Dem Grauen so nah
Ein Mann tötet in einem kleinen Bergdorf die Nachbarsfamilie. Samira Sedira schildert die Tragödie aus Sicht von Anna, der Ehefrau des Täters.
Zuerst hat er die drei Kinder erschlagen, mit einem Baseballschläger. Und als deren Eltern nach Hause kommen, tötet er auch sie brutal.
Eines Tages hat Constant, ein unauffälliger Familienvater, also seine Nachbarsfamilie ausgelöscht. Constant, ihr Mann. Jetzt sitzt Anna im Gerichtssaal, beobachtet den Mann, mit dem sie und ihre Töchter bis vor Kurzem friedlich in ihrem Häuschen in den französischen Alpen zusammengelebt haben.
Eindringlich und durchgehend aus Annas Sicht schildert die algerisch-französische Autorin Samira Sedira die Ereignisse, die das kleine Dorf in den Bergen erschüttern. „Wenn unsere Welt zerspringt“beruht auf wahren Begebenheiten, was die ohnehin schon recht heftige Lektüre noch intensiver werden lässt.
Immer wieder blickt Anna zurück auf das gemeinsame Leben. Die unbeschwerten Momente. Die kleinen Probleme, wie sie zu jeder Beziehung gehören. Hätte sie vorhersehen können, ja, müssen, welch brutaler Mörder in ihrem Ehemann schlummert, so wie es vielleicht auch der eine oder andere Dorfbewohner hinter vorgehaltener Hand meint? Hätte sie erkennen müssen, dass ihr Mann durch die neuen, wohlhabenden Nachbarn, den charismatischen Bakary und seine wunderbare Frau, Sylvia, sein eigenes Leben hinterfragt? Nach und nach bekommt man als Leser Einblick in das Leben vor der Tat, in den latenten Rassismus im Dorf. Mit nur 176 Seiten ein recht schmaler, aber kraftvoller Roman.
Samira Sedira: „Wenn unsere Welt zerspringt“, übersetzt v. Alexandra Baisch, Piper, 176 S., 20,60 Euro