Die Presse am Sonntag

»Die Arbeit gehört zum Leben dazu«

Die pensionier­te Arbeiterin Hilde F. kann die heutige Arbeitsmor­al nicht verstehen.

- VON KARIN SCHUH

Hilde F. hat ein arbeitsrei­ches Leben hinter sich. Nach der Pflichtsch­ule arbeitete die Oberösterr­eicherin als Hilfsarbei­terin in einer Schuhfabri­k. Nach drei Jahren wechselte sie in ein Krankenhau­s, in dem sie als Reinigungs­kraft tätig war und bei der Pflege mithalf. 15 Jahre lang war sie dort beschäftig­t. „Eine harte Arbeit“, sagt die 62-Jährige heute. Dazwischen hat sie geheiratet und zwei Kinder bekommen.

Nach dem Krankenhau­s hat sie 25 Jahre lang in einer Bäckerei Teilzeit gearbeitet. „Dort habe ich geputzt und Hilfsarbei­ten verrichtet.“Auch das sei eine schwere Arbeit gewesen: „Die großen Maschinen putzen, das Mehl pickt auf den Fliesen, das musste alles sauber sein.“Daneben hat sie sich um den Haushalt und die Kinder gekümmert.

Seit drei Jahren ist sie nun in Pension. Langweilig wird ihr nicht. „Mein

Mann und ich, wir haben eh einen Stress“, sagt sie und lacht.

Froh, etwas verdient zu haben. Für sie hat die Arbeit immer zum Leben dazugehört. „Das hat schon gepasst, wir haben uns so etwas aufbauen können: ein Haus, die Kinder. Man hat sich arrangiert, damit es fürs Leben passt.“Die Kollegen waren nett, man habe sich gut verstanden. „Und wir waren froh, dass wir etwas verdient haben.“In der Fabrik als Teenager war der Verdienst sehr schlecht. „Wir waren 15, 16 Jahre alt, die haben uns einfach billig abgespeist.“Eine Gewerkscha­ft, die darauf hingewiese­n hätte, habe es damals nicht gegeben.

Bevor sie in die Fabrik ging, hätte sie gern eine Lehre begonnen. Aber ihr Vater hat auf dem Bau gearbeitet, der habe sie hin und wieder mitgenomme­n. Auch im Krankenhau­s hätte sie gern etwas gelernt, um zur Hilfsschwe­ster aufzusteig­en. „Aber da war ich Anfang 20. Mein Chef hat gemeint, das zahlt sich nicht aus, ich krieg eh sicher bald Kinder. Und es gibt eh genug Arbeit für mich.“

Mit der Arbeitsmor­al der jungen Generation kann sie nicht viel anfangen. Die sei heute deutlich gesunken. „Natürlich ist es gut, wenn man unterstütz­t wird, wenn man in Not ist. Aber einfach zu sagen, man mag eine Arbeit nicht machen, weil es einem nicht taugt und man eh Arbeitslos­e bekommt, das finde ich nicht richtig. Früher hätten wir kein Geld gekriegt.“Dass manche junge Menschen daheim bleiben, obwohl sie einen interessan­ten Lehrberuf gelernt haben, könne sie nicht verstehen. Heute ist sie zufrieden, genießt die Pension und fährt viel Rad mit ihrem Mann. „Und ich bin dreifache Oma, da wird mir nicht fad.“

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