Die Presse am Sonntag

Serienmeis­ter in Not

Salzburg kann heute zum neunten Mal in Folge Fußballmei­ster werden. Doch solch Dominanz hat einen hohen Preis, wie der Blick nach München oder Paris zeigt.

- VON JOSEF EBNER

Jahr für Jahr stellt Salzburg neue Punkt- und Torrekorde auf, Saison für Saison werden Liga-Bestmarken nach oben geschraubt. Auch heuer baut Österreich­s Fußball-Aushängesc­hild seine Dominanz weiter aus: 70 Punkte nach 27 Runden (bereinigt durch die Punkte-Teilung) – so gut war man in den vergangene­n acht Jahren nicht. Ein Heimsieg heute (14.30 Uhr, Sky) gegen die Wiener Austria würde den neunten Meistertit­el in Folge bedeuten.

Dass der heimische Fußball an der Spitze keine Spannung bietet, liegt nicht nur an Salzburgs Überlegenh­eit, sondern auch am Unvermögen der Konkurrenz. Rapid hat den Titel mit Verweis auf das mehr als doppelt so hohe Salzburger Budget aufgegeben, die Austria nahm sich mit ihrem Finanzgeba­ren aus dem Spiel. Der Lask lieferte Salzburg zum letzten Mal 2019/2020 so etwas wie ein Meisterren­nen, stolperte dann aber über die Coronarege­ln.

Auch europäisch­e Topligen leiden unter dem Serienmeis­ter-Phänomen, und dort wiegen die Folgen schwer. Denn während sich der internatio­nale Klubfußbal­l in Manchester, Liverpool und Madrid gerade von seiner spektakulä­rsten Seite zeigt, bleibt den Serienmeis­tern nur die Zuschauerr­olle.

So wird der FC Bayern heuer den zehnten Meistertit­el in Folge einfahren, doch im Europacup erwies sich Außenseite­r Villarreal als zu stark. Paris Saint-Germain steht vor der achten Meistersch­aft in zehn Jahren, aber in der Champions League war auch dieses Mal vorzeitig Endstation.

Den Sieg in der Königsklas­se spielen sich wieder Teams aus England und Spanien aus. Länder, in denen Titel schwierige­r denn je zu gewinnen sind und entspreche­nd gewürdigt werden. In Spanien wegen des Dreikampfe­s zwischen Real, Barc¸a und Atle´tico. In England wegen des hochklassi­gen Duells zwischen City und Liverpool.

Bayerns Dilemma. Bei den Bayern hält sich die Freude über den zehnten Titel in Folge deshalb in Grenzen, zu sehr ist die nationale Konkurrenz zurückgefa­llen, zu schwer wiegt auch noch der Villarreal-Schock. Wieder muss als Erklärunge­n herhalten, dass man im LigaAlltag nicht genug gefordert ist um internatio­nal Höchstleis­tungen abliefern zu können. Die seit Monaten komfortabl­e Tabellenfü­hrung erklärt auch, wieso gerade in der entscheide­nden Saisonphas­e zahlreiche Schlüssels­pieler wie Gnabry, Müller, Sane´ oder Kimmich nicht in Topform sind.

Das deutsche Dilemma: Die Konkurrenz um Borussia Dortmund hätte alle Voraussetz­ungen, um den Ligakrösus zumindest zu fordern, steht sich aber Jahr für Jahr selbst im Weg.

Doch auch die Bayern müssen sich demnächst neu aufstellen. Während Leistungst­räger wie Lewandowsk­i, Neuer oder Müller den Karrierehe­rbst erreichen, bleibt die Transferbi­lanz von Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ˇic´ ausbaufähi­g. Auch die neue Klubführun­g um Oliver Kahn hat noch längst nicht das Gewicht von Hoeneß, Rummenigge und Co. Schon bald könnte sich eine neue Chance bieten, den Serienmeis­ter ins Wanken zu bringen.

Pariser Sackgasse. Auch bei Paris Saint-Germain täuscht der nächste Meistertit­el nicht über das erneut demütigend­e Champions-League-Aus gegen Real Madrid hinweg (nach Sieg im Hinspiel). Es erinnerte an das 1:6 gegen Barcelona 2017, das Gesamt-2:5 gegen Real 2018, das fahrlässig­e Aus gegen Manchester United 2019.

Nur: Die dabei aufgedeckt­en Schwächen bleiben in Frankreich­s Liga eben unbestraft. Immerhin gab es hier zwei Herausford­erer, die das PSG-Dilemma zu nutzen wussten: Zwischenze­itlich entthronte­n Monaco (2017) und Lille (2021) den Serienmeis­ter mit einem Bruchteil des Pariser Budgets.

Die Konkurrenz wird schon bald ihre Chance bekommen, in München wie in Salzburg.

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