Ein Baby fehlt
Der Zwillingssohn von Cristiano Ronaldo und seiner Frau überlebte die Geburt nicht. Auch die Oberösterreicherin Lisa G. verlor einen ihrer Zwillinge.
Bis zur 18. Schwangerschaftswoche verlief alles in Ordnung. Lisa G. und ihr Mann, sie damals 28 Jahre alt, freuten sich schon irrsinnig auf ihr Baby. Es war ihr erstes. Doch bei der Kontrolluntersuchung in der 18. Woche gab es eine Überraschung. Der Frauenarzt sah plötzlich ein zweites Baby. Zwillinge!
Der freudigen Überraschung folgte gleich ein Dämpfer. Sie müsse ins Krankenhaus und sich das ansehen lassen. Die Ärzte dort sahen die Situation gleich „ganz negativ“, erzählt Lisa G. heute. „Sie sagten, die beiden werden das nicht schaffen, weil sie in einer Fruchthöhle sind.“Innerhalb kurzer Zeit wurde Lisa Gs. Schwangerschaft zu einem Hochrisiko.
Wie gefährlich sind Zwillingsschwangerschaften? Das fragen sich viele derzeit wieder. Anlass ist die Geburt der Zwillinge von Fußballsuperstar Cristiano Ronaldo und seiner Frau. Doch: Nur die Tochter überlebte. Der Sohn starb während oder kurz nach der Geburt. Der Fall sorgte auch in Medizinerkreisen für Interesse. „Dass ein Kind rund um den Geburtstermin stirbt, ist selten“, sagt Katrin Klebermass-Schrehof von der Klinischen Abteilung für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am AKH Wien. Zwillingsgeburten heutzutage seien eigentlich „sehr gut überwacht und kontrolliert“. Heißt, das Risiko, dass direkt bei der Geburt etwas schief gehe, sei nur mehr „minimal erhöht“. Allerdings, und das ist wichtig, „ist Zwilling nicht gleich Zwilling“. Es macht bei der Risikobewertung einen großen Unterschied, ob die Zwillinge ein- oder zweieiig sind. Ob sie sich Mutterkuchen oder Fruchtblase teilen oder nicht. Auch dürfe man nicht vergessen: „Es geht auch bei Einlingsgeburten etwas schief. Die Geburt wird im Alltag der Menschen gerne verharmlost. Es ist einfach eine risikoreiche Sache.“
Bei Lisa G. sahen die Ärzte in der 22. Woche plötzlich doch zwei Fruchthöhlen, doch die Ruhe währte nicht lange. „Ich habe gemerkt, mein Bauch wird schief.“Der eine Zwilling hatte viel mehr Fruchtwasser als der andere. Zu viel. Die 28-Jährige wird nach Graz ins Krankenhaus zu Spezialisten geschickt. Dort will man das (übermäßige) Fruchtwasser ablassen und die Gefäße der Plazenta durch einen Laser so trennen, dass jedes Baby eigenständig versorgt wird. Die andere Optionen: Das schwächere Kind sterben lassen. Oder beide holen.
Das ist für Lisa G. und ihren Mann keine Option. Sie probieren das Lasern. Sie ist in der 25. Woche. Der schwächere Zwilling überlebt das Lasern wider Erwarten. Doch beim MRT fünf Wochen später zeigt sich, es steht sehr schlecht um ihn. „Bei der Befundbesprechung hat der Arzt dann gesagt: Sollen wir ihm eine Spritze geben? Und ich habe gesagt: Jederzeit, wie hilft ihm das?“Erst dann begreift sie, dass der Arzt meint, das Baby sterben zu lassen.
Lisa G. ist nun in der 33. Woche. Das Baby hat einen Sauerstoffmangel gehabt. „Mit dem Befund, hat der Arzt gemeint, würde es nur an der Maschine hängen, wenn es überhaupt überlebt.“Über all dem schwebt die Gefahr, auch das zweite Baby zu verlieren – oder schwer zu beeinträchtigen. Sie entscheiden sich, ihr ungeborenes Kind gehen zu lassen. Die Nabelschnur wird durchtrennt. Eine Stunde später platzt ihre Fruchtblase. Es geht los.
Dass Zwillinge bis zum Ende ausgetragen werden, ist bis heute eher selten.
„Die Gebärmutter ist ein Muskel, der gedehnt wird. Wenn er eine gewisse Größe erreicht, bekommt man Wehen“, erklärt Klebermass-Schrehof. Früher sagte man, pro Mehrling kommen die Kinder zwei Wochen früher. Bei Drillingen ist das sechs Wochen vor dem Termin. Wenn es keine Komplikationen gibt. So wie das fetofetale Transfusionssyndrom, an dem die Zwillinge von Lisa G. leiden. Dann wird ein Kind besser versorgt als das andere. Es sind harte Entscheidungen, die Eltern und Ärzte dann treffen müssen. Soll man die Kinder früher holen? Wer hat Vorrang? Das stärkere oder das schwächere Kind?
Bei Zwillingsgeburten kann es viel eher zu Sauerstoffmangel kommen, etwa durch eine vorzeitige Plazentaablösung. Auch deswegen wird bei Zwillingen zu 80 bis 90 Prozent ein Kaiserschnitt gemacht. Bei Einlingsgeburten sind es 30 Prozent. „Zwei Kinder sind bei der Geburt schwerer zu überwachen als eines“, so die Ärztin. Ob eine Spontangeburt möglich ist, hängt von der Lage, der Versorgung, der Zahl der Fruchtblasen und der Plazenten ab.
Soll man die Babys früher holen? Wer hat Vorrang? Das stärkere oder das schwächere?
Ohne Vorbereitung. Drei Tage liegt Lisa G. noch in den Wehen, dann holen sie die Kinder. Im Nachhinein fragt sie sich, wie sie und ihr Mann es geschafft haben. „Aber man hat für den anderen da sein müssen.“Ein Sohn wird gesund geboren. Einer tot. „Ich hätte mir gewünscht, dass mich jemand darauf vorbereitet.“Darauf, wie es ist, ein totgeborenes Kind zu bekommen, darauf, dass es anders aussieht. „Ich hab ihn anfangs nicht nehmen können“, sagt sie und ihre Stimme bricht. Tränen kommen hoch. „Das Schlimmste aber war, dass er so kalt war.“Denn im Krankenhaus wird der Leichnam kühl gelagert.
Der kleine Lukas wird nach seiner Geburt beerdigt. Das beruhigt sie. „Weil ich dann gewusst habe, wo er ist.“Eine Freundin näht Kleidung und Schutzengel für den Sarg. Und für jeden in der Familie. Es ist für alle schwer belastend. Sie, ihren Mann, die Großeltern. „Es hat weitergehen müssen. Aber es nimmt