Serienmeister in Not
Salzburg kann heute zum neunten Mal in Folge Fußballmeister werden. Doch solch Dominanz hat einen hohen Preis, wie der Blick nach München oder Paris zeigt.
Jahr für Jahr stellt Salzburg neue Punkt- und Torrekorde auf, Saison für Saison werden Liga-Bestmarken nach oben geschraubt. Auch heuer baut Österreichs Fußball-Aushängeschild seine Dominanz weiter aus: 70 Punkte nach 27 Runden (bereinigt durch die Punkte-Teilung) – so gut war man in den vergangenen acht Jahren nicht. Ein Heimsieg heute (14.30 Uhr, Sky) gegen die Wiener Austria würde den neunten Meistertitel in Folge bedeuten.
Dass der heimische Fußball an der Spitze keine Spannung bietet, liegt nicht nur an Salzburgs Überlegenheit, sondern auch am Unvermögen der Konkurrenz. Rapid hat den Titel mit Verweis auf das mehr als doppelt so hohe Salzburger Budget aufgegeben, die Austria nahm sich mit ihrem Finanzgebaren aus dem Spiel. Der Lask lieferte Salzburg zum letzten Mal 2019/2020 so etwas wie ein Meisterrennen, stolperte dann aber über die Coronaregeln.
Auch europäische Topligen leiden unter dem Serienmeister-Phänomen, und dort wiegen die Folgen schwer. Denn während sich der internationale Klubfußball in Manchester, Liverpool und Madrid gerade von seiner spektakulärsten Seite zeigt, bleibt den Serienmeistern nur die Zuschauerrolle.
So wird der FC Bayern heuer den zehnten Meistertitel in Folge einfahren, doch im Europacup erwies sich Außenseiter Villarreal als zu stark. Paris Saint-Germain steht vor der achten Meisterschaft in zehn Jahren, aber in der Champions League war auch dieses Mal vorzeitig Endstation.
Den Sieg in der Königsklasse spielen sich wieder Teams aus England und Spanien aus. Länder, in denen Titel schwieriger denn je zu gewinnen sind und entsprechend gewürdigt werden. In Spanien wegen des Dreikampfes zwischen Real, Barc¸a und Atle´tico. In England wegen des hochklassigen Duells zwischen City und Liverpool.
Bayerns Dilemma. Bei den Bayern hält sich die Freude über den zehnten Titel in Folge deshalb in Grenzen, zu sehr ist die nationale Konkurrenz zurückgefallen, zu schwer wiegt auch noch der Villarreal-Schock. Wieder muss als Erklärungen herhalten, dass man im LigaAlltag nicht genug gefordert ist um international Höchstleistungen abliefern zu können. Die seit Monaten komfortable Tabellenführung erklärt auch, wieso gerade in der entscheidenden Saisonphase zahlreiche Schlüsselspieler wie Gnabry, Müller, Sane´ oder Kimmich nicht in Topform sind.
Das deutsche Dilemma: Die Konkurrenz um Borussia Dortmund hätte alle Voraussetzungen, um den Ligakrösus zumindest zu fordern, steht sich aber Jahr für Jahr selbst im Weg.
Doch auch die Bayern müssen sich demnächst neu aufstellen. Während Leistungsträger wie Lewandowski, Neuer oder Müller den Karriereherbst erreichen, bleibt die Transferbilanz von Sportdirektor Hasan Salihamidzˇic´ ausbaufähig. Auch die neue Klubführung um Oliver Kahn hat noch längst nicht das Gewicht von Hoeneß, Rummenigge und Co. Schon bald könnte sich eine neue Chance bieten, den Serienmeister ins Wanken zu bringen.
Pariser Sackgasse. Auch bei Paris Saint-Germain täuscht der nächste Meistertitel nicht über das erneut demütigende Champions-League-Aus gegen Real Madrid hinweg (nach Sieg im Hinspiel). Es erinnerte an das 1:6 gegen Barcelona 2017, das Gesamt-2:5 gegen Real 2018, das fahrlässige Aus gegen Manchester United 2019.
Nur: Die dabei aufgedeckten Schwächen bleiben in Frankreichs Liga eben unbestraft. Immerhin gab es hier zwei Herausforderer, die das PSG-Dilemma zu nutzen wussten: Zwischenzeitlich entthronten Monaco (2017) und Lille (2021) den Serienmeister mit einem Bruchteil des Pariser Budgets.
Die Konkurrenz wird schon bald ihre Chance bekommen, in München wie in Salzburg.