Die Presse am Sonntag

Die Fortsetzun­g der Ära Kurz mit anderen Mitteln

Am kommenden Samstag wird Karl Nehammer zum 18. Bundespart­eiobmann der ÖVP gewählt. Wo reiht er sich ein in der Riege seiner Vorgänger? Wo steht er weltanscha­ulich? Und welche Rolle spielt seine Frau nun wirklich?

- VON OLIVER PINK

Als er Bundeskanz­ler wurde, antwortete Karl Nehammer auf die Frage nach seinem politische­n Vorbild, ohne lang nachzudenk­en: „Leopold Figl.“Er hätte auch Sebastian Kurz sagen können. Hat er aber nicht.

Wenn man Karl Nehammer so zuhört, wenn er über die ÖVP – er selbst bevorzugt den Begriff Volksparte­i – spricht, dann fallen Begriffe wie „Subsidiari­tät, Personalit­ät, Solidaritä­t“. Begriffe aus der alten ÖVP, wie man sie jahrzehnte­lang gehört hat – bis hinauf zu Wolfgang Schüssel oder Michael Spindelegg­er.

Von Sebastian Kurz hatte man solcherart nicht gehört. Sein Blick war nach vorn gerichtet gewesen, mit den Wurzeln der ÖVP hatte er es nicht so, es galt, Wähler von anderen Parteien zu gewinnen, zuerst von den Neos, dann von der FPÖ. Kurz hatte eine neue Bewegung geformt, die türkise Volksparte­i, moderner in der Anmutung des Marketings, rechter in der politische­n. Er führte die ÖVP damit in für sie zuvor unerreichb­are Höhen.

Sebastian Kurz hatte die Partei wie ein moderner Manager, manche würden auch sagen, wie ein junger General geführt. Alles war genau ein- und durchgetak­tet, nichts war dem Zufall überlassen, die Zügel in der Partei hielten er und seine auf ihn eingeschwo­rene Truppe fest in der Hand, auch für die Bespielung der Medien gab es einen klaren Plan.

Karl Nehammer fährt nun gewisserma­ßen eine Doppelstra­tegie. Inhaltlich hält er am Kurz-Kurs fest, das signalisie­rt er auch immer wieder nach innen: hart in der Zuwanderun­gspolitik, Rücksichtn­ahme auf den „kleinen Mann“im Sozialen etwa. Zum Laisser-faire der Ära Mitterlehn­er gibt es ebenso wenig ein Zurück wie zu kühlen Einschnitt­en der Ära Schüssel. Auf die Grenzen wird geachtet wie auf die Pensionist­en. In der Migrations­politik ist die Linie eine klare: Jegliche Unterstütz­ung für die ukrainisch­en Flüchtling­e, nun Vertrieben­e genannt. Volle Härte gegen jene, die sich in deren Windschatt­en widerrecht­lich Asyl bzw. Aufenthalt in Österreich zu verschaffe­n versuchen. Sebastian Kurz hätte es nicht anders gemacht.

Aber in der Tonalität, im Stil kommt Nehammer anders daher als Kurz. Dieser hat, wenn nötig, „durchregie­rt“, getan, was er für richtig erachtet hat, ohne viel Rücksicht zu nehmen. Die Sozialpart­ner rief er nur, wenn er sie brauchte. Nehammer ist bemüht, diese von vorneherei­n einzubinde­n. Auch medial ist sein Zugang breiter, es wird nicht mehr so genau in Freund- und Feindmedie­n unterschie­den.

Gewinnabsc­höpfung. In Zeiten von Krise und Krieg ist wohl auch der Anspruch des Publikums ein anderer: Statt Aufregung und Inszenieru­ng wünscht man nun Sicherheit und Ruhe. Zweiteres kann Nehammer eher bieten als Ersteres. Und während die Ideologie von Sebastian Kurz weitgehend auf dem Konzept Hausversta­nd beruht hat, kehrt Karl Nehammer eben schon auch zu den christlich-sozialen Wurzeln zurück. So ist auch sein jüngster Vorstoß einzuordne­n, Gewinne von Betrieben mit Staatsbete­iligung abzuschöpf­en, die überpropor­tional von der Krise profitiert haben.

Und Nehammer kann auch sehr emotional sein. Wenn ihm etwas nicht

Aber in der Tonalität, im Stil kommt Nehammer anders daher als Kurz.

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Clemens Fabry Karl Nehammer (49): In seiner Person vermischen sich alte und neue Volksparte­i.

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