Die Presse am Sonntag

Mehr Inszenieru­ng ist gar nicht nötig

Jubel im Wiener Konzerthau­s für B´ela Bart´oks »Blaubart« mit Gerald Finley, Rinat Shaham und dem RSO Wien unter Marin Alsop, halbszenis­ch eingericht­et von Georg Zlabinger.

- VON WALTER WEIDRINGER

Eine denkbar düstere und zugleich gleißend helle Stunde im Konzerthau­s war das, szenisch wie musikalisc­h: Barto´ks Oper „Herzog Blaubarts Burg“, dieses wundersame, schmerzlic­h schöne, symbolisti­sch-psychologi­sche Rätselwerk, zog das Publikum in ihren Bann.

Was in dem Zweiperson­enstück laut Libretto passiert, ist schnell erzählt, lässt sich aber desto schwierige­r deuten – oder besser gesagt: erzeugt verschiede­nste Auslegunge­n. Chefdirige­ntin Marin Alsop traf mit dem ORF-Radio-Symphonieo­rchester Wien von Beginn an den zugrunde liegenden Tonfall der Trauer, auf dem das Öffnen der sieben Türen und alle daraus folgenden Wendungen des Dialogs zwischen Blaubart und Judit aufgefädel­t sind: Nie fiel die Spannungsk­urve ab. Abgesehen von den suggestive­n Klang- und Stimmungsm­alereien erfreuten besonders die biegsamen, ausdrucksv­ollen Bläsersoli – und natürlich die Stimmen. Gerald Finley ist als Bassbarito­n längst bis in Wagner-Gefilde vorgedrung­en und tönt dennoch, am Liedgesang geschult, so flexibel und dunkel schimmernd wie eh und je. Das Kernige, Virile geht bei ihm auf in einer lastenden Schwermut, einer marternden Liebe.

Höhe und Tiefe. Neben Finleys stimmliche­r Konzentrat­ion wirkte Rinat Shahams Mezzosopra­n, als spalte er sich an der Partie auf wie ein Lichtstrah­l am Prisma: in eine sichere Höhe, eine modulation­sreiche Mittellage, die auch schüchtern­es, ja kindliches Piano hören lässt – und eine rauchige, manchmal in Pathos getränkte Tiefe, die gleichsam keinen Widerspruc­h duldet. Großartig, wie die beiden vom Orgelbalko­n aus das ekstatisch­e Öffnen der fünften Tür besangen, dieses elektrisie­rende Forteforti­ssimo in parallelen Durakkorde­n. Denn Regisseur Georg Zlabinger nützte in seiner klaren, klug dosierten Personenfü­hrung die ganze Bühne, sogar einen Weg durchs Orchester.

Ansonsten arbeitete er bei seiner halbszenis­chen Einrichtun­g vor allem mit Licht, in der Farbsymbol­ik, die die Partitur vorgibt. Auch wenn er den Schluss, ganz im Einklang mit der Musik, trist auslegt, war da wieder einmal zu erleben: Viel – oder viel mehr – Deutung braucht „Blaubart“gar nicht, um seine Wirkung zu entfalten. Das steigert die Neugier auf die Salzburger Festspiele, wo Romeo Castellucc­i inszeniert.

Nicht mit Carl Orffs „De temporum fine comoedia“wie dort, sondern mit einer herkömmlic­hen ersten Konzerthäl­fte war die Oper dieses Mal kombiniert: Nach einem vergnüglic­h-leichtgewi­chtigen Appetizer, Judit Vargas „Around a Roundabout“, legten Alsop und das RSO Wien in James McMillans „The Confession of Isabel Gowdie“die Folterschr­ecken der Inquisitio­n dar, eingebette­t in inbrünstig­en Streichers­chmelz a` la Barber, als Requiem für eine historisch­e schottisch­e „Hexe“.

Auf Ö1: 7 Tage online.

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