Die Presse am Sonntag

»Man arbeitet heute nicht mehr, um zu überleben«

Anna V. steht vor dem Berufseint­ritt. Sie wundert sich, warum Anfänger mit Ideen so wenig Gehör finden.

- VON EVA WINROITHER

Anna V. ist kurz vor dem Ende ihres Lebens als Studentin. Im Mai oder Juni wird sie ihren zweiten Master, einen in Politikwis­senschafte­n, abschließe­n. Im Herbst beginnt ihr Leben in der Arbeitswel­t. Vielleicht sogar in Brüssel. Immerhin hat sie sich in ihren Studien auf die EU spezialisi­ert. Wie wird ihr Einstieg in die Arbeitswel­t laufen? Die 26-Jährige kann nur vermuten. „Ich würde schon sagen, dass Arbeit bei mir einen großen Stellenwer­t hat“, sagt sie. Sie beschreibt sich als typische Vertreteri­n der Generation Y (sprich „why“).

Für sie sei „Spaß und Freude am Arbeiten ganz wichtig. Und dass es einen Sinn hat.“Beruflich will sie sich selbst verwirklic­hen. Nur wie? Von ihren Freunden, die schon arbeiten, hört sie, dass, wenn sie in ihren Jobs Ideen haben, wie man Dinge ändern könnte, das oft gar nicht so gern gehört wird. Lieber will man in den Firmen alles so machen, wie es immer war. „Aber das wäre doch das Spannende“, sagt sie. „Dass man neue Blickwinke­l mitbringt und sie voll nutzen kann.“Der Satz „Work smart, not hard“gefalle ihr. Es gehe ja oft nicht um besser, sondern um anders. Ein Freund, erzählt sie, schaffe es, indem er Dinge anders erledige, Zeit zu sparen. Und könne so früher heimgehen. „Aber dann wird immer gleich angenommen, er ist nicht gut, weil er so schnell ist.“Auch anderen gehe es so. Klar könnte man schon Dinge für den nächsten Tag erledigen. Aber die seien eben „für den nächsten Tag. Ich finde es gut, einmal eine halbe Stunde früher zu gehen“.

Das Stundenzäh­len sollte ohnehin nicht der Maßstab sein, findet sie. So zu arbeiten wie ihre Eltern – mit Stempelkar­ten, einem fixen Stundensys­tem, alles wird genau kontrollie­rt –, das möchte sie nicht. Das Konzept des teilweisen Home-Office findet sie sehr attraktiv.

Regelmäßig­e 60-Stunden-Wochen wären ihr auf Dauer zu viel. Dass man in gewissen Zeiten auch privat für die Arbeit zurückstec­kt, ist für sie aber völlig in Ordnung. Nur nicht ständig. „Mir ist auch wichtig, dass man genügend Freizeit außerhalb des Arbeitsleb­ens hat.“Ein Freund ist für 42 Stunden angestellt, es werde aber erwartet, dass er 55 Stunden (ohne Extrabezah­lung) arbeitet – das findet sie nicht Ordnung.

Sich grundlos für die Arbeit aufzuopfer­n, das will ihre Generation nicht mehr. „Das persönlich­e Glück steht im Vordergrun­d – und nicht etwa, ständig eine Beförderun­g zu bekommen.“Dass niemand mehr in ihrem Alter arbeiten will, sieht sie nicht so. „Aber man hat einen anderen Zugang.“Sicher auch aus dem Wohlstand heraus. „Man arbeitet nicht mehr, um zu überleben.“

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