Jeden Pedaltritt auskosten
Nach dem schweren Sturz sitzt Egan Bernal wieder auf dem Rad.
Vor einem Jahr war Egan Bernal der gefeierte Mann in Rosa. In Mailand krönte er seine Karriere mit dem ersten Triumph beim Giro d’Italia, seinem zweiten bei einer der großen Rundfahrten nach jenem bei der Tour de France 2019. Die Rückkehr auf die Siegerstraße war eine emotionale für den Kolumbianer. Nach langwierigen Rückenproblemen eroberte er seinen Platz an der Weltspitze zurück, und das in Italien, wo er einst im Nachwuchs die Weichen für die Karriere gestellt hatte.
Zur Titelverteidigung wird Bernal beim Start der 105. Auflage am Freitag in Budapest jedoch nicht am Start stehen. Dass Radsportfans überhaupt darauf hoffen dürfen, den Ineos-Profi noch einmal in einem Rennen zu sehen, gleicht beinahe einem Wunder. Mit fünf Prozent bezifferte Bernal die Chance, nach dem schweren Sturz in der Heimat Ende Jänner ohne Querschnittslähmung davongekommen zu sein. Auf einer Trainingsfahrt in Bogota war der 25-Jährige mit 60 km/h in einen stehenden Autobus gekracht. Über 20 Knochenbrüche wurden gezählt, darunter zwei Wirbel, elf Rippen, ein Oberschenkel, eine Kniescheibe, zudem wurden beide Lungenflügel perforiert. Die Betroffenheit war groß, in Kolumbien informierte ein Liveticker rund um die Operationen über den Zustand des Rad-Stars.
Noch muss Bernal am Stock gehen, das hält ihn aber nicht von seiner großen Leidenschaft ab. Gerade einmal drei Wochen nach dem Unfall saß er schon auf dem Heimtrainer, Anfang April absolvierte er bei einer Pressekonferenz in Bogota ein virtuelles Rennen mit Freunden. „Der beste Tag in meinem Leben.“Inzwischen haben auch die Ärzte grünes Licht für eine Rückkehr in den Leistungssport gegeben, der Weg zu den größten Rennen der Welt ist allerdings noch ein weiter, weiß der Kolumbianer. „Im Moment fahre ich Rad mit meiner Mutter, in ihrem Tempo. Es tut nichts weh, darüber bin ich glücklich“, erzählte er und wollte kein Datum für das Comeback festsetzen. Seine Fans aber ließ er wissen: „Wartet auf mich. Ich werde wieder Rennen fahren.“ darf man nicht überschätzen, dass die Radio-Kommunikation Rennen entscheidet oder sie langweilig macht. Nein, ich glaube sogar, mit mehr Technologie wäre es noch spannender für Zuschauer, weil Attacken viel genauer geplant werden könnten.
Und was davon ist persönlich die größte Herausforderung?
Den richtigen Mix dabei zu finden, genügend Info zu geben, aber sich zurückzuhalten und sie machen zu lassen. Wenn man im Auto sitzt, verliert man das Gefühl, wie schnell das Feld fährt, wie stressig es ist. Das bekommt man auch nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, bei jedem Rennen ein, zwei Fahrer zu haben, mit denen die Kommunikation gut funktioniert, die einem das sagen. Die Kommunikation selbst muss immer auf Augenhöhe sein. Jeder kann mir seine Meinung sagen, muss aber umgekehrt auch akzeptieren, wenn ich meine sage. In 98 Prozent der Fälle braucht es das sowieso nicht, weil jeder weiß, was zu tun ist, und es gern macht. Sollte es eskalieren, dann ist das eben so, das habe ich noch in jeder Mannschaft erlebt. Das Wichtigste ist, nie zu vergessen, wie schwer der Sport ist. Wenn ich von Journalisten im Ziel höre, dass sich ein Fahrer für den nächsten Tag erholt hat, und ich dann in die Gesichter der Fahrer schaue und ihren Augenaufschlag sehe, dann weiß ich: Das war kein Spaziergang, sondern ein richtiges Radrennen.
Wegbegleiter haben gemeint, dass Sie sich jetzt bei früheren Leitern entschuldigen müssten, weil Sie so eine Nervensäge waren.
Das habe ich damals schon gemacht. (lacht)
Sie selbst haben vor über 20 Jahren Ihre Profi-Karriere begonnen. Ist damals mit heute überhaupt noch zu vergleichen?
Nein, das ist ganz etwas anderes. Es wird auf viel mehr Dinge wie Ernährung geachtet, Mechaniker sind anders organisiert, von Osteopathen bis zu Kitchen Trucks ist jetzt alles dabei. Und diese Logistik muss man als Sportlicher Leiter jeden Tag auf Schiene bringen.
Bernhard Eisel
wurde am 17. Februar 1981 geboren. 2001 wurde er Radprofi, fuhr bis 2019 für Mapei, FDJeux, T-Mobile, Sky und Dimension Data. Der Wahlkärntner machte sich als Road Captain einen Namen und ging viermal beim Giro d’Italia, zwölfmal bei der Tour de France und dreimal bei der Vuelta a Espa˜na an den Start.
Karriere danach
Im Jänner 2020 erklärte Eisel seinen Rücktritt vom aktiven Radsport und ist seither als Kommentator für Eurosport tätig. Seit dieser Saison ist er auch einer der Sportlichen Leiter beim deutschen World-Tour-Rennstall Bora-Hansgrohe.
Eisel ist verheiratet und hat drei Kinder.