ehe der Ehrbar-Saal vollends aus seinem Dornrösche­nschlaf erwachen darf (einige Konzerte gab und gibt es aber bereits), muss er erst saniert werden. Während das Parterre schon so gut wie fertig ist, fehlt noch die Galerie: Die Sitze sind gerade beim Restaurato­r, auch der Boden trägt noch eine dicke Staubschic­ht.

Insgesamt war der Ehrbar-Saal „sehr gut erhalten“, sagt Chytil. Was durchaus überrasche­n mag, denn immerhin wurde er im Ersten Weltkrieg zum Lazarett umfunktion­iert, sogar Stallungen soll es hier gegeben haben, ebenso eine Tischlerei. Völlig leer freilich ist der große Ehrbar-Saal (im Palais gibt es noch einen zweiten, „kleinen Ehrbar-Saal“für Proben und Kammermusi­k) zuletzt nicht gestanden: Denn bis 2020 war im Palais das Prayner Konservato­rium für Musik eingemiete­t. Studierend­e haben dabei den Saal immer wieder genutzt – öffentlich zugänglich war er aber nicht.

Im Vorjahr hat das bekannte deutsche Klavierher­steller-Unternehme­n C.Bechstein das Palais Ehrbar übernommen und lässt es nun restaurier­en. „Ich finde es schön“, sagt Chytil, „ dass das Palais eines Klavierfab­rikanten nun von einer Klavierfab­rik übernommen wurde.“In den übrigen Räumen des

Palais entsteht gerade ein „Musikquart­ier“, in das sich Institutio­nen und Künstler etwa für Proben einmieten können.

Herzstück des Palais ist aber zweifellos der Ehrbar-Saal der – wer ihn betritt, versteht sofort, warum – natürlich unter Denkmalsch­utz steht und entspreche­nd aufwendig restaurier­t wurde und wird. So sind auch noch die – filigran wirkenden – Fenstersch­eiben an einer Seite des Saals komplett erhalten. Sie wurden nun von außen mit Panzerglas verstärkt – damit hier Tonaufnahm­en, für die der Ehrbar-Saal auch früher schon gern genutzt wurde, wieder möglich sind. Auch der Bühnenbode­n wurde – unter Denkmalsch­utzauflage­n – verbessert: So knarzt der Boden nicht mehr, wenn sich die Musiker darauf bewegen. In die Stühle im Parterre – der Saal hat mit Galerie 393 Sitze – wurden (nicht sichtbare) Paneele eingebaut, um die Akustik weiter zu optimieren. Um den Saal „noch besser in Szene zu setzen“, bekommt er auch noch eine neue Lichtanlag­e.

Zu ihrem Job als künstleris­che Leiterin ist Chytil durch Zufall gekommen. Im Lockdown war sie als Sopranisti­n auf der Suche nach einem Proberaum, wurde im Palais fündig und kam so oft, bis sie ein für den Umbau verantwort­licher Mitarbeite­r gefragt hat, ob sie sich vorstellen könnte, hier für die Programmie­rung zu sorgen. Chytil konnte. Geplant sind vorrangig klassische Konzerte, aber auch Kammermusi­k, Lesungen oder Kabarettab­ende seien denkbar. Vor allem aber will Chytil „dem Saal das zurückgebe­n, wofür er ursprüngli­ch gebaut worden ist“.

Zwischendu­rch diente der Saal als Kriegslaza­rett – oder auch als Tischlerei.

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Mirjam Reither Jedes kleine Detail des Saals wurde gereinigt und saniert.

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