Maria Montessori, die Massenbildnerin
Sie promovierte als erste Frau Italiens, arbeitete als Ärztin, als die Medizin Männern vorbehalten war, und kämpfte für Gleichbehandlung. Mit ihrem Leitgedanken »Hilf mir, es selbst zu tun« revolutionierte Maria Montessori das Schulwesen – und polarisiert
Ein Mädchen spielt mit einem Einsatzzylinderblock. Sie zieht Holzzylinder heraus, um sie dann wieder in die passenden Vertiefungen zu stecken. Die anderen Kinder, die um sie herumlaufen und singen, beachtet die Dreijährige nicht. Auch als Maria Montessori den Sessel, auf dem das Mädchen sitzt, nimmt und ihn verrückt, arbeitet sie weiter. „Von dem Augenblick an, in dem ich zu zählen begonnen hatte, wiederholte sie die Übung zweiundvierzigmal. Dann hielt sie inne, als erwache sie aus einem Traum, und lächelte glücklich. Sie hatte nicht bemerkt, was wir getan hatten, um sie zu stören“, schrieb die Pädagogin später über diese „Offenbarung“.
Nie zuvor habe sie bei Kindern, denen doch ein rastloses Gemüt nachgesagt werde, eine solche Konzentration gesehen. „Jedesmal, wenn eine solche Polarisation der Aufmerksamkeit stattfand, begann sich das Kind vollständig zu verändern. Es wurde ruhiger, fast intelligenter und mitteilsamer“, schrieb Montessori. „Es offenbarte außergewöhnliche innere Qualitäten, die an die höchsten Bewusstseinsphänomene erinnern, wie die der Bekehrung.“Qualitäten, in denen sie das Potenzial sah, „das Schulwesen auf Kinderbeine zu stellen“, wie Saskia Haspel, Präsidentin der Österreichischen Montessori-Gesellschaft (ÖMG), sagt.
Inspiration im Armenhaus. Dabei wollte Montessori nie Lehrerin werden. Geboren am 31. August 1870 in Italien, setzte sie sich früh den Konventionen entgegen, studierte als eine der ersten Frauen Medizin – und sorgte mit ihrer Promotion 1896 landesweit für Aufsehen. Obgleich eine Männerdomäne, fasste sie als Ärztin in Rom Fuß und erlebte, wie körperlich und geistig beeinträchtigte Kinder in Armenhäusern mehr verwahrt denn versorgt wurden. Um ihnen Entwicklung zu ermöglichen, studierte Montessori Pädagogik und Anthropologie, erhielt eine Lehrstelle und brachte Förderprojekte auf den Weg. Zugleich entwickelte sie Spiele, um die Neugier und das Geschick der Kinder zu wecken und zu trainieren.
„Sie holte jedes Kind in seiner Individualität ab“, erklärt Haspel. „Es ging ihr um die Balance zwischen Freiheit und Führung, ohne Tadel und Strafen, aber mit klaren Regeln, viel Liebe und Verständnis.“In Montessoris Worten: „Hilf mir, es selbst zu tun.“Tatsächlich: Die „Casa dei Bambini“im römischen San Lorenzo wurde zu ihrem Experimentierund Erfolgsfeld. Die Kinder lernten nicht nur das Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch sich selbst zu versorgen und Rücksicht zu nehmen. Während sie so die Kinder anderer abholte, wählte sie privat einen anderen Weg: 1898 bekam sie mit ihrem Kollegen Giuseppe Montesano den Sohn Mario – und gab ihn an eine Pflegefamilie ab. Bis sich die Unverheiratete zu ihm bekennen und er ihr zentraler Unterstützer und Begleiter werden sollte, vergingen Jahrzehnte – in denen Montessori zur Berühmtheit wurde.
»Tyrannenkinder aufgrund von zu viel Laisser-faire in der Schule? Das stimmt nicht.«
Besucher aus dem In- und Ausland besuchten ihre Casa und gründeten, zunächst in Mailand und der Schweiz, Kinderhäuser nach Montessoris Vorbild. Um die Verwässerung ihrer Methodik zu verhindern, hielt die Pädagogin 1909 auf dem Landgut der Baronin Alice Franchetti einen Kurs für angehendes Lehrpersonal ab – und nutzte ihren Aufenthalt zudem, um ihre Theorien in der Schrift „Il metodo della pedagogica scientifica“zu bündeln, die 1913 unter dem Titel „Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter“auch ins Deutsche übersetzt wurde.
Freud bis Gandhi. Neben dem Erfolg – Sigmund Freud, Gandhi und Radhakrishnan förderten ihre Ideen, im Völkerbund wurde ihr gelauscht – wuchs aber auch die Kritik an ihrer Tätigkeit. „Montessori verweigerte infolgedessen 1927 in Berlin ihre Unterschrift unter die Diplome, weil ihrer Meinung nach starke ,sozialistische Elemente‘ beigemischt wurden“, schreibt Ingeborg Waldschmidt in ihrem Buch „Maria Montessori: Leben und Werk“. Es blieb nicht die einzige Schlacht, die die mittlerweile in Barcelona Wohnhafte zu schlagen hatte: Obgleich Benito Mussolini Ehrenvorsitzender der italienischen Montessori-Gesellschaft war, sträubte sich die Namensgeberin, den Faschistengruß und Uniformen einzuführen. Die Folge: Ihre Schulen auf italienischem Terrain wurden 1934 geschlossen. Gleich agierten die Nationalsozialisten im
„Dritten Reich“. Eines ihrer
sen, ihre Berechtigung haben. Nur diese bedingungslose Anbiederung an die E-Mobilität ist sicher der falsche Weg. Selbst dann noch, wenn man die Anschaffungskosten und die Rohstoff- sowie Recycling-Problematik gar nicht mit einrechnet.
Johann Zechner, 8010 Graz
»Glaubensfrage«, von D. Neuwirth, 24. 4.
soll das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Genau das geschieht. Das Potenzial wird nicht erkannt oder bewusst nicht viel mehr ausgeschöpft. Karl Brunner, 9020 Klagenfurt
»Ein Gasembargo ist nicht möglich«, von Matthias Auer und Ulrike Weiser, 24. 4.
man in Betracht zieht, dass Politiker, insbesondere eine Ministerin, bei Entscheidungen dem gültigen Recht zu folgen haben und nicht umgekehrt. Und dafür bekommt sie noch eine Bühne. Mag. Peter Schwarz, 3400 Weidling
» Sicherheit muss in den Köpfen entstehen, nicht auf den Schlachtfeldern. « GÜNTHER HOPPENBERGER
noch nicht. Doch ich glaube, es geht in diese Richtung.
Konkurrenz kann auch anspornen.
So sehe ich das auch. Wissenschaft lebt davon, man will der Erste sein, der etwas Neues entdeckt.
Was ging in Ihnen vor, als Sie begriffen haben, dass MacMillans Forschung in dieselbe Richtung wie Ihre geht?
Ich hatte gemischte Gefühle. Ich war einerseits total überrascht und fühlte mich unter Druck gesetzt, andererseits war ich begeistert, weil ich mich durch seine Arbeit bestätigt fühlte. Im Wesentlichen habe ich mich dann angestrengt, rasch meine erste Publikation fertig zu kriegen.
Und sie erschien vor jener von MacMillan.
Ja, wenn auch nur zwei Monate. Aber schön, dass Sie das erwähnen. Alle sagen immer, unsere Arbeiten seien „zeitgleich“erschienen.
Gut, den Nobelpreis haben schließlich Sie und MacMillan bekommen.
Ja, und darüber freue ich mich auch. MacMillan und ich waren Konkurrenten, sind aber immer respektvoll miteinander umgegangen.
Schon in den 1970er-Jahren hat es Hinweise darauf gegeben, dass organische Moleküle Katalysatoren sein könnten. Verwunderlich, dass sich kein Forscher vor Ihnen damit auseinandergesetzt hat.
Stimmt, anscheinend war die Zeit noch nicht reif für diese Erkenntnis. Ich frage mich auch: Warum haben die organischen Chemiker damals ihren eigenen Molekülen nicht zugetraut, dass sie Katalysatoren sein können?
Ja, warum nicht?
Das muss tiefenpsychologische Gründe haben. Das glaube ich wirklich. Sie dachten, nur die Katalysatoren unserer anorganischen Kollegen, also Metalle, oder die der Biologen, also Enzyme, würden funktionieren. Aber auf ihre eigenen organischen Moleküle, von denen sie ja schon wussten, dass sie alles Mögliche können, haben sie nicht vertraut. Das ist doch verrückt!
Lustig, wie Sie das formulieren. Das klingt so, als hätten sich die Wissenschaftler „ihren“Molekülen gegenüber nicht loyal verhalten.
Genau so ist das. Organokatalyse ist das Homeland organischer Chemiker. Das ist unsere Welt! Darum ist dieses Forschungsgebiet, nachdem wir die Tür geöffnet haben, auch so explodiert.
Hat es auf Ihre Entdeckung damals auch Reaktionen von Kollegen gegeben, die Sie überrascht haben?
Es gab Kollegen, die hatten mit Ambivalenz zu kämpfen. Einer der anerkanntesten organischen Chemiker der Welt – seinen Namen nenne ich nicht – gratulierte mir, nachdem er gesehen hatte, was ich herausgefunden hatte. Gratulationen sind übrigens total selten, wir gratulieren einander prinzipiell nicht. Ich weiß auch nicht, warum wir damit so geizig sind, ich könnte das auch mehr machen. Jedenfalls hat dieser Chemiker dann gegen Ende seiner Karriere alles aufgegeben, was er bis dahin gemacht hat, und sich mit all seiner verbliebenen Energie nur mehr auf die Organokatalyse konzentriert. Und zwar im Wesentlichen nur, um zu beweisen, dass der Mechanismus, den MacMillan und ich herausgefunden haben, nicht korrekt sei. Er ist also um die ganze Welt gereist, um allen zu sagen: „Erstens, so fundamental neu ist das mit der Organokatalyse gar nicht. Und zweitens: So genau wisst ihr ja gar nicht, was ihr da tut.“