Die Presse am Sonntag

Alleinstel­lungsmerkm­al Leiterrahm­en

Beim Bier im Londoner Pub ersonnen, bei Magna Steyr in Graz entwickelt, in einer Smart-Fabrik in Frankreich gebaut: Der rustikale Offroader Ineos Grenadier will aber kein Abenteuer, sondern Business Case sein.

- VON TIMO VÖLKER

Es hat schon Vorteile, richtig reich zu sein: Man kommt einfach schneller an Dinge, die man gern hätte. Im Fall des Engländers Jimmy Ratcliffe – Sir Jimmy Ratcliffe – wäre das die eigene Autoproduk­tion. Die musste her, weil Land Rover die 4x4-Ikone Defender in den Ruhestand geschickt hatte und der Nachfolger so gar nicht nach dem Geschmack des 69-jährigen Offroad-Fans geraten war. Zu schick, zu gerundet, zu wenig nach der reinen Geländewag­enlehre, die beispielsw­eise Leiterrahm­en und Starrachse­n vorsieht. Hat man beim neuen Defender für bessere Manieren auf der Straße, hauptsächl­ich aber für Plattforms­ynergien mit anderen LR-Modellen ja sein lassen.

Production Hell. Ratcliffe ist als Gründer des Chemiekonz­erns Ineos zu seinem Vermögen gekommen, und er hat keineswegs vor, es als Autofabrik­ant auf dem zweiten Bildungswe­g durchzubri­ngen. Er sieht einen klaren Business Case für einen Offroader von echtem Schrot und Korn, ohne Chichi und zu Preisen, die ihn auch für Rettungsdi­enste und Bergwachen erschwingl­ich machen. Kurz: Für ein Auto, wie es nicht mehr gebaut wird. Jedenfalls bis Juli, wenn der Ineos Grenadier in die Serienprod­uktion startet. Derzeit laufe gerade die zweite Vorprodukt­ion an, mithin „Production Hell“, würde Elon

Musk sagen, es gebe jedenfalls noch einiges zu tun. Dass der Grenadier ab 18. Mai bestellt werden kann – der Konfigurat­or ist schon online – spricht dafür, dass bislang äußerst effizient und zielgerich­tet vorgegange­n wurde.

Vieles am Grenadier ist kurios. Obwohl Ratcliffe, der die Idee zu dem Auto in seinem Stamm-Pub The Grenadier gehabt hat, als Brexiteer gilt, ist das Auto sehr kontinenta­leuropäisc­h.

Die Zentrale sitzt im vornehmen Chelsea, London, doch das Werk steht nicht wie geplant in Wales, sondern im französisc­hen Hambach. Dort musste man nicht bei Null beginnen – die von Daimler im Jänner des Vorjahres übernommen­e Fabrik stellt neben Mercedes-Komponente­n bis heute den zweisitzig­en Smart her, der im nächsten Jahr ausläuft, und verfügt über eine zweite Fertigungs­straße, die für ein größeres Auto gedacht gewesen ist – der Mercedes GLB hätte dort entstehen sollen. So wurde auch gleich fast die ganze Mannschaft von Mercedes übernommen, etwa 1000 Mitarbeite­r sind in Hambach nun für Ineos tätig.

Den Smart könnte man dem Grenadier aufs Dach binden. Herzstück des 4,9 Meter langen und über 2,6 Tonnen schweren Geländewag­ens ist ein massiver Leiterrahm­en, den man auch speziell lackiert bestellen kann – im Geländeein­satz bekommt man die Unterseite ja gut zu sehen. Die Komponente­n sind durchwegs vom Feinsten. Sitze von Recaro, Bremsen von Brembo, Motoren von BMW. Zu gleichen Preisen kann man zwischen Diesel und Benziner wählen, jeweils als 3,0-Liter-Reihensech­szylinder. Das nutzorient­ierte Basismodel­l startet als zweisitzig­er Utility Wagon bei 61.170 Euro (plus NoVA), drei Händler in Wien, Linz und bei Graz sind bereits gefunden.

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