Der verlorene Sohn
Laurent Petitmangins exzellenter Roman über eine tragische familiäre Entfremdung verzichtet auf Pathos und bedrückt dadurch umso mehr.
Französischsprachige Schriftsteller beherrschen die „mittlere Form“: Auf maximal 200 Seiten packen sie die Leser und lassen sie erst auf der letzten Seite wieder los. Ame´lie Nothomb kann das, Antoine Laurain oder Adeline Dieudonne´.
Laurent Petitmangin gelingt dieses Kunststück gleich mit dem Debüt, „Was es braucht in der Nacht“. Darin erzählt er auf schonungslose Weise die Geschichte einer Entfremdung zwischen Vater und Sohn. Ihre Härte erhält die Geschichte dadurch, dass das tragische Ende nicht unabwendbar ist, die Erkenntnis „mein Sohn, trotz allem“allerdings sehr spät kommt.
Der Ich-Erzähler, Monteur bei der Bahn, ist seit dem Krebstod seiner Frau Alleinerzieher der beiden Söhne Fus und Gillou. Die traumatisierte Restfamilie lebt im tristen Meurthe-et-Moselle in Nordfrankreich. Als ihm ein Gerücht zu Ohren kommt, ist er außer sich: Die coolen Jungs, mit denen sein fußballverrückter Sohn Fus um die Häuser zieht, gehören dem Front National an. Ab da will er mit Fus nichts mehr zu tun haben und überlässt den Burschen tatenlos dem Weg ins Verderben.
Laurent Petitmangin sorgte mit „Was es braucht in der Nacht“in Frankreich für
Furore. Der ehemalige AirFrance-Mitarbeiter, der selbst vier Kinder hat, bringt die größte Sorge vieler Eltern auf den Punkt: hilflos zuzusehen, wie man ein Kind an die dunkle Seite verliert – sei es Extremismus, sei es Alkohol oder Drogen. Die uneitle, schnörkellose Sprache macht das Buch zu einem authentischen Leseerlebnis erster Güte.
Laurent Petitmangin: „Was es braucht in der Nacht“, üb. H. Fock, S. Müller, DTV, 160 S., 20,60 Euro