Die Presse am Sonntag

Der Schein trügt

Ein verstörend­er Gast, eine verschwund­ene Mutter, ein verdächtig­er Vater: Liane Moriarty packt vieles in ihren neuen Familienro­man. Zu viel.

- GAR

Tennis ist mehr als ein Spiel. Für Familie Delaney ist der Sport auch Beruf, Leidenscha­ft und Erfüllung. Als Stan und Joy nach Jahrzehnte­n ihre überaus erfolgreic­he Tennisschu­le verkaufen, um sich in den verdienten Ruhestand zu verdingen, macht sich schon bald Rastlosigk­eit breit, die rasch in Ratlosigke­it umschlägt: „Sie müssten andere Menschen sein, um den Ruhestand mit Anmut und Verve zu umarmen, wie es ihre Freunde taten“, gesteht sich Joy in einem stillen Moment ein.

Da steht eines Nachts eine Fremde vor Tür, ist im Gesicht verletzt und bittet um Unterschlu­pf. Bald hat sie das gesamte Familienge­füge durcheinan­dergebrach­t. Je mehr die Eltern die rätselhaft­e Unbekannte ins Herz schließen, desto misstrauis­cher werden ihre vier erwachsene­n Kinder. Rasch bröckelt die Fassade der scheinbar perfekten Familie, aber die überfällig­en Konfrontat­ionen werden nicht ausgetrage­n. So hat man es gelernt: Wenn Vater Stan einst der Kragen platzte, verschwand er einfach, manchmal sogar für Tage.

Und dann ist Mutter Joy weg, und ein schrecklic­her Verdacht erfasst die Familie.

Ist sie ums Leben gekommen? Hat Stan damit zu tun? Die Kinder sind in ihren Loyalitäte­n gespalten. Für die Polizei scheint hingegen alles klar. Doch ist es das? Moriarty, die mit dem auch erfolgreic­h verfilmten Roman „Big Little Lies“einen Welterfolg gelandet hat, baut Spannung auf, aber die Lektüre entlässt den Leser wie das in dem Buch allgegenwä­rtige Apple Crumble: gefüllt, aber nicht gesättigt.

Liane Moriarty: „Eine perfekte Familie“, übersetzt v. Carola Fischer, Diana Verlag, 560 S., 22,70 Euro

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