STECKBRIEF
Handballer Thomas Bauer skizziert die griechische Fanseele. Als Spieler von Olympiakos Piräus sieht er sich mit Hass im Netz von Fans seines Ex-Klubs AEK Athen konfrontiert. Und er weiß nun auch, dass Verträge in Katar nichts wert sind.
Thomas Bauer ist das, was man gemeinhin einen Weltenbummler nennt. Der Handball-Torhüter hat in den vergangenen 13 Jahren für ebenso viele Klubs Bälle pariert. Österreich, Deutschland, Frankreich, Norwegen, Portugal, Griechenland – ja sogar bis nach Katar führte Bauer sein Beruf. Das Wüstenabenteuer war ein lukratives, aber nach nur wenigen Monaten schon wieder zu Ende. Von einem Tag auf den anderen.
Rückblick: Im Sommer 2021 hatte der Wiener bei al-Rayyan seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt. Dass Unterschriften und Verträge in Katar nicht von sonderlich großem Wert sind, sollte Bauer zu verstehen bekommen, als der Verein ihm per Mail mitteilte, sein halbes Gehalt einzubehalten. Die Begründungen waren schwammig und nichts anderes als eine Umschreibung dafür, dass der Österreicher in Katar nicht länger willkommen war. „Wenn sie dich nicht mehr haben wollen, lassen sie dich das sehr deutlich spüren.“Die Bälle sollte nun ein anderer Torhüter parieren.
Bauer suchte nach Erhalt des Mails das Gespräch mit dem „Big Boss“, wie Klubchef Ali Ben Said Khayarin von allen nur genannt wird. Seine Forderung,
Thomas Bauer,
36, war bislang für 13 Vereine engagiert.
Seit 2009 steht der Wiener durchgehend bei ausländischen Klubs unter Vertrag. Mit AEK Athen gewann er in der Vorsaison das Triple.
Nach einem kurzen Gastspiel in Katar steht er mittlerweile bei Olympiakos Piräus im Tor.
Für das Nationalteam machte er 165 Spiele. man möge ihm weiterhin das volle Gehalt ausbezahlen, lächelten die Kataris weg. „Da ist überhaupt niemand eingeknickt.“Nur vier Monate nach seiner Ankunft, mitten während der Saison, packte Bauer also wieder seine Koffer. Der Deal: Volle Bezüge bis Ende November, aber dafür ein vorzeitiger Abschied. Mit 1. Dezember 2021 war das Kapitel Katar Geschichte.
In der Zwischenzeit hatte sich für Bauer eine neue Möglichkeit aufgetan. Ein Anruf aus Griechenland sollte die Weichen für die Zukunft stellen. In Athen hatte sich der 36-Jährige bereits in der Vergangenheit einen Namen gemacht. Mit AEK Athen war er in der Vorsaison griechischer Meister, Pokalsieger und EHF-Europapokalsieger geworden. Weil der Klub nach dem Triple, Bauer wurde als bester Torhüter der Saison ausgezeichnet, finanziell nicht nachbessern konnte, war Katar erst überhaupt ein Thema geworden.
Auch diesmal bekundete AEK Interesse an einer Verpflichtung Bauers. Allerdings erst, nachdem durchgesickert war, dass er bereits beim Erzrivalen Olympiakos Piräus unterschrieben hatte. Für Bauer eine Unart: „Sie hatten nach der erfolgreichen Saison im Sommer die Chance, mich zu halten, haben ihr Geld aber lieber in andere Spieler investiert. Das Kapitel AEK war für mich damit beendet.“
Hass im Netz. Nicht so für die Anhänger des Klubs. Nach Bekanntwerden des Wechsels zu Olympiakos kochten die Emotionen in den sozialen Netzwerken hoch. „95 Prozent der Nachrichten und Kommentare von AEKFans waren purer Hass und Beschimpfungen.“Als „Verräter“und „Ratte“wurde Bauer bezeichnet. Und ihm wurde gedroht. „Wenn du zu uns in die Halle kommst, machen wir dich fertig.“
Als Handball-Torhüter muss man berufsbedingt hart im Nehmen sein. Bauer ist genau das auch abseits des Spielfelds. „Diese Nachrichten zeigen nur, dass ich ihnen nicht egal bin, sie mich lieber in ihren Reihen hätten.“Der ehemalige Nationalspieler hat ein „Best of“bzw. „Worst of“der Screenshots ausgedruckt. Er sammelt sie. „Ich mache das, um in zehn, 20 Jahren nochmals diese ganzen Emotionen durchleben zu können. Irgendwann hängt diese Sammlung zu Hause in meinem kleinen Handball-Museum.“
Aus Fansicht kann Bauer den Unmut sogar nachvollziehen, schließlich spiele er jetzt „für den schlimmsten Feind. Aber irgendwo gibt es Grenzen.“Im Meisterschaftsfinale Anfang Mai („Best of five“-Modus) wird Bauer auf seinen Ex-Klub treffen. Die Spiele finden aus Sicherheitsgründen auf neutralem Boden statt, zugelassen sind immer nur Fans der Heimmannschaft. Er müsse darauf vorbereitet sein, dass es „keine normalen Spiele“werden. In der Vergangenheit wurden Spieler von Olympiakos auswärts schon „bespuckt und mit Gegenständen beworfen“. Immer wieder war es vorgekommen, dass Fans aufs Spielfeld gestürmt waren. „Und dann stehen da 50 Polizisten in Vollmontur, die total machtlos sind, wenn 1000 Leute losrennen.“All das seien „schon Sachen, die mich beschäftigen“, gibt Bauer zu. Die Konsequenz: „Die Familie hat in den Finalspielen in der Halle nichts verloren.“
Die Rivalität zwischen AEK Athen und Olympiakos basiert vor allem auf jener der Fußballklubs. Beide Vereine aber bedienen sehr viel mehr als die Sparte Fußball. Olympiakos SFP (Olympische Vereinigung der Sportfreunde von Piräus) etwa zählt insgesamt 15 Abteilungen, die vom Fechten und Tischtennis bis zum Wasserball reichen. Aushängeschild ist der Fußballklub, mit 46 Titeln griechischer Rekordmeister. Die Top drei komplettieren die Abteilungen Basketball und Volleyball. Wer für Olympiakos spielt, der wird aber stets an Erfolgen gemessen.
In Katar sind Verträge nichts wert. Der Klub wollte Bauer schlichtweg loswerden.
Die Familie hat im Finale in der Halle »nichts verloren«. Es wäre zu gefährlich.
Ein Team, das nicht um den Titel mitspielt, „ist für den Verein uninteressant“, sagt Bauer. Auch deshalb können Budgets schwanken. Ein Beispiel: „Wenn wir Handballer das investierte Geld nicht rechtfertigen, nimmt man es uns für die nächste Saison weg und gibt es den Wasserballern.“Mit dem Gewinn der Meisterschaft könnten die Handballer in der vereinsinternen Hierarchie Boden gutmachen und die finanziellen Mittel für ihre Abteilung erhöhen. Der letzte Titel von Olympiakos liegt drei Jahre zurück. „AEK ist Favorit, aber wir wollen es ihnen so schwer wie möglich machen.“