Die Arbeitskosten hoch!
Österreich ist ein Land, in dem die Gehälter gut und die Lohnnebenkosten überdurchschnittlich sind. Die aktuelle Rekordinflation dürfte heuer erneut für ein kräftiges Plus sorgen.
Im Oktober 1981 war es das letzte Mal so weit. Vor genau vierzigeinhalb Jahren lag die Inflationsrate mit 7,2 Prozent auf dem Niveau, das von der Statistik Austria am Freitag in ihrer Schnellschätzung für den April angegeben wurde. Gegenüber dem März bedeutete dieser Wert neuerlich ein Plus von 0,3 Prozentpunkten. Haupttreiber waren wieder vor allem Energieprodukte wie Treibstoffe, aber auch Nahrungsmittel wurden laut den Statistikern bereits merklich teurer. Eine Entwicklung, die laut Ökonomen in den kommenden Monaten weiter anhalten wird.
Für die aktuellen Kollektivvertragsrunden in der chemischen und der Elektroindustrie dürfte diese Neuigkeit eher keine Entspannung bringen. Die Gewerkschaft fordert in beiden Sparten eine Lohnerhöhung um sechs Prozent. Bisher blieben die Verhandlungen jedoch ohne Ergebnis. Bei der Elektroindustrie bieten die Arbeitgeber bisher maximal 3,9 Prozent. Morgen, Montag, soll es daher neuerlich Betriebsversammlungen geben. Warnstreiks stehen im Raum. Eine ungewohnte Eskalation in der Frühjahrsrunde, die in den vergangenen Jahren meist unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle blieb und nach einigen ruhigen Verhandlungen erledigt war. Schließlich wurde meist nur die Vorgabe der „Metaller“aus dem davor liegenden Herbst nachgezogen.
Und es dürfte ein Vorgeschmack darauf sein, was im Herbst ansteht. So brachte der Abschluss im November eine Lohnsteigerung um 3,55 Prozent. Ein Wert, der von der Teuerung deutlich überflügelt worden ist. Wohin die Reise gehen könnte, zeigte diese Woche die deutsche IG Metall. Sie fordert bei der bereits im Mai beginnenden Lohnrunde ein Plus von 8,2 Prozent.
Die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bringen sich daher bereits in Stellung. Erstere verweisen darauf, dass man sich in den vergangenen zwei Krisenjahren „sehr verantwortungsvoll“verhalten habe. Bei den Unternehmen habe es trotz der Pandemie – auch durch staatliche Hilfen – oft satte Gewinne gegeben. Daran wolle man nun den fairen Anteil haben.
In der Industrie wird wiederum die Sorge lauter, dass sich die Betriebe die Lohnsteigerungen nicht leisten könnten. Schließlich sei man wegen des Ukraine-Krieges und der Lieferkettenprobleme aufgrund der neuen Lockdowns in China bei Energie und Bauteilen ohnehin mit hohen Preissteigerungen konfrontiert. Es bestehe die Gefahr, preislich am Markt nicht mehr mithalten zu können. Die Arbeitgeber wollen einen Teil der Inflation daher durch Einmalzahlungen abgelten statt durch dauerhafte Lohnerhöhungen.
Wettbewerbsfähigkeit. „Ich verstehe die Sorge der Unternehmen. Allerdings sehe ich diese Gefahr derzeit eher nicht, da wir international im unteren Drittel bei der Inflation sind“, sagt dazu Wifo-Ökonom Benjamin Bittschi. So sei etwa in Belgien die Inflation zuletzt bereits bei über neun Prozent und in den Niederlanden oder Tschechien sogar bei rund zwölf Prozent gelegen. „Und das sind Länder, die unsere typischen Konkurrenten sind“, so Bittschi. Entscheidend sei dabei aber naturgemäß nicht die Inflationsrate, sondern wie stark diese die Löhne anhebt. Aber auch hier sei die Gefahr einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit in anderen Ländern größer. Etwa in Belgien, wo die Löhne indexiert werden.
Dennoch sei es natürlich richtig, dass hohe Löhne im internationalen Wettbewerb nicht immer auf die Produkte und den Markt übergewälzt werden können. Langfristig würde diese geringere Konkurrenzfähigkeit dann jedoch zu mehr Arbeitslosigkeit und somit zu einem sinkenden Lohndruck führen. Allerdings zu dem Preis, dass manchen Unternehmen in der Zwischenzeit die Luft ausgeht.
Grundsätzlich sind die Lohnstückkosten in Österreich durch die geringere Produktivität in der Coronapandemie ohnehin angestiegen. Auch dieser Effekt war weltweit zu beobachten, in Österreich aber stärker als bei den wichtigsten Handelspartnern, so eine Untersuchung des Wifo. „Im internationalen Vergleich verschlechterte sich die österreichische Lohnstückkostenposition sowohl gegenüber dem gewichteten Durchschnitt aller Handelspartner (plus 1,7 Prozentpunkte) als auch gegenüber den Partnerländern innerhalb der EU (plus 1,5 Prozentpunkte).“
Unter dem Strich entstehen in Österreich je Arbeitsstunde in der Industrie demnach Kosten von 40,48 Euro. Zum Vergleich: im Nachbarland Tschechien sind es gerade einmal knapp 14 Euro, in Italien etwa 30 und in Deutschland 43 Euro. Teurer sind in der EU nur Schweden, Deutschland, Belgien und Dänemark.
Dafür sind aber nicht nur die Löhne verantwortlich, sondern auch die Lohnnebenkosten – also Steuern und Sozialabgaben. Und bei diesen liegt Österreich laut OECD auch im Spitzenfeld. 47,3 Prozent der Lohnkosten muss ein Single-Durchschnittsverdiener hierzulande an den Staat abgeben. Nur Belgier und Deutsche zahlen noch mehr.
Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent Lohnerhöhung, zu viel für die Arbeitgeber. 47,3 Prozent muss ein Durchschnittsverdiener an den Staat abgeben.
Die anstehende Lohnrunde wird daher auch die Rufe nach einer neuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit lauter werden lassen – Stichwort: mehr Netto vom Brutto. „Dieses Thema ist ein Dauerbrenner, sollte aber losgelöst von der Lohnrunde in Ruhe angegangen werden“, so Bittschi. Das Hauptproblem dabei sei nämlich, dass die Lohnsteuer einer der großen Einnahmenbringer für den Staat sei. Um hier spürbar entlasten zu können, müsste im Gegenzug bei den Ausgaben entsprechend gespart werden. Und das würde dann nicht nur die Verwaltung, sondern auch die staatlichen Leistungen betreffen – etwa im Sozialbereich. „Österreich ist auch ein Land, in dem die Menschen viele Ansprüche gegenüber dem Staat haben“, so Bittschi.