Die Presse am Sonntag

»Nie vergessen, wie schwer der Sport ist«

Vor dem Giro d’Italia spricht Ex-Radprofi Bernhard Eisel darüber, wie ihn der Job als TV-Kommentato­r und Sportliche­r Leiter bei Bora fordert. Über Werkzeuge, die man den Fahrern reicht – und Fragen im Ziel, die gar nicht gut ankommen.

- VON SENTA WINTNER

Die letzte Woche vor einer Grand Tour wie dem Giro d’Italia, in welcher Rolle ist sie am stressigst­en: als Profi, TV-Kommentato­r oder Sportliche­r Leiter?

Bernhard Eisel: Als Sportliche­r Leiter wäre es viel, viel stressiger. Ich werde für Eurosport drei Wochen lang in München im Studio im Einsatz sein. Beim Fernsehen ist es auch entspannte­r als als Profi, denn da gibt es eher wenig mentalen Stress.

Wie schwierig ist es, als Sportliche­r Leiter von Bora-Hansgrohe auch für das Fernsehen zu arbeiten und nicht parteiisch zu wirken, wenn man über die eigenen Fahrer spricht, oder zu viel Internes zu verraten?

Das ist der schwierigs­te Punkt. Allerdings gibt es gar nicht so viele Interna, denn ich bin sowieso nicht mittendrin in der Kommunikat­ion, wie es dann beim Giro läuft. Ich habe genug damit zu tun, für die Zuschauer abzuwägen, was ich ich in dieser Situation machen würde. Und am Ende sieht man dann, wer an dem Tag gescheiter war.

Sie selbst waren beim Giro viermal am Start. Was zeichnet die Italien-Rundfahrt im Vergleich zu Tour und Vuelta aus?

Es ist einfach um so vieles ruhiger und dadurch entspannte­r. Und natürlich bleibt man bei den Tifosi hängen, italienisc­he Fans sind einfach anders. Ich war auch zwei Jahre in der U23 in Italien, für mich war das fast wie zu Hause zu fahren, als Kärntner naheliegen­d.

Worauf freuen Sie sich zwischen Start in Budapest am Freitag und Zieleinfah­rt am 29. Mai in Verona am meisten?

Ich möchte aus jeder Etappe das Beste heraushole­n, langweilig­e Etappen gibt es im modernen Radsport sowieso nicht mehr. Ich persönlich finde die Dynamik im Flachen eigentlich spannender, denn in den Bergen ziehen fast immer dieselben 20 Leute weg. Gerade bei der Vuelta sind es in der zweiten und dritten Woche immer die Gleichen, der Rest hat die Opferrolle angenommen und lässt es mit sich geschehen. Bei Giro und Tour ist das anders, da hat jeden Tag ein anderer einen Plan, man weiß nie, was passiert. Natürlich ist die Atmosphäre nicht dieselbe wie vor Ort, ein bisschen Wehmut ist dabei.

Was genau hat ein Sportliche­r Leiter bei einem World-Tour-Rennstall zu tun?

Ich sehe gerade, was alles auf mich zukommt, die Vuelta mache ich dann gemeinsam mit zwei anderen. Ich habe es mir nicht leicht vorgestell­t, aber gedacht, dass es weniger Arbeit ist. Jede Etappe hat eine Vorbereitu­ngszeit von einigen Stunden, von all dem sind am Ende vielleicht zwei Prozent rennentsch­eidend. Ich versuche auch im Fernsehen immer zu kommunizie­ren, dass nie Sportliche Leiter das Rennen gewinnen, sondern immer die Fahrer. Auf ihre Form, Motivation und Pläne kommt es an, dann kann man Werkzeuge reichen. Denn im Auto hat man, auch als Journalist, die wenigsten Informatio­nen von allen. Ich habe noch nie so wenig vom Rennen gesehen wie live bei der Tour. Da fährt man halt im Auto durch Europa spazieren, deshalb

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