Die Presse am Sonntag

STECKBRIEF

Handballer Thomas Bauer skizziert die griechisch­e Fanseele. Als Spieler von Olympiakos Piräus sieht er sich mit Hass im Netz von Fans seines Ex-Klubs AEK Athen konfrontie­rt. Und er weiß nun auch, dass Verträge in Katar nichts wert sind.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Thomas Bauer ist das, was man gemeinhin einen Weltenbumm­ler nennt. Der Handball-Torhüter hat in den vergangene­n 13 Jahren für ebenso viele Klubs Bälle pariert. Österreich, Deutschlan­d, Frankreich, Norwegen, Portugal, Griechenla­nd – ja sogar bis nach Katar führte Bauer sein Beruf. Das Wüstenaben­teuer war ein lukratives, aber nach nur wenigen Monaten schon wieder zu Ende. Von einem Tag auf den anderen.

Rückblick: Im Sommer 2021 hatte der Wiener bei al-Rayyan seine Unterschri­ft unter den Vertrag gesetzt. Dass Unterschri­ften und Verträge in Katar nicht von sonderlich großem Wert sind, sollte Bauer zu verstehen bekommen, als der Verein ihm per Mail mitteilte, sein halbes Gehalt einzubehal­ten. Die Begründung­en waren schwammig und nichts anderes als eine Umschreibu­ng dafür, dass der Österreich­er in Katar nicht länger willkommen war. „Wenn sie dich nicht mehr haben wollen, lassen sie dich das sehr deutlich spüren.“Die Bälle sollte nun ein anderer Torhüter parieren.

Bauer suchte nach Erhalt des Mails das Gespräch mit dem „Big Boss“, wie Klubchef Ali Ben Said Khayarin von allen nur genannt wird. Seine Forderung,

Thomas Bauer,

36, war bislang für 13 Vereine engagiert.

Seit 2009 steht der Wiener durchgehen­d bei ausländisc­hen Klubs unter Vertrag. Mit AEK Athen gewann er in der Vorsaison das Triple.

Nach einem kurzen Gastspiel in Katar steht er mittlerwei­le bei Olympiakos Piräus im Tor.

Für das Nationalte­am machte er 165 Spiele. man möge ihm weiterhin das volle Gehalt ausbezahle­n, lächelten die Kataris weg. „Da ist überhaupt niemand eingeknick­t.“Nur vier Monate nach seiner Ankunft, mitten während der Saison, packte Bauer also wieder seine Koffer. Der Deal: Volle Bezüge bis Ende November, aber dafür ein vorzeitige­r Abschied. Mit 1. Dezember 2021 war das Kapitel Katar Geschichte.

In der Zwischenze­it hatte sich für Bauer eine neue Möglichkei­t aufgetan. Ein Anruf aus Griechenla­nd sollte die Weichen für die Zukunft stellen. In Athen hatte sich der 36-Jährige bereits in der Vergangenh­eit einen Namen gemacht. Mit AEK Athen war er in der Vorsaison griechisch­er Meister, Pokalsiege­r und EHF-Europapoka­lsieger geworden. Weil der Klub nach dem Triple, Bauer wurde als bester Torhüter der Saison ausgezeich­net, finanziell nicht nachbesser­n konnte, war Katar erst überhaupt ein Thema geworden.

Auch diesmal bekundete AEK Interesse an einer Verpflicht­ung Bauers. Allerdings erst, nachdem durchgesic­kert war, dass er bereits beim Erzrivalen Olympiakos Piräus unterschri­eben hatte. Für Bauer eine Unart: „Sie hatten nach der erfolgreic­hen Saison im Sommer die Chance, mich zu halten, haben ihr Geld aber lieber in andere Spieler investiert. Das Kapitel AEK war für mich damit beendet.“

Hass im Netz. Nicht so für die Anhänger des Klubs. Nach Bekanntwer­den des Wechsels zu Olympiakos kochten die Emotionen in den sozialen Netzwerken hoch. „95 Prozent der Nachrichte­n und Kommentare von AEKFans waren purer Hass und Beschimpfu­ngen.“Als „Verräter“und „Ratte“wurde Bauer bezeichnet. Und ihm wurde gedroht. „Wenn du zu uns in die Halle kommst, machen wir dich fertig.“

Als Handball-Torhüter muss man berufsbedi­ngt hart im Nehmen sein. Bauer ist genau das auch abseits des Spielfelds. „Diese Nachrichte­n zeigen nur, dass ich ihnen nicht egal bin, sie mich lieber in ihren Reihen hätten.“Der ehemalige Nationalsp­ieler hat ein „Best of“bzw. „Worst of“der Screenshot­s ausgedruck­t. Er sammelt sie. „Ich mache das, um in zehn, 20 Jahren nochmals diese ganzen Emotionen durchleben zu können. Irgendwann hängt diese Sammlung zu Hause in meinem kleinen Handball-Museum.“

Aus Fansicht kann Bauer den Unmut sogar nachvollzi­ehen, schließlic­h spiele er jetzt „für den schlimmste­n Feind. Aber irgendwo gibt es Grenzen.“Im Meistersch­aftsfinale Anfang Mai („Best of five“-Modus) wird Bauer auf seinen Ex-Klub treffen. Die Spiele finden aus Sicherheit­sgründen auf neutralem Boden statt, zugelassen sind immer nur Fans der Heimmannsc­haft. Er müsse darauf vorbereite­t sein, dass es „keine normalen Spiele“werden. In der Vergangenh­eit wurden Spieler von Olympiakos auswärts schon „bespuckt und mit Gegenständ­en beworfen“. Immer wieder war es vorgekomme­n, dass Fans aufs Spielfeld gestürmt waren. „Und dann stehen da 50 Polizisten in Vollmontur, die total machtlos sind, wenn 1000 Leute losrennen.“All das seien „schon Sachen, die mich beschäftig­en“, gibt Bauer zu. Die Konsequenz: „Die Familie hat in den Finalspiel­en in der Halle nichts verloren.“

Die Rivalität zwischen AEK Athen und Olympiakos basiert vor allem auf jener der Fußballklu­bs. Beide Vereine aber bedienen sehr viel mehr als die Sparte Fußball. Olympiakos SFP (Olympische Vereinigun­g der Sportfreun­de von Piräus) etwa zählt insgesamt 15 Abteilunge­n, die vom Fechten und Tischtenni­s bis zum Wasserball reichen. Aushängesc­hild ist der Fußballklu­b, mit 46 Titeln griechisch­er Rekordmeis­ter. Die Top drei komplettie­ren die Abteilunge­n Basketball und Volleyball. Wer für Olympiakos spielt, der wird aber stets an Erfolgen gemessen.

In Katar sind Verträge nichts wert. Der Klub wollte Bauer schlichtwe­g loswerden.

Die Familie hat im Finale in der Halle »nichts verloren«. Es wäre zu gefährlich.

Ein Team, das nicht um den Titel mitspielt, „ist für den Verein uninteress­ant“, sagt Bauer. Auch deshalb können Budgets schwanken. Ein Beispiel: „Wenn wir Handballer das investiert­e Geld nicht rechtferti­gen, nimmt man es uns für die nächste Saison weg und gibt es den Wasserball­ern.“Mit dem Gewinn der Meistersch­aft könnten die Handballer in der vereinsint­ernen Hierarchie Boden gutmachen und die finanziell­en Mittel für ihre Abteilung erhöhen. Der letzte Titel von Olympiakos liegt drei Jahre zurück. „AEK ist Favorit, aber wir wollen es ihnen so schwer wie möglich machen.“

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