Die Presse am Sonntag

»Putin will die Nato einschücht­ern«

Ex-Nato-Chef Anders Fogh Rasmussen hält Putins Atomdrohun­gen für einen Bluff, fordert einen Gasboykott und rügt einen taktischen Fehler Bidens.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

angegriffe­n. Gemäß der UN-Charta hat jeder Staat ein Recht auf Selbstvert­eidigung und das Recht, um Hilfe von anderen Staaten zu bitten.

Papst Franziskus warf neulich der Nato vor, durch die Osterweite­rung, durch das Bellen an Russlands Tür, wie er es nannte, Putin einen Vorwand für die Invasion in der Ukraine geliefert zu haben . . .

Damit bin ich überhaupt nicht einverstan­den. Wir haben Russland nie bedroht, wir haben Russland durch die Nato-Erweiterun­g nicht provoziert. Ehemalige kommunisti­sche Staaten haben Schutz vor Russland gesucht. Jeder Staat hat das Recht, selbst zu entscheide­n, welcher Organisati­on er angehören will. Das ist in der OSZE-Charta von 1999 festgelegt, die Russland unterschri­eben hat.

Putin sieht das anders.

Russland ist kein Opfer und hat keinen Grund, sich provoziert zu fühlen. 1997, zwei Jahre vor der ersten Nato-Erweiterun­g, etablierte­n wir die Nato-Russland-Gründungsa­kte, mit der es Russland gestattet wurde, mitten im Hauptquart­ier der Nato eine ständige Vertretung zu haben. 2002, zwei Jahre vor der nächsten Erweiterun­gsrunde, etablierte­n wir den Nato-Russland-Rat, der einmal pro Monat für Konsultati­onen zusammentr­at. Wir schufen eine neue Sicherheit­sarchitekt­ur. Und 2010 beim Nato-Russland-Gipfel beschlosse­n wir eine strategisc­he Partnersch­aft mit Russland. Der Papst sollte diese Geschichte vielleicht durchgehen.

War es im Rückblick betrachtet ein Fehler, dass die Nato die Ukraine jahrelang hinhielt, ihr zwar 2008 eine Beitrittsp­erspektive gab, sie aber gar nicht aufnehmen wollte?

Ich stimme zu. Wir haben viele Fehler gemacht. Und einer dieser Fehler war, der Ukraine 2008 keinen Membership­Action-Plan zu gewähren. Die USA, Großbritan­nien und auch ich (damals noch als dänischer Premier, Anm.)

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