Die Presse am Sonntag

Was Österreich­s Industrie im Baltikum tut

Die baltische Wienerberg­er-Tochter etwa leidet unter den Sanktionen gegen Russland.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Als der heimische Ziegelkonz­ern Wienerberg­er 2017 in Estland ein Werk erweiterte, sah die Welt noch anders aus. „Im Baltikum, in Russland, scheint die Zukunft rosig zu sein“, sagte der regionale Manager Margus Puusepp damals einer lokalen Zeitung. Fünf Jahre später scheint zumindest die Zukunft Russlands düster. Seit dem Überfall auf die Ukraine wurde der große Nachbar der drei Baltenstaa­ten vom Westen mit Sanktionen bestraft, viele internatio­nale Unternehme­n hatten sich aus dem Land zurückgezo­gen und der Handel mit dem Land brach ein. Wienerberg­er will sich heute auf Anfrage der „Presse am Sonntag“weder zum russischen noch zum baltischen Markt äußern.

Laut estnischen Medien leidet der Baustoffko­nzern aber unter den Folgen des Kriegs. Demnach hat die baltische Wienerberg­er-Tochter, die im Nordosten Estlands Ziegel herstellt, im vergangene­n Jahr rund 60 Prozent seiner Produktion nach Russland exportiert. Man suche nun Märkte, die den russischen ersetzen könnten.

Meistens Estland. Zwar sind es nicht viele heimische Betriebe, die Produktion­sstätten im Baltikum haben. Aber Wienerberg­er, das auch mit der Konzerntoc­hter Pipelife in der Region präsent ist, ist nicht der einzige dort ansässige Betrieb aus Österreich. Der Verpackung­sherstelle­r Greiner etwa eröffnete 2009 in Estland ein Werk, um von dort aus auch am skandinavi­schen Markt zu agieren. Die bisher weitaus größte rot-weiß-rote Direktinve­stition im Baltikum tätigte die Heinzel Group, die rund 200 Millionen in die Zellstofff­abrik Estonian Cell gesteckt hatte – überhaupt eine der größten ausländisc­hen Direktinve­stitionen bisher in Estlands Industrie. Das Werk exportiert Zellstoff in alle Welt, großteils aber nach Europa.

Dass es im Baltikum meist Estland ist, wo sich heimische Industrie ansiedelt, hat auch mit der Verwaltung, der Steuerland­schaft und dem Bildungssy­stem zu tun. Auch wenn Lettland mit Österreich die rot-weißrote Fahne gemein hat, wirtschaft­lich gesehen ist es das unbedeuten­dste baltische Land für Österreich. In Litauen wurden weit weniger Direktinve­stitionen als in Estland getätigt, dafür handelt Österreich mit dem südlichste­n Baltenstaa­t am meisten, und das Handelsvol­umen wächst.

Präsent ist die heimische Industrie freilich in allen drei Staaten. Die Voestalpin­e etwa stellt in Litauen und Lettland Weichen her. Auch der Baukonzern Baumit hat ein Werk in Lettland. Und freilich operieren nicht nur heimische Industrieb­etriebe im Baltikum. Die Vienna Insurance Group etwa ist mit mehreren Tochterunt­ernehmen in allen drei Staaten aktiv. Und Marktführe­r.

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